USA kaufen große Teile der angepeilten Remdesivir-Produktion

Auf dem Corona-Medikament Remdesivir liegen große Hoffnungen. Nun
haben die USA groß eingekauft. Gehen Europa und andere Teile der Welt
jetzt leer aus? Die Bundesregierung bleibt gelassen.

Washington (dpa) - Die US-Regierung hat sich einen Großteil der bis
September anvisierten Produktionsmenge des Corona-Mittels Remdesivir
gesichert. Eine entsprechende Vereinbarung mit dem
Biotech-Unternehmen Gilead Sciences sieht laut
US-Gesundheitsministerium den Erwerb von Wirkstoff-Dosen für mehr als
500 000 Behandlungen vor. Das entspreche 100 Prozent der geplanten
Produktionsmenge für Juli sowie jeweils 90 Prozent für August und
September. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) pocht auf
gleichberechtigten Zugang zu lebensrettenden Behandlungen für
Patienten in aller Welt. Remdesivir gilt als eines der
aussichtsreichsten Medikamente bei schweren Corona-Symptomen. Es kann
Studien zufolge den Krankenhausaufenthalt bei Covid-19 verkürzen.

Zu der Frage, ob durch die Vereinbarung die Versorgung mit dem
Wirkstoff in Europa gefährdet sei, wollte sich ein Gilead-Sprecher
auf Anfrage am Mittwoch nicht äußern. Pharma-Experte Andrew Hill von
der britischen Universität Liverpool sagte laut «Guardian»: «Sie (d
ie
USA) haben Zugriff auf einen Großteil des Medikaments, also bleibt
nichts für Europa.»

Die Bundesregierung rechnet auch nach dem US-Großeinkauf nicht mit
einem Engpass bei dem Corona-Mittel. Man habe sich das Medikament
frühzeitig für die Therapie von Corona-Patienten gesichert, sagte ein
Sprecher des Gesundheitsministeriums am Mittwoch. Derzeit gebe es
genügend Reserven. Mit der erwarteten Zulassung des Mittels für den
europäischen Markt sei zudem die Verpflichtung für den Hersteller
verbunden, «in angemessenem Umfang zu liefern». Man gehe davon aus,
dass die Firma dieser Verpflichtung nachkommen werde.

Die WHO habe die Berichte über den Deal der US-Regierung zur Kenntnis
genommen und prüfe die Details, sagte Nothilfekoordinator Michael
Ryan in Genf. Es gebe weltweit viele schwer an Covid-19 Erkrankte.
«Wir setzen uns mit aller Kraft dafür ein, dass es einen
gleichberechtigten Zugang zu lebensrettenden Behandlungen gibt»,
sagte er. US-Präsident Donald Trump hat die Zusammenarbeit mit der
WHO aufgekündigt. Er wirft ihr vor, unter chinesischem Einfluss zu
stehen. «Wir sind weiter in Kontakt», sagte WHO-Chef Tedros Adhanom
Ghebreyesus. Es gebe weiterhin Kollaborationen mit US-Einrichtungen.

Gilead vereinbarte nach eigenen Angaben mit der US-Regierung, dass
nicht zugeteilte Teile der Produktion «für andere Verwendungszwecke,
auch für Länder außerhalb der Vereinigten Staaten, bereitgestellt
werden können». Dazu werde man die Bedarfsmeldungen der Krankenhäuser

engmaschig beobachten und alle zwei Wochen evaluieren, hieß es
weiter.

Gerade erst hatte Gilead den Preis für den US-Markt festgesetzt. Eine
fünftägige Behandlung mit Remdesivir werde bei Bestellung durch die
US-Regierung 2340 Dollar (etwa 2000 Euro) pro Patient kosten. Dieser
Nettobetrag sei auch für Deutschland geplant, hatte der Sprecher von
Gilead in Deutschland, Martin Flörkemeier, am Dienstag gesagt.

Vergangene Woche hatte die Europäische Arzneimittel-Agentur EMA eine
Zulassung für das Mittel mit dem Handelsnamen Veklury unter Auflagen
in Europa empfohlen. Eine Entscheidung durch die EU-Kommission wird
noch diese Woche erwartet.

Remdesivir wurde ursprünglich zur Behandlung von Ebola entwickelt,
zeigte aber eine zu geringe Wirkung. Es ist bislang in keinem Land
der Welt uneingeschränkt als Medikament zugelassen.