Nach Hochkonjunktur jetzt Krise im Thüringer Handwerk

Mit gefüllten Auftragsbüchern und der Hoffnung auf ein weiteres gutes
Jahr ist Thüringens Handwerk 2020 gestartet. Inzwischen herrscht
große Verunsicherung - eine Vollbremsung droht.

Erfurt (dpa/th) - Etwa jeder zweite Handwerksbetrieb in Thüringen
kämpft mit der Stornierung von Aufträgen. Drei von vier Betrieben
hätten durch die Corona-Krise bereits Umsatzausfälle, andere
rechneten damit, sagte der Geschäftsführer des Thüringer
Handwerkstags, Thomas Malcherek, der Deutschen Presse-Agentur in
Erfurt. Das habe eine Umfrage ergeben. «Es gibt eine große
Verunsicherung im Handwerk. Für einige Betriebe, beispielsweise
Friseure oder Bäckereien mit Cafes, könnte die Situation
existenzbedrohend sein.»

Selbst das Bau- und Ausbauhandwerk erwarte Umsatzeinbußen, weil sich
private Auftraggeber zurückhielten, Mitarbeiter fehlten oder es
Engpässe bei bestimmten Materialien geben könnte. «Ein Einfrieren der

Wirtschaft bis in den Frühsommer würde erhebliche Probleme bringen»,

sagte Malcherek.

Nach seiner Schätzung wurden inzwischen von Handwerksbetrieben weit
über 4000 Anträge auf Soforthilfe von Land oder Bund gestellt. Etwa
60 Prozent der Betriebe hielten laut Umfrage Kurzarbeit für ein
Mittel, um die Krise zu überbrücken. Kurzarbeitsanzeigen würden bei
den Arbeitsagenturen gestellt.

Probleme hätten auch Bereiche, bei denen das so nicht erwartbar sei,
so der Kammer-Geschäftsführer. Dazu gehörten einige Gesundheitsberufe

wie Hörgeräteakustiker oder Kfz-Werkstätten. Selbst Monteure hätten

es inzwischen schwer, weil Kunden Aufträge und vereinbarte Termine
aus Sorge vor einer möglichen Ansteckungsgefahr vertagen würden.

Immerhin gingen größere Bauprojekte weiter. Hier stelle sich
allerdings die Frage, ob genug neue Projekte ausgeschrieben und von
den Verwaltungen entsprechende Baugenehmigungen erteilt würden, sagte
der Kammergeschäftsführer. «Das könnte im April und Mai ein Thema
werden.»

Dabei waren Thüringens Handwerker mit gut gefüllten Auftragsbüchern
und Optimismus ins Jahr 2020 gestartet. Betriebe vor allem im
Bauhandwerk sowie den Bereichen Elektro sowie Heizung/Sanitär
arbeiteten an der Kapazitätsgrenze - Kunden mussten auf Handwerker
warten.

Malcherek forderte die Politik auf, bereits über die Zeit nach den
Einschränkungen nachzudenken, mit denen derzeit die Zahl der
Corona-Infektionen eingedämmt werden soll. «Dann muss es neue
Programme geben, die einen Neustart der Wirtschaft ermöglichen.»
Dabei gehe es vor allem um eine Überbrückung der Zeit, bis die
Betriebe wieder liefen und genug Geld verdienten, um ihre Kosten zu
decken.

Das Handwerk ist in Thüringen mit knapp 30 000 Betrieben und rund 150
000 Beschäftigten ein wichtiger Wirtschaftsfaktor. Der Jahresumsatz
lag bisher bei rund elf Milliarden Euro.