Debatte über Mundschutzpflicht - Söder und Scholz im Moment dagegen

Nach Österreich plant auch die Stadt Jena in Thüringen eine
allgemeine Mundschutzpflicht. Bayerns Regierungschef lehnt dies
aktuell ab - schließt es aber auch nicht aus. Die Debatte läuft.

München (dpa/lby) - Die Diskussion über eine Mundschutzpflicht
gewinnt an Fahrt. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) und
Vizekanzler Olaf Scholz (SPD) sprachen sich am Dienstag zwar
jedenfalls im Moment gegen eine solche allgemeine Pflicht aus - Söder
schloss dies aber erneut nicht aus. Der bayerische Einzelhandel hält
eine Mundschutzpflicht in Supermärkten wie in Österreich für «derze
it
nicht nötig». Die FDP plädierte dagegen dafür, Läden wieder die
Öffnung zu erlauben, wenn jeder Kunde einen Mund-Nasen-Schutz trägt.

Scholz sagte nach Beratungen mit dem bayerischen Kabinett in München,
man habe weitreichende Maßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus
beschlossen. Nun müsse man erst einmal dafür Sorge tragen, dass diese
Maßnahmen eingehalten werden und wirken. Die Masken, die man jetzt
brauche, seien für all diejenigen, die etwa im medizinischen und
anderen kritischen Bereichen arbeiteten, betonte der SPD-Politiker.

Söder sagte zu einer möglichen Mundschutzpflicht für Supermärkte wi
e
jetzt in Österreich erneut: «Man kann nichts ausschließen.» Es kö
nne
sich noch alles entwickeln. Es sei aber nun wichtig, Geduld zu
bewahren und alles zu tun, um soziale Kontakte zu reduzieren.

Die thüringische Großstadt Jena plant im Kampf gegen die
Coronavirus-Pandemie bereits jetzt eine Maskenpflicht. Nach Angaben
der Stadtverwaltung soll das Tragen eines Mund-und-Nasen-Schutzes in
Verkaufsstellen, dem öffentlichen Nahverkehr und Gebäuden mit
Publikumsverkehr «in einer Woche» verpflichtend sein. Am Montag hatte
die Regierung in Österreich eine Mundschutzpflicht etwa für Einkäufe

in Supermärkten angekündigt. Dabei ist der Nutzen umstritten: Die
Weltgesundheitsorganisation sieht keinen Nutzen im allgemeinen
Mundschutz-Tragen. Vielmehr gebe es Risiken, wenn Menschen die Masken
falsch abnähmen und sich dabei womöglich infizierten.

Bei guten Masken herrsche im Moment ein echter Engpass, sagte Söder,
er sprach sogar von einem «Notstand». Diese Masken brauche man jetzt
erst einmal für Ärzte, Krankenhäuser, Pflegeheime. In der ARD
forderte er eine «nationale Notfallproduktion» von Schutzmasken. «Was

wir dringend brauchen sind mehr Masken, und zwar die hochwertigen
Masken für unser gesamtes Personal in den Krankenhäusern und
Arztpraxen.» Die deutsche Wirtschaft müsse jetzt darauf umstellen.

Auch Scholz sagte: «Wir brauchen hierzulande eigene Produktionen, die
wir jedenfalls für diese Zeit auf den Weg bringen müssen.» Es gebe
eine ganze Reihe von Herstellern, die zur Maskenproduktion bereit
seien. «Das kann jetzt ganz schnell geschehen, und wir sind dabei,
das mit großem Nachdruck umzusetzen.» Im Gegenzug gebe der Bund
«Finanzzusagen, die erforderlich sind, damit Unternehmen jetzt
gewissermaßen in das Risiko gehen, ihre Produktion umstellen und
Dinge herstellen, die sie vielleicht nicht ewig herstellen werden».

Der Präsident der Bayerischen Landesärztekammer, Gerald Quitterer,
mahnte, man brauche dringend Schutzausrüstung für Ärzte und
medizinisches Personal in ausreichender Stückzahl. Erst dann könne
darüber nachgedacht werden, eine generelle Maskenpflicht einzuführen.

Söder sagte mit Blick auf den einfacheren Mund-Nasen-Schutz, jeder,
der ganz einfache Schutzmöglichkeiten ergreifen wolle, solle dies
tun, das sei auch gut. Der Regierungschef plädierte dafür, dass dies
unter anderem dort von Arbeitgebern in Betracht gezogen werden
sollte, wo Mitarbeiter auf engem Raum zusammenarbeiten müssen.

Vom bayerischen Einzelhandel hieß es derweil, die allermeisten Kunden
hielten sich beim Einkauf «vorbildlich» an die Abstandsregelungen.
Eine allgemeine Mundschutzpflicht sei derzeit nicht nötig, sagte der
Geschäftsführer des Handelsverbands Bayern, Bernd Ohlmann, am
Dienstag. Zudem seien in vielen Supermärkten weitere Maßnahmen
umgesetzt worden. Man bemühe sich um größtmöglichen Schutz für Ku
nden
und Mitarbeiter. «Das Thema Mundschutz steht für uns im Moment nicht
auf der Tagesordnung.»

Die Lebensmittelmärkte verfügten im Moment auch gar nicht über die
nötigen Bestände. Wolle man neben dem Personal auch die Kunden
versorgen, brauche man Millionen zertifizierte Mundschutze. Zudem
habe hier der Bedarf aus dem medizinischen Bereich natürlich Vorrang.

Für den Einsatz von Mundschutzen sprach sich der FDP-Fraktionschef im
Landtag, Martin Hagen, aus. «Wir könnten jedem Laden erlauben zu
öffnen, wenn er sicherstellt, dass alle Kunden Mundschutz tragen»,
sagte er. Dies könne ab sofort geschehen. Im Gegensatz zu den
richtigen Schutzmasken, um die es im medizinischen Bereich gehe, sei
im Alltag ein einfacher Mund-Nasen-Schutz ausreichend. Das könne auch
ein Schal sein. Damit würden andere vor der Gefahr von
Tröpfcheninfektionen geschützt, wenn man etwa plötzlich husten müss
e.

Der Handelsverband reagierte zurückhaltend. Natürlich würde man sich

wünschen, dass die Geschäfte wieder öffnen könnten. Schließlich
verliere der Handel jenseits des Lebensmittelbereichs jeden Tag 185
Millionen Euro an Umsatz. Dass der Vorschlag aber Politik, Ärzte und
Virologen überzeuge, halte man derzeit nicht für realistisch.

In Bayern müssen derzeit alle Geschäfte abseits der täglichen
Grundversorgung geschlossen bleiben. Die Frist wurde nun bis zum Ende
der Osterferien verlängert, also bis einschließlich 19. April.