Viren-Experte Fauci: Amerikas Gesicht im Kampf gegen Corona Von Christiane Jacke und Christina Horsten, dpa

Wenn es um Gesundheitskrisen geht, vertrauen die Amerikaner niemandem
mehr als Anthony Fauci. Sechs Präsidenten hat der Immunologe schon
beraten. Diesmal hat er es mit einer beispiellosen Pandemie zu tun -
und mit einem besonderen Regierungschef.

Washington (dpa) - Anthony Fauci ist krisengestählt. Seit Jahrzehnten
gilt der Wissenschaftler als einer der renommiertesten Experten für
Infektionskrankheiten in den USA. Sechs Präsidenten hat er schon
beraten und durch Krisen wie die Ausbreitung von Aids geleitet. Jetzt
hat es Fauci, der im Dezember 80 Jahre alt wird, mit einer besonderen
Pandemie zu tun - und berät mit Donald Trump einen Präsidenten, der
nicht gerade dafür bekannt ist, ein Faible für Wissenschaft und
Fakten zu haben. In der Corona-Krise ist Fauci zu Amerikas Gesicht im
Kampf gegen das Virus geworden.

Fauci steht im Moment vor einer vielseitigen Herausforderung: Er muss
gemeinsam mit anderen Experten die Ausbreitung des Virus bekämpfen,
der verunsicherten amerikanischen Öffentlichkeit die Wahrheit über
den Erreger nahebringen, ohne Panik zu schüren - und zugleich einen
Präsidenten im Zaum halten, der mit Tweets oder anderen öffentlichen
Wortmeldungen mitunter selbst zur Verbreitung von Fehlinformationen
beiträgt.

Bei den täglichen Coronavirus-Pressekonferenzen im Weißen Haus gilt
Fauci als Stimme der Vernunft. In den vergangenen Tagen musste der
79-Jährige mehrfach Äußerungen Trumps geraderücken und zum Beispiel

Erwartungen an ein schnelles Ende der Krise oder eine baldige
Erhältlichkeit eines Impfstoffes dämpfen.

«Man sollte niemals seine eigene Glaubwürdigkeit zerstören. Und man
will nicht gegen einen Präsidenten in den Krieg ziehen. Aber man muss
die richtige Balance finden, um sicherzustellen, dass man weiterhin
die Wahrheit sagt», sagte Fauci kürzlich der Zeitung «Politico». An

anderer Stelle betonte der Wissenschaftler, er versuche, sich von
politischem Spin fernzuhalten und den Menschen einfach faktenbasiert
Informationen zu geben. «Man muss immer, immer ehrlich mit der
amerikanischen Öffentlichkeit sein.»

Für Aufsehen sorgte zuletzt auch ein Interview des Immunologen mit
der Onlineausgabe des Fachjournals «Science», in der sich Fauci mit
kritischen Tönen gegenüber Trump hervortat. Er sagte dort zwar, dass
Trump ihm zuhöre - «auch wenn wir in manchen Sachen nicht einer
Meinung sind». Gleichzeitig räumte er aber etwa ein, dass Trumps
Aussage, wonach China das Virus über drei, vier Monate hinweg
verschwiegen haben soll, nicht mit den Fakten übereinstimme. «Aber
ich kann nicht vor die Mikrofone springen und ihn wegdrücken. Okay,
er hat es gesagt. Versuchen wir, es für das nächste Mal zu
korrigieren.»

Bei mehreren öffentlichen Auftritten der Corona-Arbeitsgruppe aus dem
Weißen Haus fehlte Fauci danach. Kurzzeitig ging die Sorge um, der
Wissenschaftler sei bei Trump, bei dem bedingungslose Loyalität als
oberste Währung gilt, in Ungnade gefallen. Doch Trump wies das zurück
und lobte Fauci ausdrücklich. «Er ist ein guter Mann. Ich mag Dr.
Fauci sehr», sagte der Präsident. Fauci sei nur anderweitig
beschäftigt gewesen - da gebe es nichts hineinzudeuten.

Kurz darauf stand der Experte denn auch wieder bei einem der
Corona-Briefings auf dem Podium im Weißen Haus. Und wieder klang er
dort etwas anders als der Präsident, der dem Land für Ostern bereits
eine Rückkehr zur Normalität in Aussicht gestellt hat. Fauci sagte
dazu diplomatisch, aber doch unmissverständlich, man könne zwar ein
bestimmtes Datum ins Auge fassen, müssen aber flexibel bleiben, die
Lage ständig neu bewerten - und die Machbarkeit seiner Pläne.

Geboren wurde Fauci 1940 in eine Apotheker-Familie in New Yorks
Stadtteil Brooklyn. Er lieferte schon als kleiner Junge mit dem
Fahrrad Medikamenten-Bestellungen aus. 1966 machte er als
Klassenbester seinen Abschluss an der renommierten Medizin-Fakultät
der Cornell-Universität. Zunächst arbeitete er als Assistenzarzt,
bevor er dann zu den Nationalen Gesundheitsinstituten wechselte, wo
er als einer der ersten mit der HIV-Forschung begann. Seit 1994 ist
der Vater dreier Töchter Leiter des Nationalen Instituts für
Infektionskrankheiten.

Unter Kollegen hat der vielfach preisgekrönte Fauci den Ruf, dass er
immer gerade heraus ehrlich ist, gleichzeitig viel Empathie hat und
auch in hohem Alter immer noch selbst forscht und Patienten sieht.

Sein Beliebtheitsgrad in der Bevölkerung wurde gerade in einer
Bäckerei in der Stadt Rochester im Norden des US-Bundesstaates New
York noch mal eindrücklich unter Beweis gestellt: Die Bäckerei
«Donuts Delite» druckte ein Bild des Wissenschaftlers auf Esspapier
und verzierte damit ihre Donuts. «Wir wollten einen Weg finden, die
Menschen in unserer Gegend aufzumuntern», sagte Besitzer Nick
Semeraro dem Sender CNN. «Wir haben Dr. Fauci im Fernsehen gesehen,
fanden seine Botschaft, wie gründlich er war und wie er alle in der
Krise informiert gehalten hat, großartig, und wir wollten einfach
etwas zurückgeben und uns bedanken. Aber wir hatten keine Ahnung,
dass das so riesig werden würde. Wir wussten nicht, dass alle anderen
das genau so sehen.»