Ergebnis des Krisengipfels stößt auf Kritik aus EU-Parlament

Zwei Wochen geben sich die EU-Staaten für ihre entscheidende Antwort
auf die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise. Das kommt im
Europaparlament gar nicht gut an.

Brüssel (dpa) - Die EU-Staaten haben eine zentrale Antwort auf die
wirtschaftlichen Folgen der Coronavirus-Krise vertagt. Dieser
Kompromiss eines Krisengipfels der Staats- und Regierungschefs vom
Donnerstagabend stieß im Europaparlament auf Enttäuschung und Kritik.
Bundeskanzlerin Angela Merkel und die anderen Teilnehmer des
Videogipfels hatten die Finanzminister der Eurogruppe beauftragt,
binnen zwei Wochen ein neues Modell für einen gemeinsamen
Rettungsschirm auszuarbeiten.

Als «gefährliche Taktik» kritisierte der SPD-Europaabgeordneten Bernd

Lange den Beschluss: «In der größten Krise greifen die
Mitgliedstaaten beim EU-Gipfel auf das übliche Instrumentarium
zurück: Problem vertagen und Zeit gewinnen.» Die Bürger erwarteten
entschlossenes Handeln, meinte auch der Chef der europäischen
Liberalen, Dacian Ciolos: «Wann, wenn nicht jetzt?» Nur mutige
Entscheidungen machten die EU stark und glaubwürdig.

Die Staats- und Regierungschefs hatten hart um eine gemeinsame
Erklärung gerungen, denn Italien legte sein Veto gegen eine vorab
ausgehandelte Kompromissformel ein und forderte eine stärkere Antwort
der Europäischen Union auf die beispiellose Krise. Merkel sagte nach
dem Gipfel, die EU habe sich zu einem solidarischen Vorgehen bekannt.
«Wir sind entschlossen, diese Herausforderung gemeinsam zu
bewältigen», betonte die Kanzlerin.

Der haushaltspolitische Sprecher der Grünen-Fraktion im EU-Parlament,
Rasmus Andresen, kritisierte hingegen die Vertagung. Damit gehe
wichtige Zeit verloren. «Es ist enttäuschend, mit welcher Arroganz
die deutsche Bundesregierung gemeinsam mit anderen reicheren EU
Staaten die EU in eine Krise stürzt und sinnvolle ökonomische
Maßnahmen blockiert», erklärte Andresen. Er verlangte «Corono-Bonds

zur Stabilisierung der Staatshaushalte und Volkswirtschaften und
einen 60-Milliarden-EU-Nachtragshaushalt mit gemeinsamen europäischen
Investitionen in Gesundheitsversorgung, Forschung und Infrastruktur.»

Auch Grünen-Chefin Annalena Baerbock sprach sich für gemeinsame
Staatsanleihen der Euro-Länder aus, um die wirtschaftlichen Folgen
der Corona-Krise abzufedern. «Nur ein gemeinsamer europäischer
Schutzschirm kann eine tiefe Spaltung der Euro-Zone verhindern»,
sagte Baerbock dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND, Freitag). Die
ablehnende Haltung der Bundesregierung gegenüber einer Ausgabe
gemeinsamer Anleihen im Euro-Raum nannte Baerbock falsch. «Italien
ist nicht damit geholfen, dass wir abends auf unseren Balkonen die
«Ode an die Freude» anstimmen», sagte sie. Mit Blick auf die EU
warnte Baerbock: «Wenn jeder sich selbst der Nächste ist und so
handelt, wird sie zerbrechen.»

EU-Ratspräsident Charles Michel und Kommissionspräsidentin Ursula von
der Leyen betonten nach den stundenlangen Beratungen, zur Überwindung
der Krise und ihrer wirtschaftlichen Folgen sei «ein starkes
europäisches Budget» erforderlich. «Der europäische Haushalt ist
eines der Instrumente, um aus dieser Krise herauszukommen», sagte
Michel. Bei ihrem letzten Gipfeltreffen in Brüssel hatten sich die
Staats- und Regierungschefs nicht auf einen EU-Haushaltsplan für die
Jahre 2021 bis 2027 einigen können.

Michel erklärte nach der Konferenz, die wegen der Ansteckungsgefahr
per Videoschalte ablief, man werde an einer «Exit-Strategie»
arbeiten, «um zu einer normalen Situation zurückzukehren». Dabei
werde man auf den Rat von Epidemiologen und Virologen hören, ergänzte
von der Leyen. Es gehe um die Frage, «wann die eine oder andere
Maßnahme aufgehoben» werden könne.

In der gemeinsamen Gipfelerklärung hieß es am Ende, die Eurogruppe
solle binnen zwei Wochen einen neuen Vorschlag für gemeinsame
finanzpolitische Maßnahmen machen: «Diese Vorschläge sollten dem
beispiellosen Charakter des Covid-19-Schocks Rechnung tragen, der
alle unsere Länder trifft.» Weitere gemeinsame Schritte behält sich
die Staatengemeinschaft demnach ausdrücklich vor.