Telefon als Stütze - Mut machen und Hilfe für Einsame und Familien Von Petra Buch, dpa

Plötzlich ist das Leben völlig anders. Viele Menschen fühlen sich
verlassen, ratlos oder auch überfordert. Doch es gibt Menschen, die
ihnen auch in der größten Not Mut machen und in der Lage sind,
wirklich zuhören zu können. Und zu handeln.

Magdeburg/Halle (dpa/sa) - Die Telefonseelsorge verzeichnet wegen der
Ängste und Sorgen um das Coronavirus deutlich mehr Anrufe. Dies
seien Menschen jeden Alters. «Denn alle möglichen Themen, die jetzt
auf die Leute geballt einströmen, das Leben verändern, landen bei
uns», sagte Anette Carstens, Leiterin der Telefonseelsorge in
Magdeburg, der Deutschen Presse-Agentur. 70 Ehrenamtliche kümmern
sich um die Anrufer anonym aus dem Norden des Landes. «Sehr viele
Menschen fühlen sich einsam, viel stärker als sonst», sagte Carstens

mit Blick auf das weitreichende Kontaktverbot wegen des Coronavirus.

Krisen könnten auch eine Chance sein. «Wenn in der Nachbarschaft
jemand erkrankt ist, bekommt man das vielleicht auch künftig mehr mit
und hilft einander», sagte die Seelsorgerin. Bis zu 50 Gespräche
täglich führt unterdessen in Halle die Telefonseelsorge zur Zeit, wie
die Leiterin Dorothee Herfurth-Rogge sagte. Das sei angesichts der
gestiegenen Sorge um das Coronavirus ein Drittel mehr als im Januar
und Februar. «Viele möchten über ihre Angst reden», sagte sie.
Einsamkeit und Unsicherheit seien ebenso die beherrschenden Themen.

Dies erfahren auch die ehrenamtlich tätigen, speziell ausgebildeten
Helfer der Telefonseelsorge bundesweit. Während sich Anfang März rund
5 Prozent aller Anrufe um das neuartige Virus drehten, seien es zum
Monatsende hin inzwischen mehr als 60 Prozent, wie die Herfurt-Rogge
als Vorstandsvorsitzende der Evangelischen Konferenz für
Telefonseelsorge weiß.

Seelische Unterstützung sei besonders für diejenigen wichtig, die
pflegebedürftige Angehörige haben, die es so schon sehr schwer im
Leben haben. «Und die Menschen, die in Heimen sind und keine Besuche
bekommen dürfen, Menschen, die Angst davor haben, womöglich von
Familienmitgliedern auch nicht Abschied nehmen zu können», sagte die
Leiterin der Magdeburger Telefonseelsorge.

Auch Familien, deren Alltag plötzlich ganz neu geregelt werden müsse,
gerieten in eine Krise, sagte eine Sprecherin der Franckeschen
Stiftungen in Halle. Normalerweise seien auf dem Areal täglich
Tausende Menschen in Bildungs- und Sozialeinrichtungen anzutreffen,
die unter anderem im direkten Gespräch mit Fachleuten um Rat wie in
Erziehungsfragen suchen. Nun ist es wie überall im Land, allein die
Schulen sind wegen des Coronavirus dicht. «Wir versuchen zu helfen
und können kurzfristig Telefontermine vereinbaren», sagte sie.
Einkaufshilfen werden mit Partnern wie der Freiwilligenagentur
koordiniert, Lernpatenschaften organisiert.

In der Krise gelte es auch den Blick für Positives im Miteinander zu
schärfen. So geben Mitarbeiter der Telefonseelsorge den Angaben nach
Ratsuchenden Hilfe zur Selbsthilfe, wie sie moderne Technik für
Videogespräche mit Freunden und Angehörigen nutzen können - oder auch

alte Hobbys neu zu entdecken - oder wieder auf Papier einen Brief zu
schreiben und so einem anderen eine Freude zu bereiten, sagte die
Leiterin der Telefonseelsorge in Halle.

Angesichts der Kontaktbeschränkungen erfahren auch mehr Menschen als
sonst wie es ist, wenn sie plötzlich mit sich allein im Home Office
arbeiten muss, niemanden im Beruf direkt zum Austausch gegenüber hat.
Andererseits müssen Menschen nun auch damit zurechtkommen, dass alle
Familienmitglieder womöglich zu Hause sind und rund um die Uhr
miteinander auskommen müssen, sagte ihre Kollegin in Magdeburg.

«Das Gefühl, seinen Alltag und sein Leben nicht mehr selbst planen zu
können so wie bisher, das auszuhalten ist wohl das Schlimmste für
Viele«, sagte Carstens. Denn bisher sei die Gesellschaft so geprägt,
dass nahezu alles durchgeplant werd und fast jeder einen vollen
Terminkalender habe. «Das ist jetzt weg und keiner weiß wie lange.
Und wie sich das Ganze entwickeln wird», sagte die Seelsorgerin.