Experte vermutet: Luftumwälzung in der Zerlegung ist ein Problem

Gütersloh (dpa) - Der Corona-Ausbruch im Fleischbetrieb Tönnies
könnte auf die Luftkühlung im Zerlegebetrieb zurückgehen. Das ist
eine erste Einschätzung des Bonner Hygiene-Experten Martin Exner. In
dem Bereich würde die Luft auf sechs bis zehn Grad Celsius
heruntergekühlt, während die Arbeiter bei hohem Tempo und harter,
körperlicher Belastung die geschlachteten Schweine zerlegen, sagte
der Professor am Mittwoch bei einer Pressekonferenz im Kreishaus in
Gütersloh.

Um die Luft zu kühlen, werde diese aus dem Raum gezogen, gekühlt und
zurück in den Raum gebracht. Um zu verhindern, dass Viren über dieses
System verteilt werden, schlug Exner Hochleistungsfilter und
UV-Strahlen als Lösung vor. In Krankenhäusern würden in
Operationssälen diese Hochleistungsfilter bereits eingesetzt.

Der Direktor des Instituts für Hygiene hatte sich am Samstag und
Sonntag die Lage bei Tönnies im Werk in Rheda-Wiedenbrück angeschaut.
«Ich äußere mich jetzt bereits nach so kurzer Zeit, weil es wichtig
für die Planung ist, welche Maßnahmen jetzt durchgeführt werden
müssen», sagte er. Zur Zusammenarbeit mit dem Unternehmen berichtete
Exner: «Wir haben alle Auskünfte von der Firma bekommen. Wir
brauchten nicht irgendwelche Dinge kritisch nachfragen.»

Das Problem mit der Belüftung betreffe die gesamte Fleischbranche und
sei bislang nicht im Blick der Wissenschaft gewesen, sagte der
Professor. Bislang habe die Branche an dieser Stelle auf den Schutz
der Lebensmittel geachtet, aber nicht auf eine Infektionsgefahr für
die Mitarbeiter. Bei dem jetzt möglicherweise entdeckten Problem nahm
der Experte das Unternehmen Tönnies ausdrücklich von Kritik aus.
Besonders in der Zerlegung der Fleischfabrik waren vermehrt
Corona-Infizierte nachgewiesen worden.

Bei seiner Einschätzung verwies Exner auf die Erkenntnisse aus dem
ersten großen Corona-Ansteckungsherd im Kreis Heinsberg. Dort hatten
sich bei einer Karnevalsfeier zahlreiche Menschen angesteckt. Auch
dort seien auf kleiner Fläche in einem geschlossenen Raum viele
Menschen gewesen. Auch dort sei die Kühlung der Luft über ein
Umluftsystem erfolgt, ohne von einem Filter aufgehalten zu werden.
«Umluft kann ein Aerosol in Bewegung halten», so der Hygiene-Experte.
«Das ist ein bislang unbekannter entscheidender Risikofaktor.»

Exner betonte, dass die Suche nach möglichen Infektionsherden
weitergeführt werden müsse. «Die Unterkünfte zählen zu den
klassischen Faktoren, die bisher bekannt sind. Ich möchte nicht so
verstanden werden, dass das der alleinige Faktor ist», sagte der
Hygiene-Experte. Es gebe multiple Faktoren, von denen einige noch
unbekannt seien.