Was passiert bei einer zweiten Welle?

Die Landesregierung übt sich als Wellenbrecher - und legt ein Konzept
vor für einen erneuten unkontrollierten Ausbruch der Corona-Pandemie.
Oberstes Ziel dabei: den Lockdown unter allen Umständen vermeiden.

Stuttgart (dpa/lsw) - Mit einem dreistufigen Alarm-System will die
grün-schwarze Landesregierung eine zweite Corona-Infektionswelle und
einen landesweiten Lockdown verhindern. Ministerpräsident Winfried
Kretschmann (Grüne) rief die Bürger bei der Vorstellung des Konzepts
am Dienstag weiter zu Umsicht und Vernunft auf.

Entscheidend für die Einstufung ist die sogenannte
Sieben-Tage-Inzidenz. Sie zeigt die Zahl der Neuinfektionen innerhalb
einer Woche pro 100 000 Einwohner. Sie wurde von Bund und Ländern mit
Blick auf Kreise und kreisfreie Städte als maßgeblich für neue
Einschränkungen in der Corona-Pandemie festgelegt. Es gebe aber
keinen Automatismus, sagte Kretschmann. Auch andere Faktoren spielten
bei der Bewertung eine Rolle, etwa die Infektionszahlen, die Zahl der
Tests oder der Reproduktionswert (R-Wert), der angibt, wie viele
Menschen ein Erkrankter im Schnitt mit dem Virus ansteckt.

In jeder Stufe des Konzepts werden schärfere Maßnahmen zur Eindämmung

der Pandemie getroffen:

STABILE PHASE - Derzeit befindet sich das Land in einer stabilen
Phase mit moderaten Infektionszahlen. Das Ausbruchsgeschehen ist
lokal klar abgrenzbar und die Infektionsketten können nachverfolgt
werden. Das öffentliche und private Leben soll daher so wenig
eingeschränkt werden wie möglich. Die aktuellen Hygiene- und
Abstandsregeln gelten unverändert. Falls es vorübergehend in
einzelnen Landkreisen zu einer Überschreitung der
Sieben-Tage-Inzidenz von 35 Fällen pro 100 000 Einwohner kommt, hat
das regionale Maßnahmen zur Folge.

ANSTIEGSPHASE - Die Pandemiestufe 2 gilt, wenn die landesweite
Sieben-Tage-Inzidenz von 10 Fällen je 100 000 Einwohner überschritten
wird und zusätzlich das Infektionsgeschehen diffus ansteigt oder sich
die landesweiten wöchentlichen Fallzahlen innerhalb von zwei Wochen
verdoppeln. Dann sind erste Einschränkungen in ausgewählten
Lebensbereichen vorgesehen. Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung werden
strenger kontrolliert. Corona-Ambulanzen und Teststellen werden nach
Bedarf hochgefahren und aufgebaut.

KRITISCHE PHASE - Pandemiestufe 3 gilt ab einer landesweiten
Sieben-Tage-Inzidenz von 35 Fällen auf 100 000 Einwohner. Es besteht
dann ein starker, möglicherweise exponentieller Anstieg der
Fallzahlen mit diffusen, häufig nicht mehr nachvollziehbaren
Infektionsketten. Das Konzept sieht dann eine Ausweitung der
Maskenpflicht an Schulen etwa auf den Unterricht vor. Im Einzelhandel
soll die Anzahl der Personen pro Verkaufsstelle eingeschränkt werden.
In der Gastronomie könnten dann der Ausschank von Alkohol
eingeschränkt und der Betrieb auf Außenbereiche beschränkt werden.
Veranstaltungen und Kontaktmöglichkeiten werden eingeschränkt,
Hygienemaßnahmen sowie Sanktionen bei Verstöße ausgeweitet. Die
Regelversorgung in Krankenhäusern wird auf das Nötigste beschränkt.

Kretschmann appellierte an die Bürger und verwies auf dramatische
Entwicklungen in Nachbarländern. Der Anstieg der Neuinfektionen sei
zwar vor allem auf Reiserückkehrer zurückzuführen, die Zahl wachse
nicht exponentiell. Aber: «Wir können uns nicht leisten, sorglos zu
werden», sagte er. Die Infektionsgefahr werde im Herbst und Winter
noch einmal deutlich zunehmen, da sich die Menschen wieder vermehrt
im Inneren aufhalten, warnte auch Gesundheitsminister Manne Lucha
(Grüne).