Sportökonom Breuer: «Athleten geht es nach der Krise nicht besser» Interview: Andreas Schirmer, dpa

Die Coronavirus-Pandemie wird auch Auswirkungen auf die finanzielle
Lage von Athleten nach der Krise haben. Der Sportökonom Christoph
Breuer meint, dass es nicht viel schlimmer werden kann: Die meisten
Athleten haben ohnehin nicht viel und somit nicht viel verlieren.

Frankfurt/Main (dpa) - Der Kölner Sportökonom Christoph Breuer
erwartet, dass die Coronavirus-Krise Auswirkungen auf die finanzielle
Lage von deutschen Topathleten haben könnte - aber keine ganz großen.
«Die olympischen und paralympischen Leistungssportler haben, wenn man
so will, ohnehin nichts zu verlieren und können deshalb gar nicht so
viel verlieren», sagte er im Interview der Deutschen Presse-Agentur.

Frage: Wie schwer können die deutschen Topathleten finanziell durch
die Coronavirus-Krise getroffen werden?

Antwort: Es ist davon auszugehen, dass es dem Leistungssportler nach
der Krise nicht besser geht als vor der Krise. Aber sie sind meines
Erachtens nicht so substanziell betroffen.

Frage: Warum?

Antwort: Die olympischen und paralympischen Leistungssportler haben,
wenn man so will, ohnehin nichts zu verlieren und können deshalb gar
nicht so viel verlieren. Wenn man sich ihre Einkünfte aus dem
Leistungssport anschaut, fallen Prämien, Preis- oder Startgelder weg,
weil keine Veranstaltungen stattfinden können. Aber das ist selbst
bei den bekannten Athleten ein kleiner Anteil der Gesamteinnahmen.

Frage: Die Krise wird auch Sponsorengelder treffen!

Antwort: Ich denke ja. Manche Sponsoren werden möglicherweise die
Krise nicht überleben oder eingeschränkter sein. Man muss davon
ausgehen, dass Sponsoren oder Werbepartner wegfallen. Wenn sie nicht
gut durch die Krise kommen, wird bei ihnen alles auf den Prüfstand
gestellt. Außerdem haben wir bei vielen Athleten den Sachverhalt,
dass sie zusätzlich arbeiten. Da stellt sich die Frage: Wie kommen
die Arbeitgeber, die sie beschäftigen, durch die Krise?

Frage: Wie sieht es mit der Förderung durch die Deutsche Sporthilfe
aus, die im Wesentlichen ihr Geld bei Sponsoren einsammelt?

Antwort: Die Spitzenathleten haben in den vergangenen zehn Jahren
mehr an sogenannter staatlicher Sportförderung bekommen, was zu mehr
Finanzstabilität geführt hat. Zahlreiche Athleten sind in den
Sportkompanien der Bundeswehr, beim Zoll oder bei der Bundespolizei
oder beim Bundesgrenzschutz. Und des Weiteren ist auch die
Finanzförderung durch die Sporthilfe angestiegen. Da kann man auch
fragen, was die Finanzkrise für die Sporthilfe bedeutet. Deswegen
würde ich nicht sagen, das ist alles sicher. Die Lufthansa ist ein
Premium-Partner der Stiftung, und die meisten ihrer Maschinen stehen
nun am Boden. Dann wird die Lufthansa vielleicht auch ihr Sponsoring,
ihre Werbe- und Spenden-Budgets auf den Prüfstand stellen müssen.

Frage: Es gibt 4000 Athleten in den Leistungskadern. Könnten viele
mit dem Sport aufhören, weil sie ihn nicht mehr finanzieren können?

Antwort: Das kann sein. Es ist natürlich Spekulation dabei. Ein
Effekt könnte sein, dass die Athleten durchschnittlich weniger
verdienen und ihren Sport noch ein Stück weiter unter den
Mindestlohn- Bedingungen ausüben müssten. Das lässt zusätzlich bei

einigen die Frage aufkommen, ob sich das Ganze überhaupt lohnt.
Umgekehrt kann es bei anderen aber auch einen anderen Effekt haben
und manche sagen: Ich habe jetzt mehr Zeit, weil bei dem Arbeitgeber,
bei dem ich angestellt bin und eine halbe Stelle habe, zukünftig
Kurzarbeit herrscht. Man weiß das alles nicht, das ist jetzt
spekulativ. Doch dass es nur in eine Richtung geht, glaube ich nicht.
Aber es wird auch für die Spitzensportler nicht einfacher werden.

Frage: Sehen Sie die Notwendigkeit für staatliche Hilfen für den
deutschen Sport und seine Spitzenathleten?

Antwort: Die Schwierigkeit ist, dass jeder nach dem Staat rufen wird.
Ob der der Staat das aber überhaupt alles bedienen kann? Insofern
würde ich die Situation noch abwarten. Ich halte es nicht für
ausgeschlossen, dass man sozusagen diesen Bereich gegebenenfalls nach
steuern muss. Die Frage ist, wie man nachsteuern muss, wie man an der
Diskussion im Profisport sieht. Da spielt Gehaltsverzicht eine große
Rolle. Diesbezüglich gibt es aber bei den meisten olympischen und
paralympischen Sportarten so gut wie keine Einsparmöglichkeiten.

Frage: Wird die zu erwartende Finanzkrise den Amateursportbereich so
hart treffen, wie es im Profisport geschehen könnte?

Antwort: Wir werden Auswirkungen in solchem Maße nicht bei den
Amateurvereinen haben, weil sie das ehrenamtliche Engagement als
Schutzfunktionen, als Puffer gegen Finanzkrisen haben.

Frage: Wenn die Olympischen Spiele in Tokio um ein Jahr verschoben
werden sollten. Was könnte das für finanzielle Auswirkungen auf den
deutschen Sport und die Optimalförderung der Sporthilfe haben?

Antwort: Die Spitzensportförderung sowohl von Sporthilfe als auch des
Bundes wird dann sicherlich weiterlaufen. Ein Teil der in diesem
Olympia-Jahr bereitgestellten Mittel, beispielsweise Reisekosten und
so weiter, würden ja nicht anfallen und könnten sozusagen auf das
nächste Jahr verlagert werden. Natürlich würden 2021 wieder Kosten
für Trainingsmaßnahmen und die Vorbereitung angefallen. Dafür müsst
e
man im Bundeshaushalt eine ähnlich hohe Summe bereitstellen wie in
diesem Haushaltsjahr. Und auch die anderen Förderer müssten sich
nochmal entsprechend strecken, was deren Budgets belasten würde.

ZUR PERSON: Christoph Breuer ist Professor für Sportökonomie an der
Deutschen Sporthochschule in Köln. Im vergangenen Jahr hat er als
Mitautor eine Analyse zur «Lebensituation von Spitzensportler in
Deutschland» veröffentlicht.