Schuldnerberatungen in Sachsen-Anhalt erwarten Ansturm im Herbst

Das Coronavirus bringt viele Menschen in finanzielle Nöte. Was
passiert, wenn alle Reserven aufgebraucht sind?

Magdeburg (dpa/sa) - Trotz der Corona-Krise ist es in den
Schuldnerberatungsstellen im Land derzeit noch ruhig. Der Andrang von
Menschen mit finanziellen Problemen wird gegen Ende des Jahres
erwartet, wie eine dpa-Umfrage ergibt. Gerade könnten viele Menschen
noch von ihren Reserven zehren und es sei kein erhöhter
Beratungsbedarf zu spüren, teilte die Schuldner- und
Insolvenzberatungsstelle der Arbeiterwohlfahrt (Awo) in Magdeburg
mit. «Das wird sich alles nach hinten schieben und dann mit einem
Knall kommen», sagte eine Mitarbeiterin. Diese Erfahrungen machen
auch andere Beratungsstellen im Land. «Der Ansturm zeichnet sich
jetzt ab und nach dem Sommer wird es mehr werden», sagte Monika
Fehrmann von der Caritas-Beratungsstelle in Wittenberg.

Weil die Beratungsstellen wegen der Corona-Einschränkungen zunächst
wochenlang schließen mussten, gab es nach Angaben der
Verbraucherzentrale Sachsen-Anhalt zunächst sogar einen Rückgang der
Beratungen. «In zahlreichen telefonischen Anfragen wurde deutlich,
dass die Ratsuchenden, etwa um Unterlagen zu sichten, auf eine
Möglichkeit der Vor-Ort-Beratung warten wollten», sagte Gerdi Stock
von der Schuldner- und Insolvenzberatungsstelle Halle. «Viele wissen
noch nicht, dass wir wieder persönliche Beratungen durchführen»,
sagte auch Fehrmann in Wittenberg.

Die aktuellen Hygienemaßnahmen und Einschränkungen wie die
Maskenpflicht machen die Lage nicht einfacher. «Viele sagen, dann
warte ich mit der Beratung, bis das wieder vorbei ist», teilte die
AWO-Beratung in Magdeburg mit. Zur Zeit kämen überwiegend
Privatpersonen, die schon über einen längeren Zeitraum verschuldet
gewesen seien. Für die Zukunft erwarte man aber eher die
Betreiberinnen und Betreiber von kleinen Gewerben. «Ein Eindruck der
letzten 14 Tage ist, dass zunehmend Freiberufler und
Kleinstunternehmer, also Selbstständige, Rat suchen», sagte Stock von
der Verbraucherzentrale in Halle.

Zwar verhielten sich die Banken gerade zurückhaltend, was die
Rückzahlung von Krediten angehe und auch das Kurzarbeitergeld zeige
Wirkung, sagte die Leiterin der Schuldnerberatungsstelle in Stendal,
Ina Bombach. Allerdings greifen die bisherigen Stundungsregeln im
Zusammenhang mit der Corona-Pandemie seit dem 1. Juli nicht mehr,
teilte die Verbraucherzentrale Sachsen-Anhalt mit. Viele Menschen in
finanziellen Nöten müssten sich neu orientieren.

Im vergangenen Jahr wurden nach Angaben des Justizministeriums 2536
Anträge auf Eröffnung des Verbraucherinsolvenzverfahrens gestellt. Im
ersten Quartal 2020 waren es demnach 615 Anträge.