Coronavirus trifft zunehmend Senioren im Pflegeheim

Während die Landesregierung einen Schutzschirm auch für die Kommunen
vorbereitet und ein Epidemie-Gesetz durch den Landtag bringen will,
geraten in der Corona-Krise immer mehr Pflegeheime in den Blickpunkt.

Düsseldorf (dpa/lnw) - Das Coronavirus bedroht in Nordrhein-Westfalen
zunehmend sehr alte Menschen in Pflegeheimen. Laut
NRW-Gesundheitsministerium waren in stationären Pflegeeinrichtungen
Stand Montagabend 268 Bewohner mit dem Virus infiziert. Mindestens 29
Menschen starben. Die Branche ist alarmiert, weil die Zahl der
Betroffenen unter den hochbetagten Bewohnern nach oben geht.

Allein im Heinrich-König-Seniorenzentrum in Bochum hat eine
Infektionswelle fünf Menschen das Leben gekostet. Die Awo-Einrichtung
mit ihren 100 Bewohnern steht unter Quarantäne, zehn weitere
Bewohner, die positiv auf das Virus getestet wurden, sind in einem
gesonderten Bereich unterbracht, wie eine Sprecherin der Awo
Westliches Westfalen mitteilte. Alle Bewohner dürfen ihre Zimmer
nicht mehr verlassen: «Vor allem die Menschen, die nicht dement oder
bettlägerig sind, leiden unter der Situation», so die Sprecherin.

Der Kreis Viersen berichtete von einem zweiten Toten nach
Corona-Infektion in einem Heim in Niederkrüchten, in dem allein 27
Bewohner und neun Mitarbeiter infiziert seien.

Währenddessen will die NRW-Landesregierung ihren Kommunen bei der
finanziellen Bewältigung der Corona-Krise helfen und gleichzeitig ein
Epidemie-Gesetz möglichst schnell durch den Landtag bringen -
allerdings nur mit den Stimmen auch der Opposition und nicht im
Eilverfahren, wie ein Landtagssprecher am Dienstag mitteilte. Am
Mittwoch soll das Parlament, anders als von der Landesregierung
ursprünglich geplant, den Gesetzentwurf nur in erster Lesung
behandeln. Die zweite Lesung sei dann für Donnerstag kommender Woche
(9. April) geplant, wofür eine zusätzliche Plenarsitzung einberufen
werden soll.

Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) beruhigte am Dienstag Kritiker
des Gesetzes, die Maßnahmen wie Zwangsverpflichtungen von Ärzten und
Beschlagnahmungen von Material als zu drastisch ansehen. Ähnliche
Gesetze seien im Bundestag, Bundesrat und bayerischem Landtag
verabschiedet worden, «und zwar auch mit Stimmen der
Oppositionsparteien», sagte der CDU-Politiker. «Mit mir wird es in
dieser Situation kein Gesetz ohne die Opposition geben.» Klar sei,
dass «alles am Ende befristet sein muss» nur für die Corona-Notlage,

es gehe nicht um die Umstrukturierung des Gesundheitssystems.

Für die Entlastung der Kommunen will das Landeskabinett ein
«Kommunalschutzpaket» erarbeiten. Demnach sollen auch die Gemeinden
und Gemeindeverbände Finanzmittel aus dem 25 Milliarden Euro
umfassenden Rettungsschirm des Landes erhalten können. Darüber hinaus
soll geprüft werden, ob öffentliche Krankenhäuser und
Verkehrsgesellschaften in öffentlicher Hand - etwa Flughäfen, Häfen,

Bus- und Bahngesellschaften - Zugang zu europarechtlichen Beihilfen
wie Bürgschaften und günstigen Darlehen erhalten können.

Zudem sollen finanzschwache Kommunen im Landesprogramm
«Stärkungspakt» besonders unterstützt werden, damit konjunkturelle

Einbrüche infolge der Corona-Krise nicht bisher erreichte
Haushaltskonsolidierungen gefährden oder sogar zunichte machen.

Die Zahl der nachgewiesenen Corona-Infektionen in NRW ist nach
Angaben des Gesundheitsministeriums binnen eines Tages um gut 800
gestiegen. Der Dienstag ist damit der dritte Tag in Folge, an dem die
Zahl der Neuinfektionen unter der Tausender-Marke blieb. Von Freitag
auf Samstag hatte sich Zahl noch um gut 1200 erhöht. Seitdem steigt
die Zahl der Corona-Infizierten weniger schnell.

In NRW waren am Dienstag (16.00 Uhr) 15 251 Menschen mit dem
Coronavirus infiziert. Am Montag (16.00 Uhr) waren es 14 442
Menschen. Die Zahl der verstorbenen Menschen erhöhte sich am Dienstag
um 18 auf 148.

Laschet und Bundesgesundheitsminister Jens Spahn informierten sich am
Dienstagmittag im Universitätsklinikum Düsseldorf über die aktuelle
Situation in der Corona-Krise. Die CDU-Politiker trafen Beschäftigte
der Uniklinik und Studenten, die sich freiwillig zur Unterstützung
gemeldet haben. Bei den Gesprächen ging um die «besonderen
Herausforderungen» in der Corona-Krise. Am Nachmittag informierten
Spahn und Laschet im Anschluss an die Sitzung des Landeskabinetts
über die aktuelle Lage und die Zusammenarbeit von Bund und Ländern in
der Corona-Pandemie.

Rund 45 Prozent der bestehenden Intensivbetten in Deutschland sind
nach Angaben von Spahn derzeit frei für die Behandlung von
Coronavirus-Patienten. Diese freien Kapazitäten seien etwa durch die
Verschiebung von planbaren Operationen geschaffen worden.

Im Kampf gegen die Ausbreitung des Coronavirus hat Spahn in
Düsseldorf eine konsequente Suche nach Kontaktpersonen von
Infizierten gefordert. Diese Suche sei digital «viel einfacher» zu
leisten als händisch mit vielem Hinterhertelefonieren, sagte Spahn.
Solange es keine Therapie und keinen Impfstoff gebe, werde man das
Coronavirus nur im Griff behalten können, wenn es gelinge, die
Kontakte von Infizierten «sehr, sehr schnell» zu identifizieren und
diese Menschen aufzufordern, zuhause zu bleiben.