EU und G20 bereiten Maßnahmen gegen Corona-Krise vor

Die Corona-Krise wird bisher vor allem national bekämpft. So wie in
Deutschland, wo der Bundesrat ein gewaltiges Hilfsprogramm absegnen
will. Aber auch die internationale Abstimmung kommt in Gang, wenn
auch langsam. Im EU-Parlament kommt die Zögerlichkeit nicht gut an.

Brüssel/Berlin (dpa) - Die Europäische Union und die G20 der
führenden Wirtschaftsmächte bereiten umfassende Maßnahmen zur
Eindämmung der Corona-Pandemie und zur Bewältigung der
wirtschaftlichen Folgen vor. Die Staats- und Regierungschefs der EU
beschlossen bei einem Videogipfel nach hartem Ringen, binnen zwei
Wochen ein neues Modell für einen Rettungsschirm mit Finanzhilfen für
verschuldete Staaten auszuarbeiten. «Diese Vorschläge sollten dem
beispiellosen Charakter des Covid-19-Schocks Rechnung tragen, der
alle unsere Länder trifft», hieß es in der Gipfelerklärung. Dass be
im
EU-Gipfel eine Einigung vertagt wurde, stieß im Europaparlament auf
Kritik.

Zuvor hatten die Staats- und Regierungschefs der G20 ein gemeinsames
Vorgehen in der Krise beschlossen. «Wir bekennen uns nachdrücklich
dazu, dieser gemeinsamen Bedrohung geeint entgegenzutreten», hieß es
in ihrer Erklärung nach einem Videogipfel. Man werde mit der
Weltgesundheitsorganisation WHO, dem Internationalen Währungsfonds
(IWF) und anderen internationalen Organisationen «alle erforderlichen
Schritte unternehmen, um diese Pandemie zu überwinden».

In Berlin soll am Freitag erstmal ein gewaltiges nationales
Hilfsprogramm gegen die Corona-Krise vom Bundesrat endgültig
beschlossen werden. Es umfasst Maßnahmen zur Rettung von
Arbeitsplätzen und Unternehmen, zur Unterstützung von Krankenhäusern

sowie zur Sicherung von Lebensunterhalt und Wohnung der Bürger. Die
ersten Hilfen sollen noch vor dem 1. April bei den Betroffenen
ankommen.

Insgesamt haben die 19 Mitgliedstaaten und die EU zusammen schon fünf
Billionen US-Dollar zur Stützung der Wirtschaft eingeplant. Die
Finanzminister sollen nun mit den Zentralbanken einen gemeinsamen
Aktionsplan für konkrete Maßnahmen erarbeiten. Auch die
Gesundheitsminister wurden beauftragt, ein Konzept zur
Pandemie-Bekämpfung zu erarbeiten. Die G20 bekannte sich zudem dazu,
Entwicklungsländer vor allem in Afrika in der Krise zu stützen.

Bundeskanzlerin Angela Merkel zeigte sich zufrieden mit den
Ergebnissen. Man habe «ein deutliches Zeichen für globale
Zusammenarbeit und internationale Koordination» gesetzt. Die
CDU-Politikerin nahm trotz häuslicher Quarantäne an beiden
Videogipfeln teil.

Die 27 Staats- und Regierungschefs der EU wollten ursprünglich die
Gruppe der Euro-Staaten beauftragen, Details für Hilfen aus dem
bestehenden Eurorettungsschirm ESM zu erarbeiten. Das reichte
Italiens Ministerpräsident Giuseppe Conte aber nicht. Gemeinsam mit
Spanien forderte er nach Angaben aus italienischen Regierungskreisen
beim Videogipfel «innovative und angemessene Finanzinstrumente».
Binnen zehn Tagen sollten die fünf Präsidenten der EU-Institutionen
einen Vorschlag machen. Daraus wurde schließlich der Kompromiss, dass
die Eurogruppe binnen zwei Wochen Vorschläge machen soll.

Italien und Spanien sind in Europa am schlimmsten von der
Coronavirus-Krise betroffen. Trotz schärfster Ausgangssperren sterben
täglich Hunderte von Menschen an der neuen Lungenkrankheit Covid-19.
Die Wirtschaft steht praktisch still, vor allem in Italien, das schon
vor der Krise kaum noch Wachstum und riesige Schuldenberge hatte.

Als «gefährliche Taktik» kritisierte der SPD-Europaabgeordneten Bernd

Lange den Beschluss des EU-Gipfels: «In der größten Krise greifen die

Mitgliedstaaten beim EU-Gipfel auf das übliche Instrumentarium
zurück: Problem vertagen und Zeit gewinnen.» Die Bürger erwarteten
entschlossenes Handeln, meinte auch der Chef der europäischen
Liberalen, Dacian Ciolos: «Wann, wenn nicht jetzt?» Nur mutige
Entscheidungen machten die EU stark und glaubwürdig.

Der haushaltspolitische Sprecher der Grünen-Fraktion im EU-Parlament,
Rasmus Andresen, kritisierte die Vertagung. Damit gehe wichtige Zeit
verloren. «Es ist enttäuschend, mit welcher Arroganz die deutsche
Bundesregierung gemeinsam mit anderen reicheren EU Staaten die EU in
eine Krise stürzt und sinnvolle ökonomische Maßnahmen blockiert»,
erklärte Andresen. Grünen-Chefin Annalena Baerbock warnte vor einem
Ende der EU: «Wenn jeder sich selbst der Nächste ist und so handelt,
wird sie zerbrechen.»

Vor dem EU-Gipfel hatte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der
Leyen heftige Kritik an den Alleingängen der EU-Staaten geübt,
darunter einseitige Exportverbote, Grenzkontrollen und Störungen des
Binnenmarkts in Europa. «Als Europa wirklich füreinander da sein
musste, haben zu viele zunächst nur an sich selbst gedacht», sagte
von der Leyen in einer Sondersitzung des Europaparlaments.

Im ihrer Gipfelerklärung versicherten die 27 Staaten, die Probleme
für den Warenverkehr an den teils geschlossenen Grenzen zu beheben.
Gemeinsam soll die Beschaffung von Schutzausrüstung vorangetrieben
und die Forschung an Impfstoffen gegen Covid-19 gefördert werden.

Zugleich baten die Staats- und Regierungschefs die EU-Kommission, mit
der Arbeit an einer Exit-Strategie zur Normalisierung der Situation
zu beginnen. Merkel betonte jedoch, es sei noch viel zu früh, über
eine Lockerung der Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie zu
sprechen. Sie wolle «sehr klar sagen, dass im Augenblick nicht der
Zeitpunkt ist, über die Lockerung dieser Maßnahmen zu sprechen.»