Corona-Effekt: Achterbahn bei Krankmeldungen

Rauf und runter: Für Infektionsforscher wird 2020 ein denkwürdiges
Jahr. Die Pandemie und die Maßnahmen dagegen wirbeln alle Erfahrungen
durcheinander. Im Mai gab es im Nordosten so wenig Krankmeldungen wie
selten. Warum?

Berlin (dpa) - Die Kontaktbeschränkungen in der Corona-Pandemie haben
nach einer Analyse der Krankenkasse AOK Nordost in diesem Jahr einen
Achterbahn-Effekt auf Krankmeldungen gehabt. Schnellten die Zahlen
für Berlin, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern von Mitte März bis
Mitte April weit über den Durchschnitt in die Höhe, fielen sie im Mai
weit unter die üblichen Mittelwerte. Soziale Distanz habe damit nicht
allein die Ausbreitung des Coronavirus stark eingedämmt, sondern auch
andere Infektionskrankheiten in Schach gehalten, folgert die Kasse.

Nach ihren Daten waren im Mai jeweils um die 40 Prozent weniger
Arbeitnehmer wegen Erkältungskrankheiten, Magen-Darm-Infektionen und
akuten Lungenentzündungen krankgeschrieben
als in den Vorjahren. Bei den Diagnosen akuter Bronchitis habe das
Minus sogar bei rund 50 Prozent gelegen. Die Grippe-Saison endete
auch nach Einschätzung des Robert Koch-Instituts früher als
gewöhnlich. Die abrupte Abnahme von Atemwegserkrankungen ab der
zehnten Kalenderwoche sei insbesondere bei Erwachsenen über längere
Zeit «extrem ungewöhnlich», hieß es bereits Mitte April im Bulletin

des RKI.

Viele Arbeitnehmer hätten sich zu Beginn der Pandemie offenbar an die
Empfehlung gehalten, bei Erkältungssymptomen zu Hause zu bleiben,
analysiert die AOK Nordost. Ursachen für weniger Infektionen
insgesamt sieht die Kasse darüber hinaus im Wechsel ins Homeoffice
und in Kurzarbeit. Wegen der Kita- und Schulschließungen hätten sich
vermutlich auch weniger Eltern über ihre Kinder angesteckt - und auch
weniger Kinder untereinander.

Für ihre Analyse hat die Kasse ihre aktuellen Zahlen jeweils
wochenweise mit dem Mittelwert der Vorjahreszeiträume von 2016 bis
2019 verglichen. Die Rechnung basiert auf einer Auswertung der
anonymisierten Daten von Versicherten, die Krankengeld beziehen. Das
sind in allen drei Ländern zusammen mehrere hunderttausend Menschen.
Die AOK Nordost ist nach eigenen Angaben in Berlin, Brandenburg und
Mecklenburg-Vorpommern mit insgesamt rund 1,75 Millionen Versicherten
die größte regionale Krankenkasse.