Koalition will in EU-Ratspräsidentschaft Corona-Krise überwinden

Welche Ziele streben Union und SPD bei der EU-Ratspräsidentschaft im
zweiten Halbjahr an? Das Kabinett will jetzt das Programm
verabschieden. Über allem schwebt die Corona-Krise.

Berlin (dpa) - Die schwarz-rote Koalition sieht die dauerhafte
Überwindung der Corona-Pandemie und die wirtschaftliche Erholung in
Europa als zentrale Aufgabe der deutschen EU-Ratspräsidentschaft.
Darauf haben sich die Koalitionsspitzen am Montagabend im Kanzleramt
verständigt. An diesem Mittwoch will das Kabinett das Programm für
das halbe Jahr verabschieden, in dem Deutschland die Führungsrolle in
der Europäischen Union übernimmt. Die Ratspräsidentschaft geht am 1.

Juli turnusmäßig von Kroatien auf Deutschland über.

In einem knappen Papier, das die Beratungen des Koalitionsausschusses
zusammenfasst, heißt es: «Mit der Covid-19-Pandemie steht die
Europäische Union vor einer schicksalshaften Herausforderung.»
Deutschland werde sich während seiner Ratspräsidentschaft «mit ganzer

Kraft dafür einsetzen, diese Aufgabe gemeinsam und zukunftsgerichtet
zu meistern und Europa wieder stark zu machen».

Die Bundesregierung will sich dabei vom Ziel eines stärkeren,
innovativeren, gerechten und nachhaltigen Europa leiten lassen.
Weitere «Leitgedanken» sind demnach ein Europa der Sicherheit und der
gemeinsamen Werte sowie ein starkes Europa in der Welt.

Der SPD-Vorsitzende Norbert Walter-Borjans sagte im Anschluss an die
zweieinhalbstündige Runde, es werde wegen der Corona-Pandemie und der
schweren wirtschaftlichen Folgen in Europa «eine besondere
Ratspräsidentschaft» sein. Deutschland wolle ein «respektvoller
Vermittler» sein.

Ziel sei unter anderem, sehr schnell das Merkel-Macron-Programm
umzusetzen. «Uns geht es darum, dass wir zeigen, Deutschlands
Ratspräsidentschaft steht für ein soziales Europa, für ein gerechtes

Europa, für ein nachhaltiges Europa und für eines, das gemeinsam
Zukunftschancen wahrnimmt.» Das sei auch nötig, weil Europa zwischen
den «Blöcken» China und USA stehe. «Das heißt, der Zusammenhalt
Europas wird das Wichtigste sein.»

Auf dem Tisch liegt ein Vorschlag der EU-Kommission für einen
schuldenfinanzierten Konjunktur- und Investitionsplan im Umfang von
750 Milliarden Euro. Davon sollen 500 Milliarden Euro als Zuschüsse
an die EU-Staaten fließen, der Rest als Kredite. Die Schulden sollen
bis 2058 gemeinsam aus dem EU-Haushalt abbezahlt werden. Verhandelt
wird der Plan zusammen mit dem nicht minder umstrittenen nächsten
siebenjährigen EU-Finanzrahmen, für den die Kommission 1,1 Billionen
Euro ansetzt.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte am Freitag nach einer
Videokonferenz mit den europäischen Staats- und Regierungschefs
angedeutet, dass die Verhandlungen über das 750-Milliarden-Programm
zu einer Zerreißprobe für die EU werden könnten. «Die Brücken, di
e
wir noch zu bauen haben, sind groß», sagte Merkel. Sie machte zudem
deutlich, dass die Zeit drängt. Mitte Juli will EU-Ratschef Charles
Michel bei einem weiteren EU-Gipfel neue Vorschläge vorlegen. «Es
wird schwierig, es wird komplex», sagte der Belgier.

Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) machte am Montag bei einem
Treffen mit seinem französischen Amtskollegen Bruno Le Maire
deutlich, dass zur Bewältigung der historischen Herausforderungen
eine enge deutsch-französische Zusammenarbeit nötig sei. Deutschland
und Frankreich hätten eine erste Antwort darauf mit ihrem Vorschlag
für ein Hilfspaket formuliert. Jetzt seien die Staats- und
Regierungschefs gefragt, ein solches Paket zu vereinbaren.