Papst hinter Glaswand? - Der Vatikan in der Corona-Krise Von Annette Reuther, dpa

Im Vatikan wohnen vor allem ältere Männer. Auch Papst Franziskus und
Ex-Papst Benedikt zählen zur Hochrisikogruppe für das Coronavirus.
Doch der Kirchenstaat gibt sich noch zugeknöpfter als normalerweise.
Muss der Pontifex bald umziehen?

Rom (dpa) - Für Papst Franziskus muss es eine Qual sein. Er, der so
gerne ein Bad in der Menge nimmt. Der gerne Nähe zum Volk zeigt. Auch
er muss jetzt Abstand halten. Seit Italien abgeriegelt ist, ist auch
der Vatikan dicht. Zwar hat der kleinste Staat der Welt nur rund 900
Einwohner. Aber hier gehen Kirchenvertreter aus aller Welt ein und
aus, der Petersplatz und die Vatikanischen Museen mit der
Sixtinischen Kapelle sind Magnet für Millionen Touristen aus aller
Welt.

Dort ist nun auch alles gesperrt, es herrscht Leere. Auch das
anstehende Osterfest, mit Weihnachten das wichtigste Fest der
katholischen Kirche, wird ohne Gläubige gefeiert. Die spektakuläre
Karfreitagsprozession am Kolosseum in Rom entfällt. Das Bild des
Papstes, wie er letzte Woche ganz alleine am Petersdom den
Sondersegen Urbi et Orbi sprach und der Regen über Rom fiel, wird
auch Nicht-Gläubigen als Symbol dieser Zeit im Gedächtnis bleiben.
Doch so ganz hält sich Franziskus nicht an die sozialen
Abstandsregeln, die in Italien gelten. Er empfängt immer noch Gäste
und schüttelt dabei angeblich auch noch die Hände.

«Weder Papst Franziskus noch seine engsten Mitarbeiter tragen eine
Gesichtsmaske», sagte Mario Galgano von der deutschen Redaktion bei
der vatikanischen Medienplattform Vaticannews. Die päpstliche
Schutztruppe der Schweizergarde achte aber auf die nötigen
Sicherheitsabstände.

Die Sorge ist groß, dass das Virus auch im Vatikan um sich greift.
Der größte Teil der Bewohner ist männlich und älter - also die
Risikogruppe, für die das Virus gefährlich werden kann. Und Italien
hat mit rund 12 000 Toten so viele wie kein anderes Land der Welt.

«Ich möchte nicht alarmistisch werden, aber meiner Meinung nach wäre

es sicherer, wenn man den Papst wirksam schützen will, dass er durch
eine Glaswand mit einem Mikrofon mit den Besuchern spricht, so wie es
in einigen Banken geschieht», sagte Vatikan-Buchautor («Das
Franziskus-Komplott») Marco Politi. «Für Franziskus ist es
schrecklich, nicht die Möglichkeit zu haben, direkt und frei mit
Menschen zu kommunizieren. Sein ganzes Pontifikat basiert weitgehend
auf seinen Worten, seinen Gesten, den «Symbolen», die er im Kontakt
mit den Menschen überträgt.»

Franziskus selbst sprach von sich wie in einem «Käfig», als er das
erste Mal via Videostream das Angelusgebet verlas, das jeden Sonntag
stattfindet. Generalaudienzen und die Morgenmesse kann man nun via
Internet verfolgen.

Zwar ist der 83 Jahre alte Papst fit. Aber weil ihm in jungen Jahren
ein Teil eines Lungenflügels entfernt wurde, gibt es die berechtigte
Sorge, dass ihn die Lungenkrankheit Covid-19 besonders hart treffen
könnte. Zumal sich Fälle in seinem Umfeld häufen.

Der Vatikan brauchte aber mehr als einen Monat nach dem Bekanntwerden
des Ausbruchs in Italien Ende Februar, bis er verklausuliert zu
verstehen gab: Der Papst ist negativ auf das Virus getestet worden.
Dazwischen lagen quälende Spekulationen über den Gesundheitszustand
der Argentiniers. Zumal er Anfang März an einer Erkältung litt und
sogar die Fastenexerzitien absagen musste. Eine schlechtere Zeit zum
Husten konnte sich Franziskus vermutlich nicht aussuchen.

Der erste Corona-Fall im Vatikan wurde Anfang März bekannt, ein
Teilnehmer einer Konferenz zum Thema Künstliche Intelligenz. Seitdem
wurden mindestens sechs andere positiv getestet. Darunter ist auch
ein Mitarbeiter des Staatssekretariats - also der obersten
«Regierungsbehörde» der katholischen Kirche -, der im selben Gebäud
e
wie Franziskus wohnt. Die Casa Santa Marta ist das Gästehaus des
Vatikans und nicht so hermetisch abzuriegeln wie der Apostolische
Palast, in dem Franziskus Vorgänger lebten.

«Aber es ist für ihn eine kritische Situation, was seine
Lebenssituation angeht», sagte Vatikanexperte Ulrich Nersinger dem
Domradio. Eine Option sei, dass Franziskus in den Apostolischen
Palast umzieht. «Dann ist er in einem Gebäude, das ihn mehr schützt.

Es gibt dort große, weitläufige Räume, und er ist dort weniger Leuten

ausgesetzt. Vielleicht muss man den Heiligen Vater noch überzeugen.»

Diese Woche kam der erste angesteckte Kardinal dazu: der
Stellvertreter des Papstes als Bischof von Rom. Er soll aber keinen
Kontakt zu Franziskus gehabt haben. Der Vatikan hat mittlerweile
weitestgehend auf Homeoffice umgestellt. Aber an einem Ort, wo man
oft noch mit Fax oder Brief kommuniziert, kann man sich die
Schwierigkeit damit vorstellen. Andere gehen auch weiter in die
Kurienbehörden.

Und dann ist da noch der emeritierte Papst Benedikt. Der feiert am
16. April seinen 93. Geburtstag. «Es wird ein stiller Tag werden ohne
irgendwelche Feierlichkeiten», sagte sein Privatsekretär Georg
Gänswein der Deutschen Presse-Agentur. «Delegationen» oder ähnliche
s
aus der Heimat werde er nicht empfangen. Benedikt gehe es aber in
seinem Kloster Mater Ecclesiae im Vatikan gottlob gut. «Wir leben wie
in einer strengen Klausur. Besuche gibt es keine, und wir machen auch
keine. Das lassen, wie alle wissen, die entsprechenden Auflagen, an
die wir uns natürlich halten, nicht zu.»