Steinmeier: Nach Ärger wegen Corona Beziehungen zu Italien vertiefen Von Ruppert Mayr, dpa

Felice Perani kann seine Tränen kaum unterdrücken. «Deutschland hat
mein Leben gerettet», sagt er. Perani war der erste Corona-Patient,
der im März von Bergamo nach Leipzig gebracht wurde - und überlebte.

Mailand (dpa) - Deutschland und Italien wollen nach den Misstönen zu
Beginn der Corona-Krise ihre Beziehungen und Freundschaft wieder
vertiefen und ausbauen. Dies machten Bundespräsident Frank-Walter
Steinmeier und sein italienischer Amtskollege Sergio Mattarella am
Donnerstag in Mailand deutlich. Steinmeier sagte, sein erster Besuch
im Ausland nach der Corona-Krise führe ihn nicht von ungefähr nach
Italien und hier nach Mailand.

Er wolle mit seinem Besuch gerade in Norditalien, das besonders von
der Corona-Pandemie betroffen war, ein «dreifaches Zeichen» setzen.
Es gehe um Anteilnahme für die hier gestorbenen Menschen und deren
Angehörigen, es gehe um Solidarität - Deutschland und Italien müssten

nicht nur in der Krise zusammenstehen - und es gehe um ein Zeichen
des Aufbruchs, um gemeinsam aus der Krise zu finden. Im Mailänder Dom
habe er der Corona-Toten gedacht.

Deutschland könne gar nicht «hoch genug einschätzen», wie hier in
Italien die «Luftbrücke», mit der schwer erkrankte Patienten nach
Deutschland gebracht wurden, «als Zeichen der Solidarität» gesehen
werde. Als Steinmeier über den Platz vor dem Dom ging, bekam er
spontan Applaus von Passanten. Allein in der Lombardei sind bis heute
fast 17 000 Menschen im Zusammenhang mit dem Coronavirus gestorben.

Steinmeier und der italienische Präsident Mattarella kamen in Mailand
mit Ärzten, Pflegekräften und Patienten zusammen, um über deren
Erlebnisse und Erkenntnisse aus der Krise zu reden. Auch Felice
Perani (57) war dabei. Er war den Angaben zufolge der erste
italienische Corona-Patient, der am 24. März - todkrank - aus dem
besonders hart getroffenen Bergamo in die Leipziger Uniklinik nach
Deutschland gebracht worden war.

Er sei im Koma nach Deutschland transportiert worden und habe mit dem
Tode gerungen, erzählt Perani. Und er sei behandelt worden wie ein
Sohn, wie ein Bruder. Er habe mit Deutschland quasi eine Art
Ersatzmutter dazu bekommen. «Dass ich heute noch lebe, verdanke ich
Deutschland», erzählt der 57-Jährige, bis ihm die Stimme versagt.

Nach Sachsen kamen insgesamt zwölf Patienten, sagt der Arzt Sven
Bercker von der Uniklinik Leipzig, etwa die Hälfte konnte nach seinen
Worten gerettet werden. Die Patienten seien während des Transportes
beatmet worden. Behandelt werden mussten neben der Viruserkrankung
selbst unter anderem Organschäden etwa an Lunge oder Niere. Zudem sei
in solchen Fällen eine Kreislauftherapie nötig.

Christian Salaroli, Arzt in Bergamo, machte deutlich, dass nicht
jeder Corona-Patient auch in der Lage gewesen sei, den dreistündigen
Transport auf sich zu nehmen. Salaroli war von italienischer Seite
für Vorbereitungen und Abklärungen von Krankentransporten zuständig
gewesen. Es sei eine sehr dramatische Situation gewesen. Bercker wie
Salaroli sind sich einig, dass sie auch nach der Krise weiter in
Kontakt und Austausch belieben wollen. Doch eine solche Krise sei
keine Blaupause für den Alltag.

Steinmeier verwies darauf, dass in der Krise über
Städtepartnerschaften viel Hilfe geleistet worden sei. Sie habe von
der Geldspende bis zur Anbahnung von Krankentransporten gereicht. Er
rief dazu auf, diese deutsch-italienischen Partnerschaften auf
kommunaler Ebene wieder zu intensivieren.

Deutschland und Italien seien zwar durch mehr als 400 kommunale
Partnerschaften miteinander verbunden. Allerdings befänden sich diese
in einem ganz unterschiedlichen Status: Die einen stünden nur noch
auf dem Papier, die anderen würden aktiv gelebt. Die Partnerschaften
seien auch deswegen wichtig, weil in einer Krise immer wieder
Missverständnisse zwischen beiden Seiten hochkommen könnten.

Steinmeier und Mattarella kündigten einen Preis für die kommunale
Zusammenarbeit zwischen deutschen und italienischen Gemeinden an. Der
Preis ist mit insgesamt 200 000 Euro dotiert. Er wird den Angaben
zufolge 2021 in den Kategorien Innovation, Kultur, Jugend und
sozialer Zusammenhalt verliehen. Der Oberbürgermeister von Münster,
Markus Lewe, sagte in dem Gespräch mit den beiden Präsidenten, ein
wichtiges Thema in der Zukunft sei der Klimawandel. Auch da könne auf
kommunaler Ebene viel unternommen werden.

Zu Beginn der Corona-Krise hatte es Verstimmungen gegeben, weil
Deutschland - wie andere EU-Länder - bei der Versorgung Erkrankter
zunächst an sich selbst dachte und weniger an Partnerstaaten. Die
Verstimmung legte sich, nachdem Patienten aus überlasteten
italienischen Krankenhäusern in deutschen Kliniken behandelt wurden.

Zudem setzte Kanzlerin Angela Merkel (CDU) zusammen mit Frankreichs
Präsident Emmanuel Macron in der EU ein 750 Milliarden Euro schweres
Wiederaufbauprogramm durch. Es sieht nicht nur Kredite vor, sondern
auch Zuschüsse gerade für die von dem Coronavirus betroffenen
Regionen.

Steinmeier sagte, es sei viel Mut nötig gewesen, um dieses Paket zu
schnüren. Das zeige, dass sich in Europa etwas bewegt habe. Er
wünschte sich ebenso viel Mut bei anderen Krisen der EU, etwa in der
Migrations- und Flüchtlingspolitik. Der Tageszeitung «La Repubblica»

(Donnerstag) sagte er: «Letztendlich braucht Europa Einigkeit über
zwei Dinge: effektiven Schutz der Außengrenzen, aber auch eine
Verständigung über die Aufnahme und Verteilung der Geflüchteten.»