Spahn ruft zur Grippeimpfung auf - «so viele Impfdosen wie nie zuvor»

Wegen der Corona-Krise hat die Regierung in diesem Jahr mehr
Grippeimpfstoff bestellt, um das Gesundheitssystem vor Überlastungen
zu schützen. In einigen Arztpraxen werden die Impfdosen aber trotzdem
knapp. Gesundheitsminister Spahn versichert: Es gebe keine Engpässe
und ruft zur Impfung auf.

Berlin (dpa) - Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hat
Befürchtungen vor Versorgungsengpässen beim Grippeimpfstoff
zurückgewiesen und besonders gefährdete Bevölkerungsgruppen dazu
aufgerufen, sich impfen zu lassen. Es könne momentan lokal und
zeitlich zu Lieferengpässen kommen, sagte er am Mittwoch in Berlin.
«Das heißt aber nicht, dass wir Versorgungsengpässe bei diesem
Grippeimpfstoff haben.» Ärztevertreter riefen die Politik unterdessen
dazu auf, für schnellen Nachschub zu sorgen.

Das Bundesgesundheitsministerium hat nach eigenen Angaben für diese
Saison 26 Millionen Dosen bestellt. «So viele Impfdosen standen noch
nie zuvor in Deutschland für die Grippeimpfung zur Verfügung», sagte

Spahn. Der Impfstoff werde aber nicht an einem Tag ausgeliefert,
sondern stehe nach und nach zur Verfügung. Es sei sinnvoll, sich auch
noch im November oder Dezember impfen zu lassen.

«Die Nachfrage ist in vielen Regionen, sicherlich auch aufgrund der
medienwirksamen Aufrufe aus der Politik, sehr früh in diesem Jahr
sehr hoch», sagte der Bundesvorsitzende des Deutschen
Hausärzteverbandes, Ulrich Weigeldt, am Mittwoch. Das gebe eigentlich
Anlass zur Freude. Allerdings seien in einigen Hausarztpraxen die
ersten Impfdosen bereits verimpft und die Mediziner suchten
händeringend Nachschub. «Es darf nicht sein, dass einerseits zum
Impfen aufgerufen wird, dann aber die Impfstoffe nicht nachkommen!»

Spahn zufolge sind in den vergangenen Jahren jeweils vier bis sechs
Millionen Impfdosen vernichtet worden, weil sie nicht eingesetzt
wurden. Er appellierte an diejenigen, sich impfen zu lassen, «für die
die Ständige Impfkommission eine Impfung empfiehlt». «Schützen Sie

sich, schützen Sie andere, schützen Sie unser Gesundheitssystem.» Je

weniger Menschen an Grippe erkrankten, desto mehr Kapazitäten stünden
für andere Patienten, vor allem für Covid-19-Erkrankte zur Verfügung.


«Wenn wir 26 Millionen Grippedosen verimpft haben sollten irgendwann
im Januar, Februar (...), wäre ich ein sehr glücklicher
Gesundheitsminister», sagte Spahn. Seiner Ansicht wäre dann zusammen
mit den AHA-Regeln - Abstand, Hygiene, Alltagsmaske - ziemlich
sicher, dass die Grippe für diese Saison «ein überschaubares Problem
»
bleibt. Der CDU-Politiker ließ sich am Mittwoch in der Berliner
Charité auch selbst gegen Grippe impfen.

Die Grippeimpfung wird in der Corona-Pandemie vor allem Risikogruppen
wie Senioren und chronisch Kranken empfohlen. Dabei geht es etwa
darum, Superinfektionen mit anderen gefährlichen Erregern zu
vermeiden, aber auch darum, die Zahl der Krankenhausaufenthalte wegen
Grippe möglichst gering zu halten. Empfohlen wird eine Grippeimpfung
außerdem für medizinisches Personal in Krankenhäusern, Pflege- und
Senioreneinrichtungen und im Gesundheitswesen, dazu für Schwangere
und Bewohner von Alters- oder Pflegeheimen.

«In den letzten Jahren hat sich nur jeder dritte Risikopatient, jeder
dritte Risikopatientin impfen lassen. Das sind viel zu wenige», sagte
die Vorstandsvorsitzende des Spitzenverbands der gesetzlichen
Krankenkassen, Doris Pfeiffer. Sie rief «die besonders gefährdeten
Versicherten» zur Impfung auf. Die Kassen übernehmen die Kosten für
diese Gruppe.

Der Präsident des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ),
Thomas Fischbach bezweifelte in der «Augsburger Allgemeinen», dass
die 26 Millionen bestellten Dosen ausreichen werden. Er sprach sich
zudem auch für Impfungen bei Kindern und Jugendlichen aus. «Denn wir
wissen, dass die Kinder das sogenannte Feuer der Influenza sind»,
sagte er. Sie erkrankten erst und steckten dann die anderen an.
«Anders als bei Corona übrigens.»

Politiker von FDP und Grüne übten Kritik am Grippeschutz-Management
von Spahn. «Der Minister hätte von Anfang an darauf hinweisen sollen,
dass sich am Anfang der Grippesaison zunächst Risikogruppen sowie
Akteure im Gesundheitsbereich impfen lassen sollen», sagte die
gesundheitspolitische Sprecherin der FDP-Fraktion im Bundestag,
Christine Aschenberg-Dugnus der «Welt» (Donnerstag). «Spahn fehlt
ganz offensichtlich eine erkennbare Impfstrategie», sagte Kordula
Schulz-Asche, Berichterstatterin für Infektionsschutz in der
Grünen-Bundestagsfraktion, der Zeitung. «Das schafft gerade kein
Vertrauen in der Bevölkerung.»