Schwere Rezession vorhergesagt - weiter Debatte über Ausstieg

Dass die Corona-Krise tiefe Spuren in der deutschen Wirtschaft
hinterlassen wird, ist klar. Nun sagen die «Wirtschaftsweisen»: Es
wird eine schwere Rezession kommen.

Berlin (dpa) - Die deutsche Wirtschaft wird infolge der Corona-Krise
nach Einschätzung des Sachverständigenrats deutlich einbrechen. Die
«Wirtschaftsweisen» sagen im günstigsten Fall ein Minus von 2,8
Prozent beim Bruttoinlandsprodukt in diesem Jahr voraus. Während die
Infektions- und Todeszahlen auch in Deutschland weiter steigen, hält
die Debatte über einen Ausstieg aus den Beschränkungen des
Alltagslebens an. Allerdings kündigte Bayerns Ministerpräsident
Markus Söder (CSU) am Montag für sein Land eine Verlängerung der
Maßnahmen bis nach Ostern an.

SCHWERE REZESSION DURCH CORONA-KRISE VORHERGESAGT

Die «Wirtschaftsweisen» halten eine schwere Rezession in Deutschland
durch die Folgen der Coronavirus-Krise für unvermeidbar. Die deutsche
Wirtschaft werde 2020 deutlich schrumpfen, heißt es in einem am
Montag vorgelegten Sondergutachten des Sachverständigenrates zur
Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung. Wie schlimm es
genau kommt, sei derzeit wegen großer Unsicherheiten unklar. Als
derzeit wahrscheinlichste Entwicklung sehen die Ökonomen eine
Normalisierung der wirtschaftlichen Lage über den Sommer, so dass das
Bruttoinlandsprodukt (BIP) unter dem Strich in diesem Jahr um 2,8
Prozent schrumpft. Zum Vergleich: 2009 war die größte europäische
Volkswirtschaft in der globalen Finanzkrise um 5,7 Prozent
eingebrochen.

STARKER ANSTIEG DER KURZARBEIT BEFÜRCHTET

Die deutsche Industrie steht laut einer Umfrage des Ifo-Instituts
wegen der Corona-Krise vor einem drastischen Anstieg der Kurzarbeit.
In den kommenden drei Monaten erwarten 25,6 Prozent der befragten
Unternehmen Kurzarbeit, wie das Institut am Montag in München
mitteilte. Dies sei der höchste Wert seit 2010. Vor drei Monaten habe
der Wert nur bei 15,3 Prozent gelegen. An der Umfrage nahmen 2000
Industrieunternehmen teil. Mit Quoten zwischen 30 und 40 Prozent
überdurchschnittlich betroffen von den wirtschaftlichen Auswirkungen
der Pandemie sind demnach Schlüsselbranchen wie die Automobil- und
die Elektroindustrie, sowie der Maschinenbau.

INFEKTIONS- UND TODESZAHLEN STEIGEN WEITER

In Deutschland sind bis Montagvormittag 59 268 Infektionen mit dem
neuen Coronavirus registriert worden. Das geht aus einer Auswertung
der Deutschen Presse-Agentur hervor, die die gemeldeten Zahlen der
Bundesländer berücksichtigt. Besonders hohe Zahlen haben
Nordrhein-Westfalen mit 14 219 nachgewiesenen Fällen und 125 Toten
und Bayern mit 13 263 Fällen und 110 Toten. Gerechnet auf 100 000
Einwohner verzeichnet Hamburg mit einem Wert von 112,9 die meisten
Infektionen. Im Bundesschnitt waren es 71,3. Mindestens 472 mit
Sars-CoV-2 Infizierte sind den Angaben zufolge bislang bundesweit
gestorben.

CDU-PRÄSIDIUM GEGEN DEBATTE ÜBER ENDE DER CORONA-MAßNAHMEN

Die CDU-Spitze hat davor gewarnt, jetzt über die Beendigung der
Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Coronavirus in Deutschland zu
diskutieren. CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer sagte am Montag
nach Angaben aus Parteikreisen in einer Schaltkonferenz mit dem
Parteipräsidium, das Virus habe «ganz Europa und die Welt fest im
Griff». Erst wenn die Zeit der Verdopplung der Zahl der Infizierten
bei zehn Tagen sei, wäre man auf dem richtigen Weg. Bayerns
Ministerpräsident Markus Söder (CSU) kündigte an, dass die bisher bis

zum 3. April geltenden Beschränkungen bis zum Ende der Osterferien am
19. April im Freistaat verlängert werden.

