Online-Konkurrenz und hohe Belastung - Zahl der Apotheken sinkt

Sie sind wichtige Anlaufstellen für Patienten, beraten und geben
Medikamente aus. Doch in Rheinland-Pfalz geht die Zahl der Apotheken
zurück. Das hat Branchenvertretern zufolge mehrere Gründe.

Mainz (dpa/lrs) - Mehr Notdienste, viel Aufwand bei Abrechnungen und
steigende fachliche Anforderungen - das sind nach Einschätzung der
Landesapothekenkammer drei wesentliche Gründe für die seit Jahren
sinkende Zahl an Apotheken in Rheinland-Pfalz. Dies treibe Nachwuchs
nicht gerade in die Selbstständigkeit und in inhabergeführte
Apotheken, sagte Andreas-Georg Kiefer der Deutschen Presse-Agentur in
Mainz. Er ist Inhaber einer Koblenzer Apotheke, Präsident der Kammer
im Land sowie der Bundesapothekerkammer.

Wie genau sich die Apothekenlandschaft in Rheinland-Pfalz entwickelt
hat, zeigt eine Antwort des Gesundheitsministeriums auf eine Große
Anfrage der SPD-Landtagsfraktion von April. Waren es 2010 noch 1119
Apotheken, davon 149 Filialapotheken, sank deren Zahl bis 2015 auf
1039 Apotheken samt 203 Filialapotheken und bis zum vergangenen Jahr
unter die 1000er Marke auf 964 Apotheken, davon 218 Filialapotheken.

Das Ministerium konstatierte, es sei auch in Rheinland-Pfalz in den
vergangenen zehn Jahren eine kontinuierliche Abnahme der
Apothekenzahl im einstelligen Prozentbereich festzustellen. Die
Apothekendichte liege bei 24 pro 100 000 Einwohner, etwas mehr als
die 23 im Bundesschnitt. EU-weit liegt der Wert demnach bei 31
Apotheken je 100 000 Einwohner, also deutlich darüber.

Kiefer von der Apothekerkammer sagte, es sei eine «sehr schwierige
Arbeit» in den Apotheken. Sie sei zwar reizvoll, werde aber fachlich
immer anspruchsvoller etwa bei komplexen Behandlungen. Auch hätten
die Kunden berechtigterweise steigenden Beratungsbedarf,
beispielsweise wenn sie eine ganze Reihe an Medikamenten einnähmen.

Die Ökonomisierung des Gesundheitswesens führe darüber hinaus zu
einem enormen Abrechnungsaufwand im Zusammenspiel mit gesetzlichen
Krankenkassen, sagte Kiefer. Und das sei nun mal das Kerngeschäft.
Ähnlich klingt das in der Antwort des Ministeriums. Dort heißt es:
«Das deutsche Gesundheitssystem - und damit auch die öffentlichen
Apotheken - befindet sich derzeit in einem tiefgreifenden Wandel, der
auch durch eine zunehmende Ökonomisierung geprägt ist.»

Die rot-gelb-grüne Landesregierung habe in ihrem Koalitionsvertrag
von 2016 die «große Bedeutung» der Arzneimittelversorgung über
inhabergeführte Apotheken festgeschrieben, betonte das Ministerium.
Konkret steht in dem Vertrag: «Zur angemessenen und flächendeckenden
Arzneimittelversorgung setzen wir auf das bewährte System der
inhabergeführten Apotheken vor Ort. Eine besondere Bedeutung gewinnt
die Arzneimitteltherapiesicherheit, die vor dem demografischen
Hintergrund und angesichts zunehmender Demenzerkrankungen eine
intensive pharmazeutische Betreuung und Beratung erfordert, um Fehl-
und Mehrgebrauch von Arzneimitteln zu vermeiden.»

Das Gesundheitsministerium betonte, derzeit sei eine flächendeckende
Arzneimittelversorgung bundesweit gewährleistet. Entscheidend sei
nicht die Zahl der Apotheken, sondern deren Verteilung. Um weitere
Schließungen vor allem kleiner Apotheken in der Fläche zu verhindern,
sehe die Landesregierung das Bundesgesundheitsministerium in der
Pflicht, «um gesetzgeberische Maßnahmen zur Stärkung der
Präsenzapotheken umzusetzen».

