Europas Kampf gegen die Pandemie mit unterschiedlichen Mitteln

Die Corona-Infektionszahlen in Deutschland steigen dramatisch. Die
meisten anderen europäischen Länder sind von der zweiten Welle aber
schon viel härter getroffen worden. Auf die Frage «Was tun?» gibt es

dort sehr unterschiedliche Antworten.

Paris/Madrid/Wien/Rom/Den Haag (dpa) - Die zweite Corona-Welle rollt
gnadenlos über Europa hinweg. Die Bundesregierung erklärt eine
EU-Region nach der anderen zum Risikogebiet. Nur noch Griechenland,
Zypern und Lettland gelten als «risikofrei». In den Nachbarländern
ist die Lage teilweise noch viel verheerender als in Deutschland. In
Tschechien sind die Infektionszahlen im Vergleich zur
Bevölkerungszahl 11 Mal so hoch wie in Deutschland, in Belgien 9 Mal
so hoch. Alle europäischen Länder versuchen mit Maßnahmen
gegenzusteuern - die einen mehr, die anderen weniger entschlossen.
Ein Überblick:

FRANKREICH - Ausgangssperre in Paris und Marseille

Für das gesamte Staatsgebiet Frankreichs in Europa gilt ab Samstag
eine Reisewarnung der Bundesregierung für touristische Reisen. Nur
einzelne französische Überseegebiete wie die Insel Mayotte im
Indischen Ozean gelten noch nicht als Risikogebiete.

Die Regierung in Paris versucht mit nächtlichen Ausgangssperren in
großen Städten die Ausbreitung des Virus einzudämmen. In Paris, Lyon

oder Marseille gilt sie ab Samstag zwischen 21 Uhr abends und 6 Uhr
morgens. Zu dieser Zeit dürfen sich dort nur Menschen auf der Straße
aufhalten, die einen triftigen Grund haben - also etwa auf dem Weg
zur Arbeit sind. Das müssen sie mit einem Formular nachweisen. Wer
sich nicht daran hält, muss mit 135 Euro Strafe rechnen. Bereits seit
einiger Zeit haben in den Regionen mit höchster Corona-Warnstufe die
Bars geschlossen, es gelten strengere Hygieneregeln in Restaurants.

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron machte in einem TV-Interview
vor allem Feiern für die hohen Corona-Fallzahlen verantwortlich. Im
ganzen Land sind daher private Feste wie Hochzeiten in Festsälen oder
anderen öffentlichen Orten nicht mehr erlaubt.

NIEDERLANDE - Kneipen für vier Wochen geschlossen

Die Regierung in Den Haag hat die Corona-Maßnahmen am 13. Oktober
erheblich verschärft und einen «Teil-Lockdown» angeordnet. Kneipen,
Cafés und Restaurants müssen für vier Wochen schließen, der Verkauf

von Alkohol ist ab 20.00 Uhr verboten. Die Bürger dürfen nur maximal
drei Gäste pro Tag in ihren Wohnungen empfangen. Zudem sollen sie Bus
und Bahn nur in dringenden Fällen nutzen.

Ministerpräsident Mark Rutte kündigte auch eine allgemeine
Maskenpflicht an für alle öffentlichen Räume wie Geschäfte, Museen

oder Bibliotheken an, bisher war dies nur eine dringende
Empfehlung. Derweil wurde erneut die Verlegung
schwerkranker Covid-19-Patienten ins benachbarte Deutschland
vorbereitet, weil in niederländischen Krankenhäusern - wie schon im
Frühjahr - die Plätze auf Intensivstationen immer knapper werden.

