Söder sieht Bayern auch bei Corona-Massentests als Vorreiter

Söder will allen, die wollen, Corona-Tests ermöglichen. Die Kritik
aus den anderen Ländern und von Gesundheitsminister Spahn ficht ihn
nicht an. Denn er habe bereits bei anderen Maßnahmen anfängliche
Ablehnung erlebt, die sich später in Zustimmung gewandelt habe.

Berlin (dpa) - Trotz der massiven Kritik von Bund und anderen Ländern
sieht der bayerische Ministerpräsident Markus Söder sein Land auch
bei den freiwilligen Corona-Tests für jedermann als Vorbild für ganz
Deutschland. «Ich glaube schon, dass das eine Wirkung hat weit über
Bayern hinaus», sagte der CSU-Chef der «Augsburger Allgemeinen»
(Dienstag). Die Kritik an dem bayerischen Vorgehen sei nicht
medizinisch begründet. «Der eigentliche Hintergrund ist etwas ganz
Anderes: Das sind die Kosten.»

Künftig sollen sich in Bayern landesweit alle Menschen auch ohne
Symptome kostenlos auf das Coronavirus testen lassen dürfen. Das
Kabinett des Freistaates will an diesem Dienstag (10.00 Uhr) das
entsprechende Testkonzept beschließen. Im Kern fußt der Plan auf
einer am Mittwoch in Kraft tretenden Vereinbarung Bayerns mit der
Kassenärztlichen Vereinigung. Diese sieht Testmöglichkeiten bei
niedergelassenen Vertragsärzten vor. Dem «Tagesspiegel» (Dienstag)
sagte Söder, Bayern wolle «bis zu 30 000 Tests pro Tag anbieten».
Damit verdreifache der Freistaat seine Kapazitäten seit Ende März.

Neben den Tests für Menschen mit und ohne Symptomen - für beide sind
bereits jetzt Tests kostenlos möglich - sieht das Konzept auch vor,
die freiwilligen Tests in Einrichtungen mit gefährdeten Personen etwa
in Pflege- und Altenheimen sowie in Krankenhäusern auszubauen.
Gleiches gilt für Tests von Lehrern und Erziehern. Wer Symptome hat,
soll innerhalb eines Tages getestet werden und 24 Stunden später sein
Ergebnis haben. Ohne Symptome dauert es etwas länger: ein Test in 48
Stunden und ein Ergebnis in einer Woche.

Sowohl Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) als auch andere
Bundesländer hatten die Ankündigung Bayerns für Tests im großen Sti
l
massiv kritisiert und vor einem trügerischen Sicherheitsgefühl
gewarnt. Söder hatte dies aber zurückgewiesen.

Der bayerische Ministerpräsident sagte der «Augsburger Allgemeinen»,

er sei auch angegriffen worden, «als wir über Schulschließungen
geredet haben». Danach habe es jeder gemacht. Auch an den bayerischen
Ausgangsbeschränkungen habe es am Anfang Kritik gegeben, kurz darauf
habe jedes Bundesland Kontaktsperren verhängt. Ebenso seien
inzwischen alle Bundesländer Bayern bei den Beschränkungen für
Urlauber aus Corona-Risikogebieten gefolgt.

Dagegen riet Ärztepräsident Klaus Reinhardt von Corona-Tests für alle

ab. «Massentests für alle würden sicherlich interessante
wissenschaftliche Erkenntnisse liefern, solange aber die Kapazitäten
begrenzt sind, halte ich schnelle und gezielte Testungen von klar
definierten Bevölkerungsgruppen für sinnvoller», sagte er der
«Rheinischen Post» (Dienstag). «Wir brauchen die Testkapazitäten,
damit für Verdachtsfälle, Risikogruppen und Klinikpatienten
ausreichend Tests zur Verfügung stehen und vor allem eine schnelle
Testauswertung möglich ist.»

Der Chef des Hausärzteverbandes, Ulrich Weigeldt, forderte eine
nationale Strategie für die Kriterien von Corona-Tests. «Momentan
herrscht in vielen Hausarztpraxen, also bei Hausärzten wie auch bei
ihren Patienten, aufgrund des regionalen Flickenteppichs an sich
ständig ändernden, zum Teil noch halbfertigen Regelungen große
Verunsicherung», sagte Weigeldt der «Rheinischen Post» (Dienstag).
«Auch wenn die Eile vieler Entscheidungen nachvollziehbar ist, wäre
eine durchdachte nationale Strategie, die gleichzeitig die Vorteile
und Risiken der Testungen in der individuellen Situation mitdenkt,
sinnvoll.»

Derweil äußerte sich der Chef der «Wirtschaftsweisen», Lars P. Feld
,
skeptisch über die Wirksamkeit der zum 1. Juli in Kraft tretenden
Mehrwertsteuersenkung. «Im Sachverständigenrat gehen wir davon aus,
dass die Mehrwertsteuersenkung zu etwas mehr als der Hälfte an die
Konsumenten weitergegeben wird», sagte Feld den Zeitungen der Funke
Mediengruppe (Dienstag). «In diesem Maße findet ein Vorzieheffekt ins
Jahr 2020 statt, so dass der Konsum im Jahr 2021 entsprechend
geringer ausfallen dürfte.»

Bundestag und Bundesrat hatten am Montag wichtige Teile des 130
Milliarden Euro schweren Konjunkturpakets beschlossen, das den Konsum
wieder ankurbeln soll. Das größte Konjunkturpaket in der deutschen
Geschichte soll Millionen Bürger entlasten und die Wirtschaft wieder
auf Wachstumskurs bringen.

Der SPD-Vorsitzende Norbert Walter-Borjans zeigte sich davon
überzeugt, dass die Mehrwertsteuersenkung «das Konsumklima spürbar
aufhellen» werde. Die Sorgen, der steuerliche Vorteil könnte nicht an
die Kunden weitergegeben werden, lösten sich in Luft auf, sagte er
voraus.

Dagegen kam Kritik an dem Konjunkturpaket auch vom DIW-Chef Marcel
Fratzscher. «Das Konjunkturpaket ist blind in Hinblick auf viele
wichtige Aspekte», sagte der Präsident des Deutschen Instituts für
Wirtschaftsforschung (DIW) der «Passauer Neuen Presse» (Dienstag).
Dies gelte etwa bei den Themen Generationengerechtigkeit,
Gleichstellung von Mann und Frau und anderen Nachhaltigkeitsfragen.

Kurz vor Beginn der deutschen EU-Ratspräsidentschaft unterstrich
derweil Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) die Bereitschaft der
Bundesregierung, den Wiederaufbau europäischer Krisenstaaten mit
Finanzhilfen zu unterstützen. «Unser Wohlstand in Deutschland hängt
massiv davon ab, dass unsere Unternehmen ihre Produkte ins Ausland
verkaufen oder von dort Produkte kaufen können», sagte Scholz dem
Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND/Dienstag). Italien, Spanien und
andere europäische Länder seien extrem wichtige Handelspartner für
Deutschland. «Deshalb ist es in unserem ureigensten Interesse, wenn
wir alle einen Beitrag dafür leisten, dass diese Länder, die von der
Corona-Pandemie besonders gebeutelt worden sind, wieder rasch auf die
Beine kommen.»