Auch Kammervertreter Kiefer würde sich auf Bundesebene einiges
wünschen. So müsse das vom Kabinett bereits abgesegnete Gesetz zur
Stärkung der Vor-Ort-Apotheken kommen. Doch noch hat es der Bundestag
nicht beschlossen. Es soll regeln, dass für gesetzlich Versicherte
bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln überall der gleiche Preis
gilt - egal ob bei einer Versandapotheke oder einer um die Ecke.

Aus dem Mainzer Ministerium heißt es dazu, die große Koalition habe
das Gesetz auf Eis gelegt mit dem Hinweis, dass mit der EU-Kommission
noch Rechtsfragen zu klären seien. «Mit jedem Monat des Fortbestehens
der unfairen Wettbewerbsbedingungen verschlechterten sich aber die
Rahmenbedingungen für deutsche Apotheken im europäischen Wettbewerb.
«Dadurch kommt es bundesweit und auch in Rheinland-Pfalz zu weiteren
Apothekenschließungen aus wirtschaftlichen Gründen.»

Dem Ministerium zufolge haben allem kleinere Apotheken auf dem Land
mit der Konkurrenz durch den europäischen Versandhandel zu kämpfen.
Das Apotheken-Stärkungsgesetz würde zwar Rahmenbedingungen
verbessern, es sei aber zu bezweifeln, ob dies vor dem Hintergrund
ausreiche, dass europäische Versandapotheken weiter
Privatversicherten oder Selbstzahlern Rabatte gewähren dürften. Die
Landesregierung sehe weiteren Handlungsbedarf, beispielsweise im
Sinne der Einführung eines Versandhandelsverbotes für
verschreibungspflichtige Arzneimittel.

Kiefer wünscht sich neben dem Stärkungsgesetz auch, dass die
Honorierungen für von Apotheken erbrachte Leistungen steigen. Sein
dritter Wunsch steht im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie. In der
hätten Eilverordnungen Apotheken mehr Gestaltungsspielraum gewährt.
Das müsse nun in die Regelversorgung getragen werden. Es gehe
insgesamt darum, Menschen für den Apothekerjob zu begeistern. Das
werde kaum gelingen, wenn Apotheken verschwänden und die verbliebenen
mehr Notdienste übernehmen müssten, sagte der Kammerpräsident.

Die Suche nach Nachfolgern für die eigene Apotheke sei längst sehr
schwierig, berichtete Kiefer weiter - selbst für wirtschaftlich sehr
attraktive Standorte. Und das, obwohl in den vergangenen Jahren die
Zahl der Absolventen der Pharmazie deutlich gestiegen ist, wie das
Ministerium schrieb. Apotheken stehe grundsätzlich mehr approbiertes
Personal zur Verfügung, dabei sei aber auch zu berücksichtigen, dass
rund 75 Prozent des approbierten Personals in Apotheken Frauen seien,
«die in ihrer Familienphase dem Arbeitsmarkt nur begrenzt zur
Verfügung stehen». Es bestehe unter dem Strich eine hohe Nachfrage
nach Apothekerinnen, die von Studienabsolventen in der Regel nicht
vollständig abgedeckt werden könne. Das sieht auch Kiefer so.
Außerdem würden Fachkräfte von der Industrie abgeworben.

Der sozialpolitische Sprecher der SPD-Landtagsfraktion, Sven Teuber,
sagte: «Das Berufsbild des Apothekers oder der Apothekerin ist im
Wandel.» Künftig werde es eine engere Verzahnung von Hausarztpraxen
und Apotheken geben, etwa durch die Einführung des elektronischen
Medikationsplans in Rheinland-Pfalz. Nach dem Vorbild Niedersachsens
sollten Apotheker vermehrt auch im stationären Bereich zum Einsatz
kommen und dort als Stationsapotheker etwa das Entlassmanagement von
Patienten fachlich begleiten. «Wenn es darum geht, den Apothekerberuf
zeitgemäß weiterzuentwickeln, sollte zudem der Work-Life-Balance
sowie den Bedürfnissen von Frauen im Apothekenwesen noch stärker
Rechnung getragen werden.»

Trotz aller aktuellen Widrigkeiten sieht das Ministerium Wege, wie
sich Apotheken besser aufstellen können. Sie könnten sich mit
Video-Sprechstunden in der Beratung und anderen digitalen Tätigkeiten
bei der Nutzung des elektronischen Rezepts qualifizieren. Denkbar
seien auch Angebote der Ernährungsberatung oder Beratung für gesunde
Lebensführung.