Umfrage: Schwung für Videosprechstunden in Corona-Krise

Mit einem Arzt zu sprechen, kann auch digital funktionieren - das ist
vielen Patienten in Zeiten der Pandemie gerade deutlicher geworden.
Die IT-Branche dringt darauf, das Rad jetzt nicht zurückzudrehen.

Berlin (dpa) - Bildschirm statt Besuch in der Praxis: Angesichts der
Corona-Krise haben Videosprechstunden laut einer Umfrage mehr Schwung
bekommen. Darüber in Kontakt zu einem Arzt zu treten, können sich
jetzt 45 Prozent der Bundesbürger vorstellen, wie eine am Donnerstag
vorgelegte Befragung des Digitalverbands Bitkom ergab. Im Mai waren
es 39 Prozent, im Mai vergangenen Jahres 30 Prozent. Tatsächlich
schon eine Videosprechstunde genutzt haben demnach nun 13 Prozent,
nachdem es im Mai 8 Prozent und vor einem Jahr 5 Prozent waren. Auch
andere Digitalangebote wie Gesundheits-Apps sollen vorankommen.

Die Corona-Krise habe einen unerwarteten und ungewollten Schub für
die Digitalisierung des Gesundheitswesens gebracht, sagte
Bitkom-Hauptgeschäftsführer Bernhard Rohleder. Dies gelte es nun
weiterzutragen. So sollten bei Videosprechstunden bürokratische
Vorgaben für Ärzte auch nach der Pandemie wegfallen - ebenso wie
Begrenzungen bei Abrechnungsmöglichkeiten mit den Krankenkassen.

Laut Umfrage nahmen Patienten Videosprechstunden nun zu 97 Prozent
bei einem schon bekannten Arzt wahr - der Rest wandte sich über
Online-Plattformen an unbekannte Mediziner. Für die Auswertung wurden
den Angaben zufolge zwei Umfragen gemacht - eine von April bis Mai
2020 mit 1193 Befragten in der Hochphase der Corona-Beschränkungen
und eine weitere Anfang Juli mit 1005 Befragten jeweils ab 16 Jahren.

Offen sind viele Bundesbürger demnach auch für Gesundheits-Apps, die
bald unter bestimmten Voraussetzungen auf Kassenkosten zu haben sein
sollen: 59 Prozent können sich eine Nutzung «auf jeden Fall» oder
«eher» vorstellen. Nach einem Gesetz von Gesundheitsminister Jens
Spahn (CDU) können bestimmte Apps von Ärzten verschrieben werden -
zum Beispiel Anwendungen, die beim regelmäßigen Einnehmen von
Medikamenten helfen oder digitale Tagebücher für Diabetiker.

Dafür ist eine rasche Zulassung beim Bundesinstitut für Arzneimittel
und Medizinprodukte vorgesehen. Derzeit liegen dort 14 Anträge vor,
die sich in der formalen und inhaltlichen Bewertung befinden, wie
eine Sprecherin auf Anfrage am Donnerstag mitteilte. Voraussichtlich
könnten die ersten Apps dann Ende August/Anfang September in einem
vorgesehenen Verzeichnis gelistet werden - die gesetzlichen Kassen
übernehmen dann ein Jahr lang vorläufig die Kosten.

Die Digitalbranche setzt auch generell auf Tempo beim Ausbau neuer
Gesundheitsangebote, in dem andere Länder viel fortschrittlicher
seien. «Wir müssen in Deutschland dringend nachziehen», sagte
Rohleder. Ohne Digitalisierung werde das Gesundheitssystem auch
Herausforderungen wie die alternde Gesellschaft und Ärztemangel nicht
bewältigen können. Das Rad dürfe auch nicht demnächst wieder in die

Vor-Corona-Zeit zurückgedreht werden.

Ein zentrales Projekt sind elektronische Patientenakten, die zum
1. Januar 2021 als freiwilliges Angebot starten sollen. «Wir sind
froh, dass sie jetzt endlich kommt», sagte Rohleder. Für Kritik hatte
gesorgt, dass verfeinerte Datenschutzeinstellungen nicht von Beginn
möglich sind. Erst ab 1. Januar 2022 ist vorgesehen, auch für jedes
Dokument einzeln festzulegen, welcher Arzt es sehen kann.