Schwesig verteidigt Corona-Kurs - Beherbergungsverbot soll bleiben

Am Beherbergungsverbot für Menschen aus Corona-Risikogebieten
scheiden sich die Geister. Während aus Wirtschaft, Politik und
Wissenschaft die Zweifel an der Wirksamkeit dieser Maßnahme lauter
werden, will MV-Regierungschefin Schwesig Lockerungen nicht zulassen.

Schwerin (dpa/mv) - Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin
Manuela Schwesig (SPD) hat sich besorgt über die bundesweite Zunahme
der Corona-Neuinfektionen gezeigt und ihren stringenten Kurs
verteidigt. «Wir haben die zweite Welle und das geht auch nicht
spurlos an Mecklenburg-Vorpommern vorbei», sagte Schwesig am Dienstag
nach der Kabinettssitzung in Schwerin. Mit 56 Fällen meldete das
Landesamt für Gesundheit und Soziales (Lagus) in Rostock die bislang
höchste Zahl an Corona-Neuinfektionen im Nordosten an einem Tag.

Mit der Zunahme der Risikogebiete mit mehr als 50 Neuinfektionen pro
100 000 Einwohner binnen sieben Tagen wachse auch das Risiko für die
Menschen im Nordosten, sagte Schwesig. Deshalb sei es nötig, die
Corona-Schutzmaßnahmen genau einzuhalten. Dabei bekräftigte sie auch
das Festhalten an den strengen Vorgaben für die Beherbergung von
Gästen aus Risikogebieten im Land. So müssen Touristen auch bei
Vorlage eines negativen Tests für wenigstens fünf Tage in Quarantäne,

ehe sie mit einem zweiten negativen Test die Isolation wieder beenden
dürfen. Diese Regelung bleibe bestehen solange es keine klaren
Beschränkungen für Reisen aus betroffenen Regionen gebe, so Schwesig.

Das Land sei mit strengen Regeln in der Corona-Zeit von Anfang an gut
gefahren. «Wir haben die niedrigsten Infektionszahlen, obwohl wir
drei Mal so viele Touristen beherbergt haben wie wir eigentlich
Menschen im Land sind», erklärte Schwesig. Dies solle im Interesse
der einheimischen Bevölkerung und der Gäste auch so bleiben. Damit
machte sie unmittelbar vor dem für Mittwoch geplanten Treffen der
Ministerpräsidenten mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) in Berlin
deutlich, dass sie einer Lockerung des Beherbergungsverbots nicht
zustimmen werde.

Sie schlug zur Eindämmung der Corona-Infektionen ein erweitertes
Ampelsystem vor, um frühzeitig auf lokale Entwicklungen reagieren zu
können. So sei bedenkenswert, dass schon bei 30 Neuinfektionen pro
100 000 Einwohner in sieben Tagen Gegenmaßnahmen in Kreisen oder
Städten eingeleitet werden und nicht erst bei 50.

Bundespolitiker, Mediziner, Vertreter der Tourismuswirtschaft und
auch Amtskollegen Schwesigs sprachen sich allerdings bereits gegen
die in der Mehrzahl der Bundesländer geltenden Beherbergungsverbote
aus. Der Präsident des Landes-Hotel- und Gaststättenverbandes, Lars
Schwarz, fordert ebenfalls eine Abkehr. «Es gibt keine Studie, die
belegen würde, dass sich bislang aus Reisen eine deutlich höhere
Infektionsgefahr ableiten ließe. Hier wird mit einer strengen
Reglementierung versucht, ein Problem zu lösen, das keines ist»,
sagte Schwarz. Im Land habe es über die gesamte Hauptsaison hinweg
keine Infektionsweitergabe aus dem Tourismus heraus gegeben. Die vom
Land verfügten Reisebeschränkungen stießen weder bei den Touristikern

noch bei weiten Teilen der Bevölkerung auf Akzeptanz.

Kritik kam auch von Linken, AfD und FDP im Land. So sprach sich die
Vorsitzende der Linksfraktion im Landtag, Simone Oldenburg, dafür
aus, dem Beispiel anderer Länder zu folgen und Touristen aus
Risikogebieten schon bei einem aktuellen negativen Corona-Test in der
Heimatregion die Einreise zu erlauben. Diese Regelung genüge, um den
Gesundheitsschutz der Bevölkerung zu gewährleisten und das
Gesundheitssystem vor Überlastung zu schützen, erklärte Oldenburg.

Der AfD-Fraktionsvorsitzende Nikolaus Kramer forderte mehr regionale
Kompetenz: «Wenn der Corona-Radar im gesamten Gesundheitssystem
piept, dann sollten wir lokal handeln. Zentralistische,
eindimensionale, in Stein gemeißelte Infektionszahlenschau ist nicht
mehr angebracht», sagte er. Viele Fachleute würden fordern, dass
nicht nur die Zahl der Neuinfektionen Basis für Entscheidungen ist,
sondern auch die Zahl schwerer Krankheitsverläufe und Todesfälle oder
die Intensivbettenbelegung berücksichtigt werden.

Die FDP mahnte die Überprüfung der Verhältnismäßigkeit eines
pauschalen Beherbergungsverbots an und warnte vor einer Überforderung
der Testkapazitäten.

Der nach Pannen bei der Neufassung der Landesquarantäneverordnung
Ende vergangener Woche in die Kritik geratene Gesundheitsminister
Harry Glawe (CDU) wies die Kritik zurück. Die Versäumnisse bei den
Besuchsregelungen für Mitglieder der Kernfamilie seien am Sonntag
nachgeholt worden. Damit gelte die Ausnahme von der Quarantänepflicht
nicht nur für eng begrenzte Berufsgruppen, sondern auch für Besuche
von Kindern, Enkeln oder Großeltern aus oder in Risikogebieten.

Kritik an ihrem Kurs beim Beherbergungsverbot musste Schwesig
unterdessen auch von einem ihrer SPD-Minister einstecken. «Die
Gefahren liegen nicht bei der Übernachtung in einer Ferienwohnung auf
dem Land und auch nicht in einem Hotel einer Stadt», erklärte
Finanzminister Reinhard Meyer in seiner Funktion als Präsident des
Deutschen Tourismusverbandes. «Reisen innerhalb Deutschlands
einschließlich Übernachtungen muss weiterhin erlaubt und möglich
sein», forderte er und sprach sich ebenfalls für einheitliche
Maßgaben aus. Meyer warnte vor einer Insolvenzwelle spätestens im
Frühjahr 2021, sollten Herbst- und Wintergeschäft ausfallen. Die
Branche habe allein im ersten Halbjahr bundesweit Umsatzeinbußen von
35 Milliarden Euro verzeichnet.