Lichtblicke im Kreis Gütersloh - Lockdown-Entscheidung steht bevor

Wie lange dauert der regionale Lockdown in den Kreisen Gütersloh und
Warendorf? Nachdem der Kreis Warendorf bei einer wichtigen Marke
schon wieder im grünen Bereich ist, gibt es auch im Kreis Gütersloh
Lichtblicke. Spätestens Dienstag muss eine Entscheidung fallen.

Gütersloh/Düsseldorf (dpa) - Nach dem bundesweit ersten regionalen
Lockdown zur Eindämmung des Coronavirus in zwei Kreisen von
Nordrhein-Westfalen gibt es weitere Lichtblicke in der Region. In dem
am stärksten von dem Corona-Ausbruch bei Tönnies betroffenen Kreis
Gütersloh hat es nach bisher vorliegenden Ergebnissen bei rund 4100
Tests in der Allgemeinbevölkerung nur neun Nachweise einer Infektion
gegeben. Diese Zahlen nannte NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef
Laumann (CDU) nach dem Besuch eines «Drive-In Testzentrums» auf einem
früheren Militärflugplatz in Gütersloh am Samstag. Landrat Sven-Georg

Adenauer (CDU) berichtete von umfangreichen Kontrollen der Quarantäne
und Hunderten Helfern für Abstriche, Verpflegung und Transporte.

Nach den jüngsten Daten des Robert Koch-Instituts (RKI) ist die
Kennziffer der Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner innerhalb der
vergangenen sieben Tage im Kreis Gütersloh zwar weiter rückläufig.
Sie liegt mit einem Wert von 164,2 mit Stand Samstag aber noch sehr
deutlich über der Marke von 50, die bei der Debatte über zusätzliche

Schutzmaßnahmen eine Rolle spielt. Im benachbarten Kreis Warendorf,
in dem ebenfalls viele Mitarbeiter aus dem Tönnies-Werk
Rheda-Wiedenbrück wohnen, ist die Kennziffer der Neuinfektionen pro
100 000 Einwohner innerhalb der vergangenen sieben Tage schon unter
die Marke 50 gesunken und liegt in der Relation nur noch bei 19,8
Fällen.

Spätestens am Dienstag muss über ein Auslaufen oder ein Verlängern
des Lockdowns in den beiden Kreisen entschieden werden, da er bis zum
30. Juni gilt. Die erneuten Einschränkungen waren in den Kreisen
Gütersloh und Warendorf am Mittwoch in Kraft getreten. Betroffen sind
rund 640 000 Einwohner. Im öffentlichen Raum dürfen nur noch zwei
Menschen oder Menschen aus einem Familien- oder Haushaltsverbund
zusammentreffen. Zudem sollen eine Reihe von Freizeitaktivitäten
unterbleiben. Museen, Kinos, Fitnessstudios und Hallenschwimmbäder
müssen vorerst geschlossen bleiben. Vertreter der Kreise sprachen von
einem «Lockdown light», da Geschäfte und Restaurants weiter öffnen

dürften.

NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) hatte erklärt, im Kreis
Gütersloh handele es sich um das bisher «größte Infektionsgeschehen
»
in NRW und in Deutschland. Bis zum 30. Juni werde man mehr Klarheit
haben, inwieweit sich das Virus womöglich auch bei Menschen, die
nicht bei Tönnies arbeiten, ausgebreitet habe. Die Behörden würden
die Tests in der Bevölkerung massiv ausweiten. Grund für den Schritt
war der Corona-Ausbruch beim Fleischverarbeiter Tönnies. Im Werk des
Marktführers im westfälischen Rheda-Wiedenbrück hatten sich mehr als

1500 Beschäftigte nachweislich mit dem Coronavirus infiziert.

Im Interview mit dem Nachrichtensender ntv sagte Laumann am Samstag
zu den neun positiven Tests bei rund 4100 Testergebnissen in der
Allgemeinbevölkerung: «Das ist eine sehr niedrige Infektionsrate.»
Gleichzeitig betonte er aber auch: «Ich will das jetzt überhaupt
nicht bewerten.» Laumann geht in den kommenden Tagen von weiteren
Tausenden Testergebnissen aus, aufgrund derer dann eine Entscheidung
zu den Einschränkungen in der Region getroffen werden solle.

In den vergangenen Tagen gab es in der Region einen großen Andrang
auf die Corona-Testungen. Viele Menschen, die in den Urlaub fahren
wollen, standen stundenlang Schlange, um an die Reihe zu kommen. Die
Sommerferien begannen im bevölkerungsreichsten Bundesland NRW an
diesem Samstag. In dem «Drive-In Testzentrum» in Gütersloh können
sich Bürger aus dem Auto heraus auf das Coronavirus testen lassen.

Der Kreis Gütersloh teilte am Samstag mit, dass alle Wohnquartiere
der Tönnies-Mitarbeiter am Donnerstag und Freitag von den mobilen
Teams aus Ordnungsämtern und Polizei besucht worden seien, um die
Quarantäne zu überwachen. «Das ist ein Kraftakt, den die Mitarbeiter

aus den Städten und Gemeinden da gemeinsam mit der Polizei geschafft
haben, ich habe Respekt, wie schnell das ging, wir sind jetzt einen
Schritt weiter», erklärte Landrat Adenauer. Im Kreis Gütersloh seien

am Samstag Hunderte Beamte und Ehrenamtliche im Einsatz gewesen,
allein mehr als 200 Männer und Frauen der Hilfsorganisationen hätten
sich um Abstriche, die Verpflegung und Transporte gekümmert. Die
Bundeswehr ist nach Angaben des Kreises mit 245 Kräften vor Ort.

Nachdem bereits mehrere Bundesländer Einschränkungen für Reisende aus

einem Corona-Hotspot wie dem Kreis Gütersloh auf den Weg gebracht
hatten, gab es am Freitagabend eine Bund-Länder-Einigung dazu.

Die Länder werden nach dem Beschluss in den besonders betroffenen
Gebieten Vorsorge treffen, dass, so wörtlich, «Reisende aus einem
Landkreis oder einer kreisfreien Stadt mit kumulativ mehr als 50
Neuinfektionen pro 100 000 Einwohnern innerhalb der letzten 7 Tage
nur dann in einem Beherbergungsbetrieb untergebracht werden dürfen
beziehungsweise ohne Quarantänemaßnahme in ein Land einreisen dürfen,

wenn sie über ein ärztliches Zeugnis in Papier- oder digitaler Form
verfügen, welches bestätigt, dass keine Anhaltspunkte für das
Vorliegen einer Infektion mit dem Coronavirus Sars-CoV-2 vorhanden
sind».

Ein aus einem fachärztlichen Labor stammender Befund gelte als
ärztliches Zeugnis. Dieses «muss sich auf eine molekularbiologische
Testung stützen, die höchstens 48 Stunden vor der Anreise vorgenommen
worden ist». Maßgeblich für den Beginn der 48-Stunden-Frist sei der
Zeitpunkt der Feststellung des Testergebnisses.