Geringe Aktionärspräsenz: Lufthansa-Rettung droht zu scheitern

Mit Milliarden will die Bundesregierung die angeschlagene Lufthansa
retten. Doch die Zustimmung der Aktionäre auf der Hauptversammlung am
Donnerstag steht auf der Kippe - nur wenige nehmen ihre Stimmrechte
wahr. Nun bereitet sich die Lufthansa auf den Ernstfall vor.

Frankfurt/Main (dpa) - Die Lufthansa richtet sich angesichts einer
niedrigen Aktionärspräsenz auf der nahenden Hauptversammlung auf eine
mögliche Insolvenz ein. Denn die Zustimmung zu den neun Milliarden
Euro schweren Staatshilfen steht nach den Registrierungen der
Anteilseigener mehr denn je auf der Kippe.

«Seit heute Nacht wissen wir, dass unsere Aktionäre weniger als 38
Prozent des Kapitals für diese Hauptversammlung angemeldet haben»,
hieß es in einem Brief von Lufthansa-Chef Carsten Spohr an die
Mitarbeiter vom Sonntag, der der Deutschen Presse-Agentur vorlag.
«Damit steht fest, dass bei der Abstimmung eine Zweidrittelmehrheit
erreicht werden muss, die nach jüngsten Äußerungen von wichtigen
Aktionären insbesondere zu den Konditionen der Kapitalerhöhung nicht
sicher erscheint.»

Die Anteilseigner stimmen an diesem Donnerstag (25. Juni) auf einer
außerordentlichen Hauptversammlung über das geplante Rettungspaket
ab. Liegt die Aktionärspräsenz bei unter 50 Prozent, ist eine
Zweidrittelmehrheit der Stimmrechte nötig. Lufthansa-Großaktionär
Heinz Hermann Thiele, der zuletzt gut 15 Prozent der Anteile hielt
und die Staatshilfen skeptisch betrachtet, hatte jüngst seine
Zustimmung offen gelassen. Er sieht die vorgesehene Beteiligung des
Bundes mit 20 Prozent der Lufthansa-Anteile kritisch.

Die Lufthansa fürchtet, dass die Präsenz der Aktionäre auf der
Hauptversammlung zu niedrig ausfällt und Thiele den Rettungsplan
blockieren könnte - mit ungewissem Ausgang für die Airline bis hin zu
einer Insolvenzlösung. «Für den Fall, dass die Hauptversammlung keine

Zustimmung für die Stabilisierungsmaßnahmen des Bundes erteilt, haben
wir umfangreiche Vorbereitungen getroffen, unter anderem, um ein
Grounding zu verhindern», schrieb Spohr nun im Mitarbeiterbrief.
«Auch würden wir die verbleibende Zeit bis zur Anmeldung einer
Insolvenz nutzen, um mit der Bundesregierung Optionen zu besprechen.»

Die Lufthansa stehe «auch an diesem Wochenende und in den nächsten
Tagen» weiterhin im engen Austausch und stetigen Dialog mit der
Bundesregierung und den größten Aktionären. «Dieses mit dem klaren

Ziel, noch vor Donnerstag eine zufriedenstellende Lösung für unser
Unternehmen und alle Beteiligten zu erreichen», so Spohr.

Zuvor hatte auch die «Bild am Sonntag» von neuen Gesprächen mit dem
Bund berichtet. Großaktionär Heinz Hermann Thiele wolle am
Montagmorgen mit Finanzminister Olaf Scholz (SPD) und Lufthansa-Chef
Carsten Spohr zusammenkommen, schrieb sie.

Die Corona-Pandemie hat die Geschäfte der Lufthansa mit Ausnahme der
Fracht fast zum Erliegen gebracht. Der Konzern mit 138 000
Beschäftigten rechnet damit, dass die Erholung der Nachfrage im
Luftverkehr nur langsam verläuft. Derzeit hebt nur ein kleiner Teil
der Flotte zu Reisezielen ab, die Barreserven schwinden schnell.

«In diesem Sinne versuchen wir gemeinsam mit den Gewerkschaften in
diesen Stunden Lösungen zu finden, die uns in Kombination mit den
Stabilisierungsmaßnahmen der Regierungen erlauben, die nächsten Jahre
der Krise finanziell zu bewältigen» schrieb Spohr weiter. Die
Lufthansa ringt mit den Gewerkschaften Ufo, Vereinigung Cockpit und
Verdi um einen großen Job-Abbau. Zuletzt hatte die Lufthansa betont,
sie habe einen rechnerischen Überhang von 22 000 Vollzeitstellen.
Ergebnisse bei den Verhandlungen sollen bis diesen Montag vorliegen.

Die Airline betonte erneut, möglichst viele Beschäftigte halten zu
wollen. Zudem habe die Fluggesellschaft entschieden, erstmalig in der
Lufthansa-Geschichte die Auszahlung von Vergütungen vorzuziehen und
die Juni-Gehälter schon an diesem Montag (22. Juni) anzuweisen.