Absichtlicher Unfall mit Lkw - Angeklagter will endlich reden Von Sabine Maurer, dpa

War es ein Anschlag oder die Tat eines Verwirrten? Noch immer ist
unklar, warum ein Mann in Limburg einen Lastwagen kaperte und damit
mutmaßlich absichtlich einen Unfall baute. Doch schon bald könnte
Licht ins Dunkel kommen.

Limburg (dpa) - Auf der sonst so vielbefahrenen Straße am Limburger
Gerichtsgebäude stehen etliche Autos quer, Trümmerteile liegen auf
der Fahrbahn. Mittendrin: ein Sattelzug mit zerbeulter Front. So sah
es dort am Abend des 7. Oktober 2019 aus, nachdem ein heute
33-Jähriger den Lastwagen gekapert und damit wohl ungebremst in Autos
gefahren sein soll, die vor einer roten Ampel warteten. 18 Menschen
wurden verletzt. Es wurde gerätselt, ob es sich vielleicht sogar um
einen terroristischen Anschlag handeln könnte.

Doch auch knapp ein Jahr später ist das Motiv des Syrers zu Beginn
des Prozesses in Limburg noch immer unklar. Der Mann ist unter
anderem wegen versuchten Mordes und gefährlicher Körperverletzung
angeklagt - und will sich bald äußern. 

Doch am Mittwoch ist es noch nicht so weit. Der psychiatrische
Sachverständige ist terminbedingt nicht da, braucht für seine
Expertise jedoch die Angaben des Angeklagten. Das Gutachten ist
wichtig: Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass der 33-Jährige
zur Tatzeit wegen des Konsums von Marihuana vermindert schuldfähig
gewesen sei. Im Raum steht die Unterbringung des Mannes in einer
Entziehungsanstalt. Und so wird die Aussage des Angeklagten auf den
nächsten Verhandlungstag am 25. September verschoben, dann soll auch
der Psychiater da sein.

Das Landgericht Limburg hört daher zunächst einige der vielen Zeuge
n
der Tat an. Darunter ist ein Rentner, der beim Vorbeifahren gesehen
hatte, wie der Angeklagte in der Nähe des Gerichts etwa um 17.20 Uhr
den Lastwagen kaperte. «Es war ein Handgemenge bei offener Fahrertür.
Ich dachte, da streiten sich zwei Lastwagenfahrer», erzählt er. Kurz

darauf sei der Lkw losgefahren und habe seinen Wagen gerammt, er sei
einige Meter weit geschleudert worden.

Der Fahrer eines Kleinlasters hatte zunächst noch flüchten können.
«Er kam sehr schnell auf mich zugefahren», erinnert er sich an seinen
damaligen Blick in den Rückspiegel. Er gab Gas und fuhr um die Kurve
- musste jedoch an der Ampelkreuzung der Hauptverkehrsstraße wegen
der stehenden Autos anhalten. Der Lkw rammte ihn, er und sein
Beifahrer erlitten Prellungen. Insgesamt wurden bei der Tat 13
Fahrzeuge beschädigt. 

Darunter auch das Auto von fünf angehenden Bundespolizisten, die das
Unglück nicht hatten kommen sehen. Sie waren nach Dienstschluss auf
dem Weg zum Fitnessstudio und saßen plaudernd im Wagen. «Plötzlich

gab es einen Schlag», sagte einer von ihnen vor Gericht. Zwei Autos
wurden gegen ihren Wagen geschoben, dann schrammte der Lkw
ihre komplette Beifahrerseite entlang. 

Geschockt und leicht verletzt stiegen sie aus. Einer glaubte an einen
Unfall, ein anderer vermutete einen Terroranschlag. Der eigentliche
Fahrer des gekaperten Lkw kam angelaufen und schrie, er sei aus
seinem Fahrzeug gezogen worden. Der verwirrt und erschüttert wirkende
Angeklagte lief auf der Straße herum, rief immer wieder «Allah»,
rüttelte an der Tür eines stehenden Wagens auf der gegenüberliegenden

Fahrspur und erhielt anscheinend von dem Fahrer einen Faustschlag ins
Gesicht. Eine Kollegin der fünf Bundespolizei-Azubis joggte zufällig
vorbei, glaubte an einen Unfall und wollte daher dem nun Angeklagten
helfen. Er soll sie daraufhin angegriffen haben. 

«Und dann tauchte wie aus dem Nichts eine andere Frau auf der Straße
auf, sprach mit ihm. Er kniete nieder und hielt sich an ihrer
Kleidung fest», beschreibt einer der Zeugen das surreal wirkende
Geschehen. «Es sah aus, als wolle er ihr die Füße
küssen.» Schließlich habe er gebetet. Seine Augen seien glasig
gewesen, anscheinend habe er sich in einem Schockzustand befunden.

Er wurde kurz darauf in einem Rettungswagen versorgt
und festgenommen. Seitdem sitzt der Mann, der im Jahr 2015 als
Flüchtling nach Deutschland gekommen war, in Untersuchungshaft.
Sein Motiv - unklar, er schweigt bislang. Vor der Tat war er
mit Drogendelikten und Gewaltkriminalität aufgefallen.