Coronavirus in Pflegeheimen in Halle und Jessen - zwei Tote

Das Coronavirus ist in Sachsen-Anhalt bei den Verletzlichsten
angekommen. Pflegeheimbewohner in Halle und Jessen sind infiziert, es
gab zwei Todesfälle. Unterdessen gilt weiter Quarantäne für Tausende

Jessener und Hunderte Asylbewerber in Halberstadt.

Halle/Jessen/Magdeburg (dpa/sa) - Der Alltag vieler Sachsen-Anhalter
ist wegen des Coronavirus eingeschränkt und erfasst zunehmend
sensible Bereiche der Gesellschaft. In einem Altenpflegeheim in Halle
sind 13 Bewohner infiziert, einer ist gestorben, wie
Oberbürgermeister Bernd Wiegand (parteilos) am Sonntag mitteilte.
Auch in einem Pflegeheim in Jessen (Elster/Landkreis Wittenberg)
breitet sich Sars-CoV-2 aus. Der Landkreis teilte am Sonntag mit,
dass ein 76 Jahre alter infizierter Bewohner mit multiplen schweren
Erkrankungen im Krankenhaus gestorben sei. Im Pflegeheim sei die Zahl
der infizierten Bewohner von 11 auf 19 gestiegen, 7 Mitarbeiter seien
erkrankt. Es gebe rund 100 Bewohner.

In Jessen sind etwa 8000 Bürger der Ortsteile Jessen und Schweinitz
in Quarantäne. Die meisten von ihnen zeigen sich besonnen und
einsichtig, wie Bürgermeister Michael Jahn (SPD) am Wochenende sagte.
Und auch in der Zentralen Anlaufstelle für Asylbewerber in
Halberstadt, wo rund 850 Bewohner wegen eines Corona-Falls ebenfalls
von der Umwelt getrennt sind, herrscht Verständnis, wie der Landkreis
Harz mitteilte.

Landesweit waren bis Sonntagmittag 635 Infektionen nachgewiesen,
teilte das Sozialministerium in Magdeburg mit. 53 von ihnen würden in
Krankenhäusern behandelt. Dennoch erwischen Polizei und Ordnungsämter
immer wieder Uneinsichtige, die Partys feiern, die
Ausgangsbeschränkungen und Abstandsregeln nicht einhalten. Im Ilsetal
etwa trafen die Beamten am Wochenende viele Ausflügler aus
umliegenden Bundesländern, wie das Polizeirevier Harz am Sonntag
mitteilte.

In Halle wurden allein am Samstag 31 Strafanzeigen gestellt. In
Magdeburg wurden bei den Kontrollen am Samstag hingegen nur fünf
größere Personengruppen angetroffen, wie eine Stadtsprecherin
mitteilte. Am Freitag war dort noch eine Bar amtlich versiegelt
worden, die nicht wie vorgeschrieben geschlossen war. Der Betreiber
war laut Stadt uneinsichtig.

In Halberstadt löste die Polizei gleich mehrere Partys auf. In einem
Fall hätten neun Personen in einem Wohnzimmer eng beieinander
gesessen. «Die Personen bagatellisierten die Hinweise des Beamten und
zeigten sich uneinsichtig», schilderte die Polizei. Es gab neun
Strafanzeigen und Platzverweise. Auf einem Parkplatz ebenfalls in
Halberstadt grillten fünf Menschen trotz des weitreichenden
Kontaktverbots und tranken Alkohol.

Die Stadt Halle betonte am Sonntag wiederholt, wie wichtig die
Einhaltung der Corona-Regelungen ist - nicht zuletzt, um die
Schwächsten zu schützen. Die 13 positiv getesteten Bewohner des
Diakonie-Altenpflegeheimes hätten keine Symptome gezeigt, betonte
Wiegand. Er wies darauf hin, dass es jeden treffen könne, auch
unbemerkt. Zu dem am Sonntag verstorbenen Heimbewohner wollte die
Stadt mit Rücksicht auf die Angehörigen keine Details nennen. In der
Einrichtung seien 152 Menschen untergebracht. Der Gebäudeteil mit 55
Bewohnern, in dem eine zuvor positiv getestete Pflegerin gearbeitet
hatte, sei unter Quarantäne gestellt. Das Personal arbeite mit
Schutzausrüstung.

Auch in einer kleineren Pflegeeinrichtung mit 24 Bewohnern wurde laut
Wiegand bei einer Pflegerin das neuartige Coronavirus festgestellt.
Alle Bewohnerinnen und Bewohner würden nun untersucht. Es gelte auch
dort eine Quarantäne.

In den beiden Jessener Ortsteilen, die seit Donnerstag abgeriegelt
sind, herrscht laut Bürgermeister Jahn überwiegend Verständnis: «Di
e
Stimmung ist überwiegend vernünftig, klug und besonnen.» Die Leute
seien sich der Gefahr bewusst. Nur wenige hätten es noch nicht
verstanden. Bewohner müssen in ihren Wohnungen und auf ihren
Grundstücken bleiben und dürfen sie nur verlassen, um sich auf dem
kürzesten Weg etwa mit Nahrungsmitteln zu versorgen.

«Das trifft die Stadt schon extrem», sagte Jahn, der seit 2015
Bürgermeister ist. Die Stadt habe Erfahrung mit der Flut und mit
Bränden, aber jetzt könnten die Menschen dem Virus nichts
entgegensetzen. Die zwei Wochen, für die die Quarantäne nun erstmal
angesetzt ist, könnten sehr lang werden. «Am Anfang ist es noch wie
ein Ferienlager.» Es sei aber bei Familien schon das Dilemma zu
merken, wenn alle lange Zeit zusammen sein müssten. «Emotional wird
es große Probleme geben», so Jahns Einschätzung.

Unter Druck kämen Firmen, deren Mitarbeiter nicht mehr arbeiten
dürften, sagte Jahn. Und es gebe auch Unmut angesichts von
Ungleichbehandlungen, wenn etwa eine Firma weiterarbeiten könne und
eine andere nicht. Und auch für die Menschen in den anderen 42
Jessener Ortsteilen sei die Quarantäne deutlich spürbar. Man fahre
eben zum Arzt, zum Einkaufen oder zur Kita und Schule nach Jessen in
die Stadt. Jetzt würden die Wege deutlich weiter.

In der Zentralen Anlaufstelle für Asylbewerber in Halberstadt seien
die Bewohner über die Notwendigkeit der Einschränkung ihrer sozialen
Kontakte informiert worden. Sie hätten Verständnis und Besonnenheit
gezeigt, teilte der zuständige Landkreis Harz am Sonntag mit. Die
einzelnen Häuser der Einrichtung mit rund 850 Bewohnern seien
untereinander isoliert. Ein ehemaliger Bewohner, der inzwischen in
Halle lebt, war positiv auf das neuartige Coronavirus getestet
worden.