ÖSTERREICH - Erster Ort unter Quarantäne

Mit der 7000-Einwohner-Gemeinde Kuchl im Salzburger Land steht ab
Samstag erstmals seit Monaten wieder ein Ort unter Quarantäne. Die
Ein- und Ausreise ist - abgesehen von Ausnahmen - bis 1. November
nicht mehr erlaubt. Der Ort und die Region haben Spitzenwerte bei den
Corona-Neuinfektionen in Österreich. Außerdem hat die Alpenrepublik
nun erstmals seine Corona-Ampel für vier Bezirke in drei westlichen
Bundesländern wegen des sehr hohen Risikos auf Rot gestellt.
Betroffen ist auch die Region Innsbruck in Tirol. In Österreich gilt
verbreitet eine Maskenpflicht, Sperrstunden sind teils auf 22 Uhr
vorverlegt. Bei privaten Veranstaltungen ohne zugewiesene und
gekennzeichnete Sitzplätze sind nur mehr zehn Personen statt bisher
50 erlaubt.

SPANIEN - 46 Gemeinden teilweise abgeriegelt

Spanien wurde von der zweiten Welle als eins der ersten Länder Europa
schon ab Mitte August erwischt. Die Maßnahmen zur Eindämmung der
Pandemie sind viel strenger als in Deutschland. Aber einen
Flickenteppich gibt es dort auch, weil die Kompetenz für die
Bekämpfung des Coronavirus bei den Regionen liegt.

Landesweit besteht in Spanien schon seit Anfang August eine generelle
Maskenpflicht außerhalb der eigenen vier Wände. Seither gilt auch ein
weitreichendes Rauchverbot in der Öffentlichkeit. In mehr als 700
Gemeinden gibt es weitergehende Einschränkungen - etwa beim Zugang zu
Bars, Restaurants, Konzerthallen oder Einkaufszentren wie zum
Beispiel auf der bei Deutschen beliebten Ferieninsel Mallorca oder
die Begrenzung der Teilnehmer an Treffen auf nur noch sechs Personen
wie etwa in Katalonien.

Teilweise abgeriegelt sind landesweit 46 Gemeinden mit insgesamt 5,7
Millionen Einwohnern. Sie dürfen nur aus triftigem Grund verlassen
oder betreten werden. Der prominenteste Fall ist Madrid, das die
höchsten Corona-Zahlen aufweist. Dort wurde diese Maßnahme von der
Zentralregierung gegen den Willen der Regionalregierung durchgesetzt.
Einschneidende Maßnahmen hat auch gerade erst Katalonien mit der
Touristenmetropole Barcelona ergriffen. Hier wurden ab Freitag alle
Bars und Restaurants komplett geschlossen.

ITALIEN - Maskenpflicht drinnen und draußen

Das Mittelmeerland, das früher als andere Staaten Europas von der
ersten Corona-Welle erfasst wurde, erließ von Anfang an strikte und
harte Gegenmaßnahmen. Angesichts der zweiten Welle sind viele Regeln
ebenfalls strenger als in Deutschland. Es gilt eine generelle
Maskenpflicht - drinnen und draußen. In den eigenen vier Wänden ist
das zwar nicht geboten. Doch die Regierung riet allen, bei Besuch
trotzdem den Mund-Nasen-Schutz aufzuziehen. Wer draußen ohne erwischt
wird, muss bis zu 1000 Euro Buße zahlen.

Um ein Zeichen zu setzen, hat Rom in dieser Woche zudem private
Partys strikt verboten. Nur Familientreffen wie Hochzeiten und
Beerdigungen sind erlaubt, müssen aber auf 30 Teilnehmer beschränkt
werden. Außerdem rät die Regierung von Giuseppe Conte den rund 60
Millionen Bürgern dringend, daheim auf gesellige Abendrunden mit mehr
als sechs eingeladenen Gästen zu verzichten. Beherbergungsverbote
dagegen existieren nicht. Auch das Reisen ist heute, anderes als
während des Lockdowns im Frühjahr, ungehindert möglich. Rom möchte

die notleidende Tourismusbranche nicht weiter schwächen. Außerdem
sagen Experten, dass ein Großteil der Ansteckungen aktuell unter
Verwandten und Freunden passiert.