Olympia in Tokio wohl wieder im Sommer - DOSB: «Gut nachvollziehbar» Von Andreas Schirmer und Volker Gundrum, dpa

Die Wahrscheinlichkeit, dass die Olympischen Spiele nun fast exakt
ein Jahr später in Tokio veranstaltet werden, ist groß. Ein Termin im
Frühjahr dürfte so gut wie vom Tisch sein.

New York/Tokio (dpa) - Die verschobenen Olympischen Spiele in Tokio
werden wohl zur gleichen Zeit im Sommer nächsten Jahres ausgetragen.
Nach Berichten aus Japan und den USA könnte der Neustart mit einer
Eröffnungsfeier am 23. Juli 2021 erfolgen. Die Schlussfeier wäre
demnach am 8. August. Die wegen der Corona-Krise abgesagten Spiele
waren ursprünglich für den 24. Juli bis 9. August 2020 geplant.

Für den Deutschen Olympischen Sportbund wäre ein Sommer-Termin
willkommen. «Die Verschiebung um genau ein Jahr wäre eine sehr gut
nachvollziehbare Entscheidung», sagte DOSB-Chef Alfons Hörmann am
Sonntag der Deutschen Presse-Agentur. «Team Deutschland wird sich auf
jeden der möglichen Zeiträume professionell einstellen und
vorbereiten.»

Auch Tischtennis-Weltverbandspräsident Thomas Weikert hält den
Sommer-Zeitpunkt für annehmbar. «Bei genauem Hinsehen ist es
realistisch. Es ist aber alles andere als ideal», sagte er am Sonntag
nach einer Telefonkonferenz des Exekutivkomitees der ITTF. Weikert
hatte zunächst das Frühjahr 2021 präferiert, da vom 17. bis 26. Juni

die WM im Tischtennis-Einzel nach Houston/USA vergeben wurden. «An
diesem Termin werden wir nichts mehr ändern», sagte er.

Das Internationale Olympische Komitee und die Organisatoren in Tokio
hätten sich auf den Termin im nächsten Sommer geeinigt, berichtete
die «New York Times». Der japanische Fernsehsender NHK berief sich
auf Informationen aus dem Organisationskomitee, wonach der
Sommer-Termin als Option bevorzugt werde. Die Paralympics würden
demnach vom 24. August bis zum 5. September stattfinden. Eine
Bestätigung dafür gab es nicht. Das IOC teilte am Sonntag auf Anfrage
mit, dass dies «Spekulationen» seien.

Allerdings deuten auch die Äußerungen des Präsidenten des japanischen

Organisationskomitees darauf hin, dass ein von IOC-Präsident Thomas
Bach nicht ausgeschlossener Austragungszeitraum im Frühjahr 2021 -
wegen der weitaus kürzeren Vorbereitungszeit - wohl keine Rolle mehr
spielt. «Die Spiele sollen im Sommer stattfinden, daher sollten wir
an eine Zeit zwischen Juni und September denken», zitierte die
japanische Nachrichtenagentur Kyodo den OK-Chef Yoshiro Mori.

Nach dem Bericht des TV-Senders NHK hoffen die japanischen
Organisatoren zusammen mit dem IOC und der Metropol-Regierung in
Tokio, bis Ende der Woche eine Entscheidung treffen zu können. Das
Exekutivkomitee des Tokio-OK trifft sich am Montag zu einer Sitzung.

Das IOC hatte am Donnerstag bei einer Telefonkonferenz mit den 33
internationalen Sportverbänden unter anderem über einen neuen Termin
Spiele in Tokio beraten. Auch die neu gegründete Task Force hatte am
Donnerstag ihre Arbeit aufgenommen. Die Arbeitsgruppe mit dem
offiziellen Namen «Tokio 2020 Neustart Task Force» hat rund 30
Mitglieder und wird von Mori geführt.

Einige Sportverbände hatten Olympia im Frühling vorgeschlagen, auch
um der Sommerhitze aus dem Weg zu gehen. Die Kritik an der Austragung
der Spiele in den extrem heißen Monaten Juli und August hätte bereits
Konsequenzen für die in diesem Jahr vorgesehenen Spiele gehabt. Die
Marathon-Rennen der Männer und Frauen wären in Sapporo, wo milderes
Klima herrscht, gelaufen worden.

Unterdessen dürften die zusätzlichen Kosten für die Verschiebung zum

Streitthema werden. In einem Schreiben an die 33 Weltverbände hat
Mori laut einem Bericht des Branchendienstes «Insidethegames»
ausdrücklich auf die finanziellen Auswirkungen hingewiesen. «Die
Entscheidung, wer diese Kosten tragen wird und wie dies geschehen
soll, wird eine große Herausforderung sein», schrieb er. Die
Zusatzkosten werden auf zwei bis drei Milliarden Dollar geschätzt.
Eine Beteiligung der Weltverbände lehnt Weikert strikt ab: «Das sehe
ich überhaupt nicht. Wir sind Teilnehmer der Spiele.»

Bei der Kritik am Krisenmanagement des IOC und seines Präsidenten im
Zuge der Auswirkungen der Coronavirus-Pandemie auf die Sommerspiele
dürfte es nicht bleiben. Inzwischen werden immer mehr Forderungen
nach Reformen und Strukturänderungen im IOC und in Bezug auf das
Format Olympischer Spiele laut.

So forderten die Athletensprecher Hayley Wickenheiser und Max Hartung
Veränderungen im IOC und zugleich mehr Mitspracherecht der Sportler.
«Jetzt ist der Zeitpunkt, an dem wir unser Business verändern
können», sagte die viermalige Eishockey-Olympiasiegerin Wickenheiser
aus Kanada am Samstagabend im «Aktuellen Sportstudio» des ZDF.

Auch Säbelfechter und Athleten-Aktivist Hartung sieht
Handlungsbedarf. «Ich glaube, dass das IOC sich verändern sollte und
dass man auch die Struktur verändern sollte», meinte der 30-Jährige.

«Ich würde es sehr begrüßen, wenn man die Gelegenheit nutzen würd
e,
das IOC neu aufzustellen.»

Dies wünscht sich auch die einstige Weltklasse-Leichtathletin Heide
Ecker-Rosendahl. «Ich sehe eine Chance, das Konzept der Olympischen
Spiele zu überarbeiten und zu verändern», sagte die
Doppel-Olympiasiegerin von 1972 am Sonntag der dpa. «Das passt nicht
mehr. Es ist zu groß geworden. Man sollte überlegen, ob man diesen
Gigantismus herunterfährt.»