Corona-Krise: Bauern schicken eindringlichen Appell an Regierung

Wenn der Bauer das Feld nicht bestellt, kann er auch nichts ernten
und Waren auf dem Markt anbieten. Eine Binsenweisheit, an die in
Corona-Zeiten bisweilen erinnert wird. Der Landesbauernverband hat es
jetzt in einem Brief an die Regierung getan.

Dresden (dpa/sn) - Sachsens Bauern haben eindringliche Worte an die
Landesregierung gerichtet und angesichts der Corona-Krise um
Unterstützung gebeten. Im Kern geht es darum, wie in den Jahren zuvor
genügend ausländische Beschäftigte für die Stammbelegschaft oder al
s
Saisonarbeiter zu bekommen. «Ohne sie wird es nicht gehen, auch wenn
wir von Angeboten aus anderen Bereichen überwältigt sind», sagte
Manfred Uhlemann, Hauptgeschäftsführer des Landesbauernbandes, am
Freitag. Dem Verband schweben Anreize und Regelungen vor, die auch
für medizinisches Personal oder Pflegekräfte aus Polen oder
Tschechien gelten. Sachsen Agrarminister Wolfram Günther (Grüne)
hatte bereits Unterstützung angekündigt.

Der Landesbauernverband schrieb nun einen offenen Brief an
Regierungschef Michael Kretschmer (CDU). Darin wird klargestellt,
dass die Landwirtschaft genau wie das Gesundheitswesen oder der
Lebensmitteleinzelhandel Bestandteil der «kritischen Infrastruktur»
ist, die in solchen Zeiten aufrechterhalten werden müsse. Die Bauern
würden dafür sorgen, dass ausreichend Lebensmittel zur Verfügung
stehen. Deshalb brauche man Unterstützung von der Regierung. Man sei
auf Arbeitskräfte gerade aus Polen und Tschechien stark angewiesen.
Durch die Grenzschließungen ist deren Einsatz nun gefährdet.

Ein Ersatz durch einheimische Arbeitskräfte scheidet nach Ansicht des
Verbandes meist aus, da sie weder über erforderliche Kenntnisse und
Fertigkeiten verfügten, noch körperlich zu der harten Arbeit in der
Lage sind. Nur für einfache Hilfsarbeiten kämen sie in Frage.
Uhlemann machte es plastisch: «Wir haben wirklich massiv die
Erfahrung gemacht: Die kommen einen Tag und haben solche
Kreuzschmerzen - die kommen nie wieder zum Spargelstechen.» Die
ausländischen Arbeitskräfte seien das aber gewohnt und oft vom Fach:
«Ich brauche Leute, für den Melkstand und die Traktor fahren.»

Uhlemann zufolge gibt es heute schon bei den Landwirten Überlegungen,

«personalintensive Produkte» nicht zu pflanzen oder den Tierbestand
sicherheitshalber abzubauen: «Denn die Kuh, die heute nicht gefüttert

und gemolken wird, ist morgen krank. Das Feld, das nicht bestellt
wird, liefert kein Getreide für unser tägliches Brot. Und der Salat,
der in Kürze nicht gepflanzt und anschließend gepflegt wird, kann
später nicht geerntet werden», heißt es im Brief an Kretschmer.

«Die Zeit drängt, wir können nicht länger warten», sagte Uhlemann
der
Deutschen Presse-Agentur. Die Illusion, dass man Gemüse aus anderen
europäischen Ländern bekomme, könne man sich «schenken». Die
Lebensmittelproduktion der Landwirtschaft gehöre zur Daseinsvorsorge.


Agrarminister Günther hat unterdessen mehrere Bereiche im Blick, aus
denen Erntehelfer kommen könnten - darunter Studenten, Pensionäre,
Kurzarbeiter und Geflüchtete. Deshalb wolle man nun entsprechende
Regelungen ausarbeiten. Aber auch für Ausnahmeregelungen
ausländischer Saisonkräfte will sich der Grünen-Politiker einsetzen.


Derzeit würden mit Blick auf den Bedarf an Saisonarbeitskräften
deutschland- und sachsenweit verschiedene Möglichkeiten geprüft oder
bereits angeboten, teilte das Ministerium mit. Wer bereits in
Deutschland sei, könne bis 31. Oktober bis zu 115 Tage
sozialversicherungsfrei arbeiten und nicht wie bisher nur für 70
Tage. Günther verwies auf mehrere Online-Plattformen, wo sich
Interessenten für einen Job als Saisonarbeiter anmelden könnten.
Weitere Regelungen beträfen Kurzarbeiter und Ruheständler.

Die sächsische Regionaldirektion der Bundesagentur für Arbeit
richtete unterdessen eine Hotline für Unternehmen aus
systemrelevanten Branchen ein: «Damit wollen wir einen Beitrag
leisten, um zumindest einen Teil der Bedarfe der Bauern abdecken zu
können. Kreative Wege aller beteiligten Unternehmen und Verbände sind
in diesem Jahr besonders gefordert», sagte Behördensprecher Frank
Vollgold auf Anfrage. Die Hotline hat die Rufnummer +49 371 9118168.