WHO hält Entwicklung bei Corona in Tschechien für «besorgniserregend »

Die Tschechen waren erst Corona-Musterschüler, doch nun bekommen auch
sie die Zahl der Neuinfektionen nicht in den Griff. Das Prager
WHO-Büro übt Kritik. Ministerpräsident Andrej Babis reagiert gereizt.


Prag (dpa) - Die jüngste Entwicklung bei den Corona-Infektionen in
Tschechien ist nach Ansicht der Weltgesundheitsorganisation (WHO)
«besorgniserregend». Das teilte die WHO-Vertretung in Prag am
Dienstag bei Facebook mit. «Es gibt keine Alternative zum Testen,
Nachverfolgen und Isolieren, um Covid-19 zu beherrschen - weder hier
noch andernorts», betonten die Experten.

Die UN-Gesundheitsorganisation widersprach damit dem tschechischen
Ministerpräsidenten Andrej Babis. Dieser hatte erklärt, dass
möglicherweise nur noch bei ernsten Erkrankungsfällen die
Infektionsketten zurückverfolgt werden sollen. Eine Entscheidung
darüber könne bereits Ende der Woche fallen.

Auf die jetzige Kritik der internationalen Experten reagierte Babis
gereizt. «Das ist die WHO, die anfangs weder einen Mundschutz
empfohlen noch gewusst hat, dass eine Pandemie im Gang ist - nach
meiner Ansicht sollte sie schweigen», schrieb der Multimilliardär
beim Kurznachrichtendienst Twitter.

Die Behörden klagen über mangelndes Personal. Man habe bisher
versucht, jeden Kontakt nachzuverfolgen, auch bei symptomlosen
Personen, sagte die Leiterin des Prager Gesundheitsamts, Zdenka
Jagrova, der Zeitung «Pravo». Die Nachbarstaaten täten dies nicht
immer. «Die Daten sind damit nicht vergleichbar, was dem Ruf
Tschechiens schadet», meinte die Behördenleiterin.

Tatsächlich hat die Zahl der täglichen Neuinfektionen in dem nur
knapp elf Millionen Einwohner zählenden Land in den letzten zwei
Wochen neue Rekordwerte erreicht. Am Montag kamen 563 weitere Fälle
hinzu, womit die Gesamtzahl der aktiven Infektionen auf 8424 stieg,
wie das tschechische Gesundheitsministerium am Dienstag bekanntgab.
214 Patienten waren demnach im Krankenhaus. 437 Menschen starben
bisher.

Seit 1. September gilt in Tschechien wieder landesweit eine
Maskenpflicht in öffentlichen Verkehrsmitteln; ab Mittwoch zudem in
Prag in Geschäften und Einkaufszentren. Besonders betroffen von der
Pandemie ist weiter die Hauptstadt. Angesichts der steigenden
Infektionszahlen wächst daher im Nachbarland die Sorge, dass die
Bundesregierung Prag als Risikogebiet ausweisen könnte. Der deutsche
Botschafter in Tschechien, Christoph Israng, warnte bereits vor
mehreren Tagen bei Twitter: «Wir alle müssen umsichtig sein, um
Schäden für Gesellschaft und Wirtschaft zu verhindern.»