RUND 175 000 DEUTSCHE AUS AUSLAND ZURÜCKGEHOLT

Von den etwa 200 000 wegen der Corona-Krise im Ausland gestrandeten
Deutschen sind 175 000 wieder zu Hause. «Diejenigen, die noch im
Ausland sind, bitten wir weiter um Geduld», schrieb Außenminister
Heiko Maas (SPD) am Montag auf Twitter. Er hatte vor zwei Wochen eine
Rückholaktion gestartet, um zusammen mit Reiseveranstaltern und der
Lufthansa deutsche Reisende aus den Ländern zurückzuholen, aus denen
es keine regulären Flüge mehr gibt. Vom Auswärtigen Amt gechartete
Flugzeuge absolvierten inzwischen 145 Sonderflüge. Probleme bereitet
derzeit vor allem Neuseeland, wo noch mehr als 10 000 Deutsche
festsitzen.

ÄRZTEGEWERKSCHAFT SIEHT MOMENTAN NOCH KLINIKKAPAZITÄTEN

Die Ärztegewerkschaft Marburger Bund sieht Deutschland in der
Corona-Krise noch deutlich entfernt von Zuständen wie in Italien oder
Spanien. «Wir haben zurzeit noch Intensivkapazitäten und auch
reichlich Kapazitäten auf den Normalstationen», sagte die Vorsitzende
Susanne Johna dem Sender SWR2. Wenn die Zahlen jedoch unvermindert
weiter ansteigen sollten, dann seien auch die Kapazitäten in
Deutschland irgendwann ausgeschöpft. Probleme sieht Johna derzeit vor
allem bei Schutzkleidung. Die Lösung sei, dass die Schutzkleidung in
Deutschland produziert werde.

NEUER TERMIN FÜR OLYMPIA

Eine Entscheidung über einen neuen Termin für die Olympischen Spiele
in Tokio im kommenden Jahr könnte bald fallen. Der Präsident des
Organisationskomitees der Olympischen Spiele, Yoshiro Mori, rechnet
noch in dieser Woche mit einem Gespräch mit dem Chef des
Internationalen Olympischen Komitees (IOC) Thomas Bach, wie Mori am
Montag zum Auftakt einer Exekutivsitzung des Organisationskomitees
für Tokio 2020 sagte. Am wahrscheinlichsten gilt eine Austragung
ungefähr zur gleichen Zeit wie in diesem Jahr. Die Sommerspiele
sollten vom 24. Juli bis 9. August stattfinden, die Eröffnung der
Paralympics war für 25. August geplant gewesen.

40 INFIZIERTE IN PFLEGEHEIM IN WILDESHAUSEN

Nach dem Tod von 15 Menschen mit Coronavirus-Infektion in einem
Alten- und Pflegeheim in Wolfsburg kämpft ein weiteres
niedersächsisches Pflegeheim mit Infektionen. Tests hätten bestätigt,

dass 23 Bewohnerinnen und Bewohner sowie 17 Mitarbeiter eines
Altenheims in Wildeshausen im Landkreis Oldenburg mit dem Erreger
Sars-CoV-2 infiziert seien, teilte der Landkreis mit. Das
Gesundheitsamt habe alle 51 Bewohner und 44 Mitarbeiter getestet,
nachdem ein 89-Jähriger mit schweren Vorerkrankungen und
Coronavirus-Infektion gestorben sei.

FESTNAHMEN IN NEUSEELAND NACH VERSTÖßEN

Die Polizei in Neuseeland hat wegen Verstößen gegen die
Ausgangsbeschränkungen drei Menschen vorübergehend festgenommen. Die
drei hätten «anhaltend» die Regeln im Kampf gegen das Coronavirus
verletzt, sagte Polizeichef Mike Bush am Montag. Zwei der drei wurden
demnach später wieder freigelassen. Ein Internet-Portal, das die
Polizei am Wochenende zum Melden von Verstößen freigeschaltet hatte,
stürzte derweil angesichts der Flut von Anzeigen über Corona-Partys
oder Rugbyspiele ab.