Überstundenberge in den Gesundheitsämtern vor dem Corona-Winter

Die Bundeskanzlerin warnt vor einem starken Anstieg der
Corona-Infizierten bis Jahresende. Wie sollen die Gesundheitsämter
damit zurechtkommen? Viele Mitarbeiter schieben schon jetzt etliche
Überstunden vor sich her - mehr als 100 sind keine Seltenheit.

Schwerin (dpa/mv) - In den Gesundheitsämtern Mecklenburg-Vorpommerns
blicken viele Mitarbeiter mit Sorge auf die kommenden Wochen. Sie
haben bereits ein hartes halbes Pandemie-Jahr hinter sich. Die
Überstunden türmen sich, wie eine Umfrage der Deutschen
Presse-Agentur ergab. Zwischen 40 und 100 Überstunden je Mitarbeiter
sind es demnach im Gesundheitsamt des Landkreises Mecklenburgische
Seenplatte, in Vorpommern-Rügen bis zu 80 und im Landkreis Rostock
bis zu 150.

Viele Mitarbeiter im Landkreis Rostock nehmen derzeit keinen Urlaub,
sondern bauen im geplanten Urlaub Überstunden ab - bis zu 160 Stunden
am Stück, wie eine Sprecherin sagte. Das sind vier Wochen. «Das
bedeutet, dass bei zahlreichen Mitarbeitern noch der Großteil des
Jahresurlaubs zu nehmen ist, auch aufgrund der Urlaubssperre Anfang
des Jahres.»

In den Ämtern stellt man sich bange Fragen: Werden die
Corona-Infektionszahlen wirklich so stark steigen, wie von
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) befürchtet? Merkel hatte von bis
zu 19 000 Infektionen täglich in der Weihnachtszeit gesprochen, wenn
sich die Zahlen weiter so entwickeln wie zuletzt.

Die zusätzlichen Stellen in den Gesundheitsämtern, die der Bund über

den Pakt für den öffentlichen Gesundheitsdienst finanzieren will,
werden der Umfrage zufolge erst im neuen Jahr greifen. Die
Ausschreibungen beginnen aber bereits. Auf Mecklenburg-Vorpommern
entfallen aus dem Pakt 80 Millionen Euro. Je Gesundheitsamt können
damit drei bis vier Stellen ausgeschrieben werden. Ob sie alle
besetzt werden können, ist offen.

Schon jetzt sind nicht alle vorhandenen Stellen besetzt, wie die
Deutsche Presse-Agentur erfuhr. Besonders schwer ist es, Ärzte und
Hygieneinspektoren zu finden, hieß es aus den Ämtern. So waren
zuletzt im Gesundheitsamt des Landkreises Rostock 2,45 von 59,5
sogenannten Vollzeitäquivalenten vakant. Vollzeitäquivalente sind
volle Stellen, die jedoch auch von mehreren Menschen in Teilzeit
besetzt sein können. In Vorpommern-Rügen sind 50 von 54 Stellen im
Gesundheitsamt besetzt. «Grundsätzlich sind Besetzungen mangels
ausreichender Bewerber schwierig», berichtete Kreissprecher Olaf
Manzke. Im Landkreis Ludwigslust-Parchim weist der Stellenplan 50,075
Vollzeitäquivalente aus, von denen 49,15 tatsächlich besetzt sind,
wie ein Sprecher sagte. Schwierigkeiten gibt es nach seinen Worten
bei der Nachbesetzung von Stellen für Ärzte, Hygieneinspektoren und
Sozialarbeiter.

Neben der Nachverfolgung von Infektionsketten müssen die
Gesundheitsämter in der Corona-Krise auch Hygienekonzepte für
Veranstaltungen, wie Weihnachtsmärkte, prüfen und die Einhaltung von
Quarantäne-Anordnungen kontrollieren. Mit der Bearbeitung von
Veranstaltungen sind allein im Landkreis Ludwigslust-Parchim derzeit
drei Mitarbeiter befasst, unterstützt durch zwei Kollegen aus dem
Ordnungsamt. Zu den Aufgaben der Gesundheitsämter gehören auch
ärztliche und zahnärztliche Schuluntersuchungen. Diese sind
mancherorts dieses Jahr in den Hintergrund getreten.

«Mit der derzeitigen Besetzung sehe ich den zu erwartenden Fallzahlen
mit Bedenken entgegen», sagte die Leiterin des Gesundheitsamtes des
Landkreises Rostock, Kristin von der Oelsnitz. Immerhin sollen dort
nun sieben Vollzeitstellen hinzukommen. Im Landkreis Vorpommern-Rügen
sollen nach den Herbstferien alle regulären Aufgaben wieder
aufgenommen werden, zum Beispiel der zahnärztliche Dienst an den
Schulen. Da die coronabedingte Aufgabenfülle immer noch extrem hoch
sei, werde das Gesundheitsamt weiterhin auf Mithilfe durch
Beschäftigte anderer Ämter der Verwaltung angewiesen sein, sagte
Kreissprecher Manzke. Auch an der Seenplatte kann bei Bedarf auf
Mitarbeiter anderer Ämter zurückgegriffen werden, etwa zur
Verstärkung der Teams zur Ermittlung von Kontaktpersonen. Ein Problem
sei die Dauerbelastung der Mitarbeiter im Gesundheitsamt, sagte eine
Sprecherin. «Ein Zeichen ist der beginnende erhöhte Krankenstand.»