Hartes Ringen um die Zukunft der Lufthansa Von Christian Ebner, dpa

Für Deutschlands größte Airline und ihre Beschäftigten hat die Woch
e
der Wahrheit begonnen. Gemeinsam mit der Bundesregierung kämpft sie
um die Zustimmung der Aktionäre zum angepeilten Rettungspaket. Auch
mit den Gewerkschaften ist noch längst nicht alles klar.

Frankfurt/Berlin (dpa) - Die angepeilte staatliche Rettung des
Lufthansa-Konzerns in der Corona-Krise steht weiter auf der Kippe.
Vor der außerordentlichen Hauptversammlung am Donnerstag blieb die
Strategie des neuen Großaktionärs Heinz Hermann Thiele am Montag
unklar. Auch in den fortgesetzten Verhandlungen mit den
Gewerkschaften um Sparbeiträge der Beschäftigten zeichnete sich
zunächst keine Einigung ab. Wegen der Unsicherheiten musste die Aktie
des Dax-Absteigers an ihrem ersten Handelstag im MDax einen Abschlag
von gut drei Prozent hinnehmen.

Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) verteidigte nach einem
Gespräch mit Thiele das staatliche Rettungspaket erneut. Scholz sagte
am Montag in Berlin am Rande eines Treffens mit seinem französischen
Kollegen Bruno Le Maire, das Gespräch mit Thiele und Vorstandschef
Carsten Spohr sei freundlich gewesen, «was gut ist». Ansonsten sei
der Vorschlag, der auf der Hauptversammlung zur Abstimmung stehe, ein
guter, sorgfältig abgewogener Vorschlag in Absprache mit dem
Unternehmensvorstand, mit dem Aufsichtsrat als Aktionärsvertreter und
mit der Europäischen Kommission.

Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) sagte, über das
Gespräch sei Vertraulichkeit vereinbart worden, das sei
aktienrechtlich auch notwendig. Der Bund habe ein «gutes Konzept»
erarbeitet, das dazu beitragen könne, viele zehntausend Arbeitsplätze
zu erhalten. «Alles andere ist Sache der Hauptversammlung.»

Der 79 Jahre alte Milliardär und Industrielle Thiele hatte sich in
den vergangenen Monaten mehr als 15 Prozent der Lufthansa-Aktien
gesichert und anschließend den angepeilten Staatseinfluss kritisiert.
Da laut Spohr weniger als 38 Prozent der Stimmrechte bei der
Hauptversammlung am Donnerstag vertreten sein werden, könnte Thiele
allein die notwendige Zweidrittelmehrheit für den Staatseinstieg
verhindern.

Das Unternehmen hat sich nach Spohrs Worten bereits auf das mögliche
Scheitern des Rettungsplans vorbereitet. Man habe umfangreiche
Vorbereitungen getroffen, um einen abrupten Stopp des Flugbetriebs zu
verhindern, hatte er am Wochenende seiner Belegschaft schriftlich
versichert. In der verbleibenden Zeit bis zur Anmeldung einer
Insolvenz würde man dann mit der Bundesregierung weitere Optionen
besprechen.

Die Gewerkschaft Verdi warnte vor einer Ablehnung des Rettungspakets.
Der Lufthansa drohe in diesem Fall ein Insolvenzverfahren, erklärte
die stellvertretende Verdi-Vorsitzende Christine Behle. «Eine
Insolvenz würde die Beschäftigtenstrukturen der Lufthansa zerstören
und das öffentliche Vertrauen in die Lufthansa nachhaltig
beschädigen. Mit der staatlichen Hilfe können Arbeitsplätze erhalten

und Einkommen gesichert werden», betonte Behle.

Der neun Milliarden Euro umfassende Rettungsplan für die Lufthansa
sieht vor, dass der staatliche Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF)
im Zuge einer Kapitalerhöhung Aktien zeichnet, um eine Beteiligung
von 20 Prozent am Grundkapital der Fluggesellschaft aufzubauen. Zudem
sind stille Einlagen von insgesamt bis zu 5,7 Milliarden Euro sowie
ein Kredit in Höhe von bis zu 3 Milliarden Euro geplant. Im Gegenzug
für die Hilfe muss die Lufthansa 24 Start- und Landerechte an ihren
wichtigen Flughäfen in Frankfurt und München an die Konkurrenz
abgeben.

Das Ringen um Einsparungen beim Personal ging weiter. Unternehmen
sowie Vertreter der Gewerkschaften Ufo und Vereinigung Cockpit
bestätigten nur die Fortsetzung der Verhandlungen am Montag, wollten
aber keinen Zeitpunkt für eine mögliche Einigung mehr nennen.
Ursprünglich war dieser Montag als Termin avisiert worden, um die
Ergebnisse zumindest für das fliegende Personal noch vor der
Hauptversammlung präsentieren zu können. Für das Bodenpersonal
verhandelt Verdi nach eigenen Angaben erst am kommenden Freitag
weiter.

Der von der Corona-Krise hart getroffene Konzern hat wegen der
dauerhaft geringeren Nachfrage den weltweiten Personalüberhang auf
22 000 Stellen beziffert. Davon entfallen rund 11 000 Stellen auf
Deutschland. Bei den Verhandlungen sollen nun Maßnahmen vereinbart
werden, um möglichst viele Mitarbeiter an Bord zu halten. Das sind
zum Beispiel ausgeweitete Teilzeitmodelle und der Verzicht auf
Gehaltssteigerungen und Zulagen.

Die Sorgen um das Rettungspaket drückten die Anteile des
Dax-Absteigers zwischenzeitlich deutlich um bis zu 9 Prozent. Bis
Handelsschluss erholte sich der Kurs aber wieder bis auf 9,85 Euro,
was einem Minus von 3,2 Prozent entsprach. Der Konzern mit 138 000
Beschäftigten rechnet damit, dass sich die Nachfrage im Luftverkehr
nur langsam erholt. Derzeit hebt nur ein kleiner Teil der
Lufthansa-Flotte ab. Im ersten Quartal brockte die Corona-Krise dem
Konzern einen Verlust von 2,1 Milliarden Euro ein, und die
Geldreserven schwinden schnell.