Gegen neue Corona-Welle: Luxemburg testet gesamte Bevölkerung

Luxemburg testet seine gesamte Bevölkerung auf Covid-19. Bis zu 20
000 Tests am Tag sind dazu möglich. Oberstes Ziel: Man will nahe dran
sein am Infektionsgeschehen, um einen zweiten Lockdown zu verhindern.

Luxemburg (dpa/lrs) - Luxemburg will mit flächendeckenden Tests der
gesamten Bevölkerung eine zweite Corona-Welle verhindern. Dazu seien
die Einwohner und Beschäftigten in kleine Gruppen eingeteilt worden,
deren Mitglieder abwechselnd und regelmäßig getestet werden: «Wenn es

neue Infektionen gibt, dann wissen wir sehr genau, wo es passiert und
können Ketten unterbrechen», sagte der Direktor des Luxemburger
Gesundheitsinstituts, Ulf Nehrbass, der Deutschen Presse-Agentur. An
derzeit 17 Teststationen seien pro Tag bis zu 20 000 Tests möglich.

Luxemburg sei das erste europäische Land, dass Tests auf Covid-19
derart umfassend anbiete, sagte Nehrbass. Derzeit seien bereits zehn
Prozent der gut 600 000 Einwohner plus 300 000 Grenzgänger
«durchgetestet». Für die Testungen von Anfang Mai bis Ende Juli
stehen rund 30 Millionen Euro bereit. «Es wäre gut, wenn die Tests
auch danach weiter gehen», sagte Nehrbass, der auch Sprecher der
Covid-19 Task Force in Luxemburg ist. Die zweite Welle werde im
Herbst erwartet. «Und da sollten wir bereit sein.»

Bei dem Testverfahren («Large-Scale Testing») liege der Fokus
zunächst auf Menschen, die bei ihrer Arbeit viel Kontakt haben - also
im Gastgewerbe, bei der Polizei, bei Krankenpflegern und Ärzten. «Da
wissen wir, dass ein sehr hohes Risiko besteht, sich anzustecken und
auch wieder ansteckend zu sein.» Alle Menschen dort würden alle zwei
Wochen getestet. Weil aber in den einzelnen Testgruppen fast täglich
jemand anderes getestet werde, habe man ständig einen guten Überblick
über das aktuelle Infektionsgeschehen, sagte Nehrbass.

Diese «virtuellen Testzellen», die jeweils zwei, fünf oder zehn
Personen umfassen könnten, seien wie ein «engmaschiges Netz, das über

den Arbeitssektor und über die Bevölkerung ausgelegt wird». Das sei
nach dem Ende des Lockdowns wichtig: «Damit das soziale Leben wieder
beginnen kann, damit ein höheres Gefühl an Sicherheit, auch de facto
eine höhere Sicherheit vorliegt.» Und: Die «Maschengröße» des N
etzes
könne bei neuem Infektionsgeschehen variiert werden. «Wir wollen
alles tun, um einen zweiten Lockdown zu verhindern.»

Die Tests sind alle freiwillig. Der Bevölkerung musste anfangs zum
Beispiel erklärt werden, warum nicht alle Mitglieder einer Familie
auf einmal eingeladen wurden: Einmal sollte der Sohn kommen, in der
nächsten Woche die Mutter - und so weiter. «Das zieht sich über weite

Zeiträume hin. Weil es natürlich auch wenig Sinn macht, eine Familie
auf einmal zu testen», sagte Nehrbass vom Luxembourg Institute of
Health. Nun merke man aber: Die Teilnahme an den Testungen nehme
stark zu.

Grenzgänger aus Deutschland, Frankreich und Belgien erhielten ihre
Einladungen per Post, sagte Nehrbass, der in Kanzem an der Saar
aufgewachsen ist. Mit einem Code könnten sie sich eintragen, zu einer
Teststation fahren, einen Rachenabstrich machen und innerhalb von 48
Stunden hätten sie ihr Ergebnis. Die Kosten bei einem Lockdown werden
pro Luxemburger und Monat auf 3000 Euro geschätzt. Ein Test liegt bei
30 Euro. «Ökonomisch ist das durchaus sinnvoll.»

Ob das Verfahren auch auf größere Länder übertragbar sei, konnte
Nehrbass nicht sagen. «Der logistische Aufbau ist sehr aufwendig.»
Wenn es machbar wäre, sei es aber «sicher eine gute Idee». Alle
stellten sich ja die Frage, wie lange man noch mit diesem Virus leben
müsse. Absehbar sei das noch nicht. «Und deswegen ist das hier
wahrscheinlich eine Lösung, die über einen langen Zeitraum eine
gewisse Stabilität bietet, die es ermöglicht, wieder am ganz normalen
Leben und Erwerbsleben teilzunehmen.»

Bislang beläuft sich die Zahl der auf Covid-19 getesteten Personen in
Luxemburg auf knapp 4100. In Verbindung mit dem Virus sind 110
Menschen gestorben.