Zukunftsforscher: Corona bewirkt Renaissance der Ehe

Der Hamburger Forscher Horst W. Opaschowski glaubt, dass die Pandemie
beim Thema Ehe und Familie ein Umdenken forciert. Dieser Wertewandel
stehe nicht im Widerspruch zu dem von anderen Experten erwarteten
Trennungstrend in der Corona-Krise, sagt der Zukunftsforscher.

Hamburg (dpa) - Die Corona-Krise bewirkt nach Ansicht des
Zukunftsforschers Horst W. Opaschowski eine Rückbesinnung auf Ehe und
Familie. «Von einem Niedergang der Familie als Lebensform kann in
Corona-Zeiten keine Rede mehr sein», sagte Opaschowski (79) der
Deutschen Presse-Agentur. Es deute sich eine Trendwende an. In
repräsentativen Umfragen sei der Anteil der Befragten, die sich nach
der «Ehe mit Trauschein und Kindern» sehnten, seit 2013 Jahr für Jahr

gesunken, und zwar von 75 auf 63 Prozent Anfang 2019. Im März 2020
seien es wider Erwarten 64 Prozent gewesen.

In Deutschland leben nach Angaben von Opaschowski 18 Millionen
Menschen in Ein-Personen-Haushalten, gewollt oder ungewollt. 1991
seien es erst zwölf Millionen gewesen. In Krisenzeiten fühlten sich
Singles in ihren eigenen vier Wänden alleingelassen. Das sogenannte
Social Distancing (räumliche Abstandhalten) in der Öffentlichkeit
verstärke dieses Gefühl. Familienleben biete dagegen nicht nur
Beziehungsreichtum, sondern auch gegenseitige Hilfe.

Im Krisenjahr 2020 favorisiere die Mehrheit der Deutschen die Ehe als
standesamtlich beglaubigte Lebensgemeinschaft. 69 Prozent der
befragten Frauen und 65 Prozent der Männer hätten sich entsprechend
geäußert. Unter den Westdeutschen seien mit 68 Prozent mehr
Ehebefürworter als unter den Ostdeutschen mit 61 Prozent. Die
stärkste Zustimmung finde der Bund fürs Leben in der Generation der
40- bis 64-Jährigen mit 72 Prozent.

Der Trauschein werde nicht mehr als Zwangsjacke empfunden,
schlussfolgert Opaschowski. Es finde ein Umdenken statt.

Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes wurden im vergangenen Jahr
gut 416 000 Ehen in Deutschland geschlossen. Das waren deutlich
weniger als 2018, als mit rund 449 000 der höchste Wert seit 1999
erreicht wurde. Zu der hohen Zahl trug auch die Öffnung der Ehe für
gleichgeschlechtliche Paare im Oktober 2017 bei.

Doch 2019 ging sowohl die Zahl der Eheschließungen zwischen Mann und
Frau zurück als auch die der gleichgeschlechtlichen Paare, wie das
Bundesamt im Juli berichtete.

Erstmals seit Jahren ließen sich auch wieder etwas mehr Bundesbürger
scheiden. Rund 149 000 Ehen endeten im vergangenen Jahr durch einen
richterlichen Beschluss, knapp 1000 mehr als 2018.

Die Statistik macht noch keine Aussage über mögliche Auswirkungen der
Corona-Einschränkungen in diesem Jahr. Experten erwarten jedoch eine
regelrechte Welle an Trennungen. «Während der Hochphase von Corona
gab es durch die Zwangsnähe eine radikale Belastung für Beziehungen»,

erklärte kürzlich der Berliner Psychotherapeut Wolfgang Krüger.
Opaschowski sieht darin keinen Widerspruch zu dem von ihm
festgestellten Wertewandel: «Getrennte sehnen sich nach einer neuen
Beziehung.»