Merkel und Länder beraten über das richtige Maß an Einschränkungen

Erstmals seit Juni kommen die Ministerpräsidenten wieder nach Berlin
zum Gespräch mit der Kanzlerin. Sie wollen Grundsätzliches besprechen
- stehen aber auch wegen eines heftigen Streits im Vorfeld unter
Druck. Die Debatte dürfte also lang werden.

Berlin (dpa) - Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und die
Ministerpräsidenten der Länder wollen angesichts steigender
Corona-Infektionszahlen an diesem Mittwoch über das insgesamt
richtige Maß weiterer Beschränkungen beraten. Man müsse in solchen
Bereichen zu Einschränkungen kommen, in denen es absolut notwendig
sei, hieß es nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur am
Dienstag aus Kreisen von Teilnehmern des Treffens am Mittwoch. Es
werde wohl auch um die Frage gehen, welche Maßnahmen für die Breite
der Gesellschaft erforderlich, sinnvoll und tragbar seien.

Ziel soll es demnach auch sein, sehr genau Bereiche zu definieren,
denen man derzeit noch keine Hoffnung auf Öffnung machen könne. In
diesen Bereichen müsse der Staat dann gegebenenfalls in einer anderen
Dimension helfen, als dies bisher der Fall sei. Besonders betroffen
von der Corona-Pandemie waren unter anderem Veranstaltungsbetriebe
und Messeaussteller. Zudem soll Bundesgesundheitsminister Jens Spahn
(CDU) einen Lagebericht geben, so diese Teilnehmer.

Im Vorfeld des Treffens waren die Positionen im Streit um die
Beherbergungsverbote festgefahren. Regierungschefs wie Manuela
Schwesig (SPD) in Mecklenburg-Vorpommern und Markus Söder (CSU) in
Bayern verteidigten die Maßnahme mit Blick auf die steigenden
Infektionszahlen. Am Dienstagmorgen lag die Zahl der innerhalb eines
Tages neu mit dem Coronavirus infizierten Menschen laut Robert
Koch-Institut bei 4122. Seit Beginn der Corona-Krise haben sich nach
RKI-Angaben mindestens 329 453 Menschen in Deutschland nachweislich
mit dem Virus Sars-CoV-2 infiziert.

Die Kanzlerin und die Ministerpräsidenten kommen an diesem Mittwoch
erstmals seit Mitte Juni wieder in Berlin zusammen und tagen nicht in
einer Videokonferenz. Laut «Bild»-Zeitung begründete Kanzleramtschef

Helge Braun gegenüber den Staatskanzleichefs die Notwendigkeit
hierfür mit der dramatischen Infektionslage. Man müsse eine offene
Debatte führen, die «historische Dimensionen» haben könne, wurde er

unter Bezug auf Teilnehmer zitiert.

Bayerns Ministerpräsident Söder verlangte, strengere und einheitliche
Maßnahmen zu ergreifen. Die kommenden vier Wochen seien entscheidend
für Deutschland, sagte der CSU-Chef nach einer Kabinettssitzung in
München. «Wir müssen jetzt Corona ausbremsen, bevor wir eine echte
Notbremsung machen müssen.» So müsse etwa die Maskenpflicht erweitert

werden. «Wir wollen keinen zweiten Lockdown. Aber ein zweiter
Lockdown rückt näher, wenn es keinen Ruck gibt», warnte er. Baden-
Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) mahnte
ebenfalls eine einheitliche Linie der Länder im Kampf gegen die
Corona-Pandemie an.

Auch Unions-Fraktionschef Ralph Brinkhaus verlangte eine einheitliche
Linie der Länder. «Ich erwarte morgen ein klares Signal gegen die
Kleinstaaterei. Wir benötigen Klarheit für die Menschen in
Deutschland. Dies gilt insbesondere für innerdeutsche Reisen», sagte
der CDU-Politiker in Hamburg.

Der Tourismusbeauftragte der Bundesregierung, Thomas Bareiß,
forderte, das Beherbergungsverbot nochmals auf den Prüfstand zu
stellen. «Ein nochmaliger Lockdown der ganzen Hotelbranche muss
verhindert werden.» Der Chef des Landkreistages, Reinhard Sager,
sprach im Nachrichtenportal «t-online» von einem «im Alltag kaum zu
überblickenden Flickenteppich und großer Verunsicherung in der
Gesellschaft».

Schwesig sagte im ARD-«Morgenmagazin»: «Wir brauchen eine klare,
stringente Linie. Die kann in einer Zeit, wo die Zahlen immer mehr in
Deutschland steigen, nicht Lockerung sein.» Nötig seien vielmehr
strengere Regeln, «insbesondere in Risikogebieten».
NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) warnte hingegen in der
«Bild»-Zeitung vor einer sinkenden Akzeptanz der Corona-Maßnahmen bei

den Bürgern, «wenn einzelne Regeln wie das Beherbergungsverbot nicht
nachvollzogen werden können».

Die meisten Bundesländer hatten am vergangenen Mittwoch beschlossen,
dass Bürger aus Orten mit sehr hohen Corona-Infektionszahlen bei
Reisen innerhalb von Deutschland nur dann beherbergt werden dürfen,
wenn sie einen höchstens 48 Stunden alten negativen Corona-Test
vorlegen können. Greifen soll dies für Reisende aus Gebieten mit mehr
als 50 Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner binnen sieben Tagen.

Auf weitgehende Ablehnung stieß der Vorstoß, wegen der steigenden
Infektionszahlen die Winterferien um zwei bis drei Wochen zu
verlängern und jene im Sommer entsprechend zu kürzen. Ihn hatten die
Bundestagsabgeordneten Christoph Ploß (CDU) und Stephan Pilsinger
(CSU) in der «Bild»-Zeitung gemacht. Söder sagte dazu, es sei jetzt
nicht die Zeit, über Ferienverlängerungen zu reden und damit mit
«zusätzlichen Dingen» für Verunsicherung zu sorgen.