Anfeuern mit Maske? So könnte das Stadionerlebnis bald aussehen Von Thomas Eßer, dpa

Wenn die Fußball-Bundesliga nach der Sommerpause wieder startet,
könnten auch Fans wieder im Stadion dabei sein. In Sachsen gibt es
bereits konkrete Überlegungen in diese Richtung. Die Fan-Rückkehr
wäre an Bedingungen geknüpft. Dagegen gibt es auch Widerstand.

Frankfurt/Main (dpa) - Die Zeit der Bratpfannen- und Koffer-Trommeln
soll bald der Vergangenheit angehören. Schon zu Beginn der neuen
Saison in der Fußball-Bundesliga könnten wieder Fans statt
Vereinsmitarbeiter in den Stadien für lautstarke Unterstützung
sorgen. Die DFL arbeitet mit dem Gesundheitsministerium an Leitlinien
für das Ende der Geisterspiele. In Sachsen gibt es bereits
Überlegungen unter bestimmten Bedingungen ab September wieder mehr
als 1000 Zuschauer zuzulassen.

Vereinsmitarbeiter, die unter anderem im Relegation-Duell Heidenheim
gegen Bremen mit ungewöhnlichen Mitteln Lärm gemacht hatten, könnten

sich dann wieder ihrem Kerngeschäft widmen. Die Anhänger hätten
wieder die Stimmungshoheit. Manche Vereine haben bereits konkrete
Rückkehr-Konzepte für ihre Fans. RB Leipzig hat seine Überlegungen
bereits mit dem örtlichen Gesundheitsamt diskutiert. Wie könnte das
Stadionerlebnis im Herbst und Winter 2020 aussehen?

Fest steht: Mit dem gewohnten Stadionbesuch würde ein vorsichtiger
Neustart mit Zuschauern für viele Fans noch wenig zu tun haben. Mit
Freunden in der vollen Stammkneipe treffen, dann mit Bus und Bahn zum
Stadion fahren und in der Kurve dicht an dicht die eigene Mannschaft
zum Sieg schreien - ein solches Szenario ist noch ganz weit weg. Die
Fans müssen sich auf Einschränkungen und besondere Maßnahmen
einstellen, die sich im Detail von Verein zu Verein unterscheiden
können.

Anders als beim Hygienekonzept für die Spiele ohne Zuschauer zum Ende
der abgelaufenen Saison will die Deutsche Fußball Liga den Vereinen
keine exakten einheitlichen Vorgaben machen. Die DFL liefert eher
eine Basis, auf deren Grundlage die Clubs in Zusammenarbeit mit den
zuständigen Behörden individuell passende Konzepte erstellen können.

Das erscheint sinnvoll, schließlich sind die Bedingungen von Spielort
zu Spielort extrem unterschiedlich.

Das beginnt schon mit der Anreise. Während es rund um einige neuere
Stadien am Stadtrand ausreichend Parkplätze gibt und schon vor Corona
viele Zuschauer mit dem Auto angereist sind, setzen andere Arenen bei
ihrem Verkehrskonzept hauptsächlich auf den öffentlichen Nahverkehr.
Kommen Fans in vollen Bussen und Bahnen zum Stadion, ist es
allerdings deutlich schwieriger, die derzeit geltenden Abstandsregeln
einzuhalten und im Fall der Fälle Infektionsketten nachzuvollziehen
als bei einer Anreise im eigenen Auto. Der Weg zum Spiel könnte bei
der anvisierten Fan-Rückkehr eines der größten Probleme werden.

Für die Anhänger beginnen die Schwierigkeiten aber schon vorher. Da
eine Vollauslastung der Stadien zunächst utopisch ist, können
zunächst wohl noch nicht einmal alle Dauerkarteninhaber dabei sein.
Die Vereine reagieren darauf ganz unterschiedlich. Borussia Dortmund
verkauft zunächst gar keine Saisontickets. Bei Borussia
Mönchengladbach können Dauerkartenbesitzer der vergangenen Spielzeit

ihr Ticket für die kommende Saison wieder buchen, es gilt aber erst
ab der Rückrunde. Sollten schon in diesem Jahr wieder Fans ins
Stadion dürfen, haben die treuen Anhänger ein Vorkaufsrecht auf
Einzeltickets.

In Zeiten, in denen selbst Restaurant- und Cafébesucher ihren Namen
und Kontaktdaten angeben müssen, wird es auch im Stadion zudem nicht
ohne personalisierte Tickets gehen. In den Fanszenen ist das ein
sensibles Thema. Zudem sorgt spezielle Technik zur Erhöhung der
Sicherheit, wie sie in Dortmund bereits getestet wurde, für Unmut -
auch, wenn noch gar nicht klar ist, welche Rolle sie bei einer
Rückkehr der Fans in die Stadien konkret spielt. Wärmebildkameras
könnten beim Einlass kontaktlos die Körpertemperatur messen,
3D-Sensoren den Abstand in einem Tribünenblock ermitteln.

Kein Fußball sei es wert, «seine Freiheit an den Stadiontoren
abzugeben und sich den einschränkenden Maßnahmen zu unterwerfen»,
heißt es in einer kritischen Stellungnahme von Hannover-96-Fans, die
eine Teilöffnung der Stadien unter den befürchteten Bedingungen
ablehnen. Und Sig Zelt vom Bündnis «ProFans» sagte der Deutschen
Presse-Agentur: «Bei vielen Ultras herrscht eine große Skepsis und
die Meinung: Wenn wieder Leute in die Stadien dürfen, dann alle.»

Auf das Ausleben gewohnten Fanverhaltens müssen zumindest
Hardcore-Anhänger erstmal verzichten. Auch wenn Gesangsverbote, wie
sie in den Niederlanden geplant sind, in DFL-Kreisen nach
dpa-Informationen als unrealistisch eingeschätzt werden, ändert sich
zunächst doch einiges: Das tragen eines Mund-Nasen-Schutzes wird wohl
Pflicht werden, Stehplätze zuzulassen wird schwierig, und ob auch
Gästefans in die Stadien dürfen, ist zumindest fraglich - in Leipzig
sind sie nicht vorgesehen.

Zudem könnte es sein, dass manche Bundesligisten schon wieder vor ein
paar Zuschauern spielen dürfen, die Behörden in anderen Bundesländern

das aber noch für zu gefährlich halten. Laute Fans in München oder
Dortmund, Koffer-Trommel-Lärm im leeren Bremer Weser-Stadion: Auch so
ein Szenario ist an Spieltagen 2020/21 nicht ausgeschlossen.