Städtetag: Bremsung von Corona-Welle entscheidet sich in Großstädten

Die Corona-Entwicklung gerade in den Großstädten besorgt die Politik
zunehmend. Kritische Werte sind überschritten worden. Der Präsident
des Städtetags wirbt für ein Stufenkonzept.

Berlin (dpa) - Städtetagspräsident Burkhard Jung hat die steigenden
Infektionszahlen als Alarmzeichen bezeichnet. «Ob es gelingt, die
zweite Corona-Welle zu bremsen, wird sich in den nächsten Wochen in
den großen Städten entscheiden», sagte der Leipziger
Oberbürgermeister der Deutschen Presse-Agentur. «Denn dort leben
viele Menschen auf dichtem Raum.» Ganz wichtig sei eine gute
Kommunikation. Jung äußerte sich zudem skeptisch zu Beschränkungen
bei innerdeutschen Reisen.

Der SPD-Politiker nimmt am Freitag an einer Videokonferenz von
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) mit den Verantwortlichen der elf
größten deutschen Städte teil.

«Die Städte tun alles, um die Pandemie unter Kontrolle zu halten»,
sagte Jung. Viele Städte handelten bereits nach einem Stufenkonzept.
«Sobald in einer Stadt die bundeseinheitlichen Stufen von 35 oder 50
Corona-Erkrankungen je 100 000 Einwohner überschritten werden,
greifen strenge Auflagen. Das können eine ausgeweitete Maskenpflicht
sein, Obergrenzen bei Veranstaltungen oder eingeschränkte
Besuchsregeln in Krankenhäusern oder Pflegeheimen.»

Zugleich differenzierten die Städte. «Welche Maßnahme konkret
ergriffen wird, hängt vom lokalen Infektionsgeschehen ab. Habe ich
viele Neuinfektionen in der Partyszene, sind Sperrstunden und
Alkoholverbote in der Nacht sinnvoll. Gibt es an einer Schule
Infektionen, müssen dort Gruppen oder Klassen in Quarantäne. Wo die
Infektionszahlen steigen, kontrollieren die kommunalen Ordnungsämter
auch verstärkt, dass die Corona-Regeln eingehalten werden.»

Jung sagte weiter: «Wir können den Menschen erklären, dass
unterschiedliche Infektionszahlen auch unterschiedliche Maßnahmen
nötig machen. Eine gute Kommunikation ist ganz wichtig, damit die
Menschen sich an die Auflagen halten. Es ist ein Unterschied, ob ich
in Leipzig und München lebe: Der Maßstab für das Handeln sind die
Infektionszahlen. Und das bleibt richtig.»

Damit die Infektionen nicht aus dem Ruder liefen, müssten die
Kontakte weiter nachverfolgt werden. «Und es muss kontrolliert
werden, dass die Regeln eingehalten werden. Die Gesundheitsämter und
die Ordnungsämter leisten dabei hervorragende Arbeit und setzen
zusätzliches Personal ein. Aber wenn die Neuinfektionen weiter rasant
steigen, erreichen die Gesundheitsämter ihre Grenzen.»

Dann helfe die Amtshilfe durch die Bundeswehr. «Das funktioniert
bisher gut. Die zeitliche Begrenzung der Amtshilfe auf zwei Wochen
ist allerdings hinderlich und sollte aufgehoben werden. Um
Infektionsherde einzudämmen, müssen auch die Testergebnisse
schnellstmöglich vorliegen. Deshalb brauchen wir noch mehr
Laborkapazitäten.»

Den Kampf gegen Corona könnten aber nicht allein die Verwaltungen
leisten. «Wir alle müssen dafür unseren Teil beitragen. Die
Hygieneregeln einzuhalten, bleibt das A und O. Ausgelassenes Feiern
ohne Abstand geht im Moment leider nicht. Das müssen wir schweren
Herzens noch eine Weile akzeptieren und auch entsprechend handeln.»

Der Präsident des Deutschen Städtetags sagte weiter: «Sehr skeptisch

bin ich, ob uns die Beherbergungsverbote weiter bringen, die mehrere
Länder jetzt erlassen. Da bin ich gespannt auf die Reaktionen meiner
Kollegen aus anderen großen Städten. Mein Eindruck ist: Innerhalb
Deutschlands einem Teil der Bevölkerung Reisen so zu beschränken,
wird den Infektionsschutz nicht verbessern.»

Dafür gebe es zu viele Begegnungen über kommunale und Ländergrenzen
hinweg: Berufspendler, Schulpendler, private Besuche, Fahrten mit Bus
und Bahn. «Die Gefahr durch Übernachtung in einem Hotel erscheint
vergleichsweise sehr gering. Vor allem bergen diese
Übernachtungsverbote eine Gefahr: die Spaltung der Gesellschaft
voranzutreiben. Was wir in dieser Krise aber vor allem brauchen ist
Zusammenhalt.»

Bei Urlaubsreisen innerhalb Deutschlands müssen sich Bürger aus Orten
mit sehr hohen Corona-Infektionszahlen im Herbst auf erhebliche
Schwierigkeiten gefasst machen. Die Länder hatten am Mittwoch
mehrheitlich beschlossen, dass solche Reisenden nur dann beherbergt
werden dürfen, wenn sie einen höchstens 48 Stunden alten negativen
Corona-Test haben.