Merkel: Debatte über Lockerung der Corona-Maßnahmen verfrüht

An diesem Freitag will der Bundesrat das Corona-Hilfspaket
verabschieden. Die Mehrheit der Deutschen ist einer Umfrage zufolge
zufrieden mit dem Krisenmanagement. Die Kanzlerin macht derweil klar,
was sie von der Debatte um eine Lockerung der Corona-Maßnahmen hält.

Berlin (dpa) - Kanzlerin Angela Merkel hält es für viel zu früh, üb
er
eine Lockerung der Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie zu
sprechen. Sie wolle «sehr klar sagen, dass im Augenblick nicht der
Zeitpunkt ist, über die Lockerung dieser Maßnahmen zu sprechen»,
sagte sie am Donnerstagabend in Berlin. Im Moment dauere es immer
noch nur vier bis fünf Tage, bis sich die Zahl der Infizierten
verdoppele. Diese Zeitspanne müsse sehr viel weiter gestreckt werden,
«in Richtung von zehn Tagen». Das Ziel der Maßnahmen sei es, dass das

Gesundheitssystem nicht überlastet werde.

Die Inkubationszeit dauere mindestens fünf Tage und könne bis 14 Tage
dauern, sagte Merkel. Nachdem die am vergangenen Sonntag
beschlossenen Maßnahmen erst am Montag in weiten Teilen Deutschlands
in Kraft getreten seien, sei man noch nicht in dem Bereich, in dem
man sehen könne, ob sie wirkten. Sie müsse deshalb «die Menschen in
Deutschland um Geduld bitten», sagte die Kanzlerin und ergänzte: «Es

war immer klar, dass wir erst dann, wenn wir Effekte sehen, darüber
nachdenken können», die Maßnahmen zurück zu fahren. Davon sei man
leider «noch ein ganzes Stück entfernt».

Zwei Monate nach der Bekanntgabe der ersten Corona-Infektion in
Deutschland ist die Mehrheit der Deutschen zufrieden mit dem
Krisenmanagement der Bundesregierung. In einer Umfrage des
Meinungsforschungsinstituts YouGov im Auftrag der Deutschen
Presse-Agentur bewerteten 54 Prozent das Agieren des Kabinetts in der
Krise eher positiv. 13 Prozent sagten sogar, sie seien «sehr
zufrieden». Eher unzufrieden sind dagegen 38 Prozent. Acht Prozent
machten keine Angaben.

Der Bundesrat will an diesem Freitag endgültig das gewaltige
Hilfsprogramm in der Corona-Krise beschließen. Es umfasst Maßnahmen
zur Rettung von Arbeitsplätzen und Unternehmen, zur Unterstützung von
Krankenhäusern sowie zur Sicherung von Lebensunterhalt und Wohnung
der Bürger. Dem Vernehmen nach will die Länderkammer alle Gesetze in
einer Sitzung ohne Redebeiträge zügig durchwinken. Die ersten Hilfen
sollen noch vor dem 1. April bei den Betroffenen ankommen.

Inzwischen sind in Deutschland mehr als 43 000 Infektionen mit dem
neuen Coronavirus registriert worden. Mehr als 260 Infizierte sind
bundesweit gestorben. Bund und Länder haben beispiellose Maßnahmen
beschlossen, um die Ausbreitung des Virus einzudämmen, darunter einen
Neun-Punkte-Plan, der zwischenmenschliche Kontakte minimieren soll.
Dieser Beschluss war erst am Sonntag getroffen worden. Zuletzt hatte
aber bereits eine Debatte darüber begonnen, wann die Maßnahmen wieder
gelockert werden können.

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) warnte vor verfrühten
Spekulationen über ein Ende der Beschränkungen und Auflagen. «Wenn
wir erfolgreich sein wollen, und wenn wir aus dieser Krise
herauskommen wollen, müssen wir diesen Weg, den wir jetzt beschritten
haben, weitergehen», sagte Söder in einer am Donnerstagabend
verbreiteten Videobotschaft. «Deswegen mein Tipp: Noch nicht
vorzeitig darüber spekulieren, wann und wie Maßnahmen gelockert
werden können. Sondern jetzt ist es wichtig, die nächste Zeit
gemeinschaftlich durchzustehen.»

Auch NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) sagte am
Donnerstagabend in der Sendung «ARD Extra»: «Wir sind nicht über de
n
Berg, wir stehen mitten in der Krise.» Er erklärte, man werde Ende
der Osterferien beurteilen, «wo stehen wir in Deutschland».

Die CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer nannte mögliche
Maßnahmen, die zu gegebener Zeit eine Lockerung der verhängten
Einschränkungen ermöglichen könnten. «Ich bin dafür, dass wir
fortlaufend prüfen, ab wann es die epidemiologische Lage erlaubt, die
harten Einschnitte zu lockern», sagte die Verteidigungsministerin der
Zeitung «Die Welt» (Online Donnerstag/Print Freitag). «Vieles deutet

darauf hin, dass die besondere Isolation von Risikogruppen,
flächendeckende Tests und auch das Sammeln, Nachverfolgen und
Auswerten der Daten zu Risikogruppen, Infizierungen, Erkrankungen und
Heilungen uns dabei helfen können, gangbare Wege zu finden, um
schrittweise die Einschränkungen wieder aufzuheben.»

Um die Folgen der Corona-Krise aufzufangen, nimmt der Staat viel Geld
in die Hand - vor allem, um bedrohte Unternehmen und damit
Arbeitsplätze zu retten. Für kleine Firmen und Selbstständige soll es

direkte Zuschüsse im Höhe von 50 Milliarden Euro geben. Außerdem
läuft ein unbegrenztes Kreditprogramm über die Förderbank KfW. Groß
e
Firmen können unter einen 600 Milliarden Euro umfassenden
Schutzschirm schlüpfen und notfalls auch ganz oder zum Teil
verstaatlicht werden. Zudem gibt es einen Kündigungsschutz für
Mieter, die wegen der Krise ihre Miete nicht zahlen können. Hartz IV
und Kinderzuschlag sollen einfacher fließen. Ebenfalls geplant: eine
große Finanzspritze für die Krankenhäuser.

Bund und Länder streben einem Medienbericht zufolge eine Ausweitung
der Testkapazitäten für Infektionen mit dem Coronavirus an. Die
«Bild»-Zeitung (Freitag) berief sich auf das interne
Beschlussprotokoll einer Telefonkonferenz zwischen
Kanzleramtsminister Helge Braun (CDU) und den Chefs der
Staatskanzleien der Länder vom Mittwoch. Darin heiße es: «Bund und
Länder stimmen darüber ein, die Kapazitäten zur Testung auf das neue

Coronavirus deutlich zu erhöhen.» Bundesgesundheitsminister Jens
Spahn hatte am Donnerstag gesagt, die Kapazität liege mit 300 000 bis
500 000 Tests pro Woche auch im internationalen Vergleich sehr hoch.