Spanische Regierung verhängt Corona-Notstand über Madrid

Im Streit um die richtigen Maßnahmen gegen Corona in Madrid greift
die spanische Zentralregierung hart durch. Sie verhängt den Notstand
und setzt so eine umstrittene Abriegelung der Hauptstadt durch. Die
Regionalregierung protestiert.

Madrid (dpa) - Angesichts hoher Corona-Zahlen hat Spaniens Regierung
am Freitag den Notstand über Madrid verhängt. Auf diese Weise soll
die Abriegelung der Hauptstadt auch gegen den Willen der
Regionalregierung durchgesetzt werden können. Gesundheitsminister
Salvador Illa begründete dies damit, dass die lokale Regierung
«nichts unternommen» habe. Man müsse «verhindern, dass das hohe
Infektionsniveau Madrids auf den Rest des Landes übergreift.» Illa
fügte hinzu: «Die Geduld hat Grenzen.» Der Notstand gilt für zwei
Wochen. Wenn er verlängert werden soll, muss das Parlament zustimmen.

Die linke Zentralregierung hatte bereits vor einer Woche die
Abriegelung der Hauptstadt und neun weiterer Kommunen der «Autonomen
Gemeinschaft Madrid» angeordnet. Die Entscheidung wurde jedoch am
Donnerstag von der Justiz aufgehoben worden, weil dies gegen
Grundrechte verstoße. Der Antrag dafür kam von der konservativen
Regionalpräsidentin Isabel Díaz Ayuso. Nach Verhängung des Notstands

kann die Zentralregierung die Bewegungsfreiheit der Hauptstädter nun
wieder einschränken.

Abgeriegelt werden aber jetzt nur noch neun Städte. Dort dürfen
Menschen erneut nur noch mit triftigem Grund ihre Heimatgemeinde
verlassen - etwa, um zur Arbeit oder zum Arzt zu fahren. Betroffen
sind etwa 4,5 der 6,6 Millionen Einwohner der «Comunidad Autónoma».
Besucher dürfen nur in Ausnahmefällen diese Städte betreten. Daneben

sind Versammlungen von mehr als sechs Menschen verboten, Bars und
Restaurants müssen um 23 Uhr schließen.

Die Kritik der Regionalregierung ließ nicht auf sich warten:
Innenminister Enrique López bezeichnete den Notstand als «Angriff auf
alle Madrilenen» sowie als «unnötige und unverhältnismäßige»

Maßnahme. Die rechtspopulistische Vox, die die konservative
Volkspartei (PP) unterstützt, rief für Montag zu Protesten auf. Die
Regierung richte die Bevölkerung «mit totalitären und absurden
Maßnahmen zugrunde», twitterte Vox-Chef Santiago Abascal.

Empört reagierten in Madrid auch Passanten. «Man weiß nicht mehr, was

Sache ist. Die Politiker machen uns alle verrückt», sagte eine ältere

Frau. Die Zeitung «La Vanguardia» sprach von «Chaos». Spanische
Medien bezeichnen Madrid als «Rebellen-Region». Ayuso wirft dem
sozialistischen Ministerpräsidenten Pedro Sánchez vor, einen
«politischen Krieg» zu führen.

Mit 850 000 Infektionen ist Spanien das von der Pandemie am
schwersten getroffene Land Westeuropas. Die Zahl der Neuinfektionen
pro 100 000 Einwohner binnen sieben Tagen lag zuletzt bei 115. In der
Region Madrid betrug dieser Wert sogar bei 230. Nur die Region
Navarra hat in Spanien eine höhere sogenannte 14-Tage-Inzidenz.