Schweinepest erreicht Deutschland - Krisenmaßnahmen laufen an

Der Ernstfall ist da: Die schon länger in Osteuropa kursierende
Afrikanische Schweinepest ist in Brandenburg angekommen. Die Behörden
wollen das Geschehen schnell eindämmen, Bauern machen sich Sorgen.

Berlin/Potsdam (dpa) - Die Afrikanische Schweinepest (ASP) hat
Deutschland erreicht. Die für Menschen ungefährliche Tierseuche wurde
erstmals bei einem toten Wildschwein in Brandenburg nahe der Grenze
zu Polen nachgewiesen, wie Bundesagrarministerin Julia Klöckner (CDU)
am Donnerstag in Berlin mitteilte. Vor Ort gelte es jetzt zu klären,
ob es über den Kadaver hinaus eine Verbreitung in dem Gebiet gebe.
Ziel sei, das Geschehen einzugrenzen. Deutschen Landwirten drohen nun
Exportstopps für Schweinefleisch nach außerhalb der EU etwa nach
Asien. Klöckner warnte aber vor Panikmache bei den wirtschaftlichen
Folgen: «Es ist ein Wildschwein gefunden worden in einem Landkreis.»

Krisenmaßnahmen laufen nun in zwei brandenburgischen Landkreisen an,
wie Landesverbraucherministerin Ursula Nonnemacher (Grüne) in Potsdam
sagte. Gefunden wurde das tote Wildschwein sieben Kilometer von der
deutsch-polnischen Grenze entfernt in der Gemeinde Schenkendöbern im
Landkreis Spree-Neiße direkt an der Grenze zum Landkreis Oder-Spree.
Im Umkreis von mindestens 15 Kilometern um den Fundort soll jetzt ein
vorläufiges Gefahrengebiet eingerichtet werden, das beide Landkreise
umfasst und nach Polen hineinreicht. Rund 20 Schweinehalter gibt es
laut Ministerium in der Zone, einer mit 5000 Schweinen ist sieben
Kilometer vom Fundort entfernt. Für Schweineställe schon bestehende
höhere Hygienevorkehrungen sollten nun auch erneut überprüft werden.


«Wir müssen jetzt alles versuchen, um eine weitere Ausbreitung des
Seuchengeschehens zu verhindern», sagte Nonnemacher. In dem Gebiet
sind daher Beschränkungen vorgesehen. Angeordnet werden soll ein
striktes Jagdverbot, um Wildschweine nicht aufzuschrecken. Möglich
sind auch Nutzungsbeschränkungen, etwa Ernteverbote für Maisfelder.
Veranstaltungen mit Schweinen wie Hoffeste oder Agrarschauen werden
untersagt. Später solle auch eine Kernzone eingerichtet werden.
Landestierarzt Stephan Nickisch sagte, sie solle einen Radius von
mindestens drei Kilometern um den Fundort haben. Die Zone soll dann
auch eingezäunt werden, das Betreten soll verboten werden.

Das bundeseigene Friedrich-Loeffler-Institut hatte den ASP-Verdacht
als nationales Referenzlabor bestätigt. Nach Angaben von Präsident
Thomas Mettenleiter wurden drei Proben überprüft, die eindeutig
positiv waren. Zuvor hatte das Landeslabor in ersten Untersuchungen
den Verdacht festgestellt. Der Kadaver sei sehr stark verwest und
habe sicherlich schon einige Zeit am Fundort gelegen, erläuterte
Mettenleiter. Die Stelle wurde desinfiziert. Der Experte äußerte sich
vorerst zurückhaltend dazu, ob der Fall möglicherweise auf die
Ausbreitung der ASP in Westpolen im vergangenen Jahr zurückgehe.

Ein Übertreten der Tierseuche nach Deutschland war seit längerem
befürchtet worden. Im März war in Polen ein daran gestorbenes
Wildschwein nur etwas mehr als zehn Kilometer vor der Grenze zu
Deutschland entdeckt worden. Als Ursache für die Verbreitung in
Europa vor allem über längere Entfernungen wird achtloses Wegwerfen
von Speiseabfällen vermutet, die den Erreger enthalten. Das
Bundesagrarministerium ruft deshalb bereit seit Jahren unter anderem
Autofahrer aus Osteuropa zur Vorsicht auf.

Die Landwirtschaft muss sich auf wirtschaftliche Folgen einstellen.
Klöckner betonte, dass der Handel mit Schweinen und Schweinefleisch
innerhalb der EU weitgehend aufrechterhalten werden könne - von
Einschränkungen betroffen wären nicht Betriebe in ganz Deutschland,
sondern nur aus dem konkreten Gebiet. Brandenburgs Ministerpräsident
Dietmar Woidke (SPD) sicherte möglicherweise betroffenen Landwirten
Hilfe zu. «Eines ist ganz klar: dass neben der Seuchenbekämpfung auch
die Stabilisieurng dieser Betriebe erfolgen muss.»

Allerdings ist nach Angaben des Bundesministeriums davon auszugehen,
dass Schweinefleischexporte aus Deutschland besonders nach Asien mit
wichtigen Märkte wie China weitgehend wegfallen dürften. Man sei aber
in Kontakt mit mehreren Nicht-EU-Staaten, um ebenfalls nur regional
für Deutschland geltende Beschränkungen zu vereinbaren. Klöckner
sagte, sicherlich dürften nun Schweinehalter auch anderswo noch
stärker in «Habacht-Stellung» sein, sagte Klöckner. Sie würden ab
er
jetzt nicht bundesweit für einen Fund in einem Landkreis «verhaftet».


Bauernpräsident Joachim Rukwied sagte: «Schweinefleisch kann weiter
bedenkenlos verzehrt werden. Dennoch machen wir uns große Sorgen.»
Schweinehalter hätten umfangreiche Sicherheitsmaßnahmen ergriffen.
Die Vorsorge müsse aber verstärkt werden. Um die ASP einzudämmen,
brauche es eine wildschweinfreie Zone an der polnischen Grenze.

Klöckner betonte: «Die Afrikanische Schweinepest ist für den Menschen

ungefährlich.» Einen Impfstoff gibt es nicht. Brandenburg hatte einen
120 Kilometer langen Elektrozaun an der Grenze errichtet. Er soll
Wildschweine aufhalten. Ein fester Schutzzaun im Kreis Spree-Neiße
ist geplant. Auch am sächsischen Grenzverlauf wurde ein Zaun gebaut.
Wie Klöckner sagte, kam der von Deutschland angeregte Bau eines
gemeinsamen Schutzzauns mit Polen nicht zustande.

Die Grünen warnten angesichts des ersten ASP-Falles vor einem höherem
Seuchenrisiko in Regionen mit intensiver Schweinehaltung. Klöckner
müsse Antworten geben, wie eine Dezentralisierung und Entzerrung der
Schweinehaltung und der Schlachtung erreicht werden könne. Die
Umweltorganisation Greenpeace sieht in dem drohenden wirtschaftlichen
Schaden eine Folge falscher Politik - vor allem des massiven Ausbaus
der Intensivtierhaltung, um Billigfleisch für Exporte zu produzieren.