Profi-Fußball kämpft mit Vier-Punkte-Plan gegen die Corona-Krise Von Eric Dobias und Jan Mies, dpa

Im deutschen Fußball wird bis mindestens zum 30. April nicht
gespielt. Um die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie
abzufedern, beschließt die DFL erste Maßnahmen zum Schutz der
Vereine.

Frankfurt/Main (dpa/lby) - DFL-Boss Christian Seifert strahlte zarte
Zuversicht aus, als er ein Vier-Punkte-Sofortprogramm des deutschen
Profi-Fußballs gegen die Folgen der Corona-Krise vorstellte. «Wir
arbeiten alle mit Hochdruck darauf hin, den Fußball durch diese Phase
zu bringen», sagte Seifert am Dienstag nach der ersten virtuellen
Mitgliederversammlung in der Geschichte der Deutschen Fußball Liga.
«Wenn der Zeitpunkt da ist, werden wir bereit sein.»

Bei der rund dreieinhalbstündigen Videokonferenz entwarfen die Bosse
der 36 Erst- und Zweitligisten neben einem ersten Maßnahmenkatalog
auch Szenarien für eine Fortsetzung der bis mindestens 30. April
unterbrochenen Saison in der 1. und 2. Bundesliga.

Oberstes Ziel bleibt der Abschluss der Spielzeit 2019/20 bis zum 30.
Juni. «Wenn die Saison abgebrochen werden muss, werden alle Vereine
finanziell leiden», mahnte Bayern Münchens Vorstandschef Karl-Heinz
Rummenigge beim TV-Sender Sky Sport News HD. In den beiden
Bundesligen stehen noch 163 Partien aus. Rummenigge sei «Optimist,
dass wir alle hoffentlich mit einem blauen Auge aus dieser
Problematik herauskommen.»

Um einen kurzfristigen Kollaps der Branche zu verhindern, traf die
Mitgliederversammlung zunächst vier «wesentliche Entscheidungen».
Neben der weiteren Aussetzung des Spielbetriebes soll bis zum 5.
April das Mannschaftstraining unterbleiben. «Gleichzeitig entwickeln
wir für alle 36 Standorte des Profifußballs Produktionskonzepte
dafür, wie sich mit geringstmöglichem Personaleinsatz vorübergehend
auch Spiele ohne Anwesenheit von Zuschauern durchführen lassen»,
berichtete Seifert.

Zudem wurde eine medizinische Taskforce eingerichtet und ein
«weiteres Bündel an Maßnahmen» beschlossen, das die Clubs beim
Lizenzierungsverfahren entlasten soll. So gibt es im Falle von
Insolvenzanträgen in dieser Saison keine Sanktionen. Der in den
Statuten dafür vorgesehene Neun-Punkte-Abzug wird ausgesetzt und für
die kommende Spielzeit auf drei Punkte reduziert.

Auf die übliche Überprüfung der Liquidität der Vereine wird vorerst

verzichtet. Erst im September soll das normale Lizenzierungsverfahren
wieder anlaufen. Bei der von den Vereinen an die DFL gelieferten
Bestandsaufnahme sei «klar geworden, dass einige Clubs im Mai oder
Juni in eine existenzbedrohende Situation geraten könnten, wenn die
Saison nicht zu Ende gespielt wird und die TV-Gelder nicht fließen»,
sagte Seifert.

Deshalb wurde in großer Runde über Pläne und Denkmodelle nachgedacht.

Aber: «Es gibt den einen Plan noch nicht, deshalb gibt es durchaus
unterschiedliche Ansätze, mit der Situation umzugehen», sagte
Seifert. «Wir behalten uns vor, unsere Taktik wie im Spiel
anzupassen.» Die von mehreren Medien aufgebrachten Szenarien,
beispielsweise an nur wenigen Standorten zu spielen, seien «keine
Pläne, mit denen ich mich bisher befasst habe». Die nächste
Mitgliederversammlung soll am 17. April einberufen werden.

Klar ist bereits: Bei einem Komplett-Abbruch droht der Bundesliga ein
finanzieller Verlust in Höhe von rund 750 Millionen Euro. Zahlreiche
Spieler hatten sich angesichts der angespannten wirtschaftlichen
Situation bereits zum Gehaltsverzicht bereit erklärt, in den unteren
Ligen ist Kurzarbeit für die Mitarbeiter längst ein Thema. Insgesamt
werden im Fußball-Geschäft mehrere Zehntausend Menschen beschäftigt.


Nach Ansicht von Seifert wird der Profi-Fußball einen langen Atem bei
der Bewältigung der Corona-Krise benötigen und sich über diese Saison

hinaus auf mögliche Geisterspiele einstellen müssen. «Mindestens bis

zum Ende der Saison ist es unrealistisch, davon auszugehen, dass wir
nochmal vor vollen Stadien spielen», sagte der 50 Jahre alte
DFL-Geschäftsführer. «Was nicht heißt, dass es realistisch ist, das
s
wir im August vor vollen Stadien wieder anfangen.» Aus diesem Grund
müsse ein mittelfristiger Entfall von Zuschauereinnahmen
einkalkuliert werden, «vielleicht auch bis zum Ende des Jahres», so
Seifert.

Angesichts der massiven Einschränkungen durch die Pandemie rechnet er
für die kommende Saison mit erheblichen Spielplanänderungen und
schließt auch Europapokalspiele am Wochenende offenbar nicht mehr
aus. Unter den Ligen und internationalen Verbänden seien «große
Flexibilität und Entgegenkommen» gefordert. Jeder müsse «die eine
oder andere Kröte schlucken», meinte Seifert und prophezeite: «Eine
geregelte Saison wird es erst wieder 2021/22 geben.» Daher sei auch
über ein verändertes Transferfenster im Sommer zu sprechen.

In diesem Zusammenhang lobte Seifert ausdrücklich die spürbare
Solidarität im deutschen Profi-Fußball. Er habe bei der
Mitgliederversammlung eine hohe Fokussierung und große Rückendeckung
gespürt. Das gebe Hoffnung und Zuversicht. «Die Liga stand nie enger
zusammen als in diesen Tagen», befand der Spitzenmanager und fügte
hinzu: «Ich wünsche mir, dass dies noch lange so bleibt.»