«Wettlauf gegen die Zeit»: Task Force beginnt Mammutprojekt Neustart Von Andreas Schirmer und Takehiko Kambayashi, dpa

Zu beneiden ist die am Donnerstag gegründete «Tokio 2020 Neustart
Task Force» nicht. Sie soll die Verlegung der Olympischen Spiele in
Tokio auf das nächste Jahr organisieren. OK-Präsident Yoshiro Mori
spricht von einer «noch nie da gewesene Herausforderung».

Tokio (dpa) - Japans früherer Ministerpräsident Yoshiro Mori hat
Ehrfurcht vor der Monumentalität seiner Aufgabe. Die in sieben Jahren
vorbereiteten Olympischen Spiele in Tokio muss er nach der Verlegung
des größten Sportereignisses auf dem Globus in wenigen Monaten mit
einer neu gegründeten Task Force noch einmal organisieren. «Von nun
an stellen wir uns einer noch nie da gewesenen Herausforderung»,
sagte der 82 Jahre alte Präsident des Organisationskomitees am
Donnerstag. Rund 30 Mitglieder sind in seiner Arbeitsgruppe mit dem
offiziellen Namen «Tokio 2020 Neustart Task Force».

Erstes Ziel des Gremiums ist es, einen Termin für die wegen der
Coronavirus-Pandemie verlegten Sommerspiele, die am 24. Juli eröffnet
werden sollten, zu finden. Spätestens im Sommer 2021 soll Olympia
stattfinden. Der Kalender des Weltsports ist prall gefüllt. Die
Fußball-EM wurde schon auf den 11. Juni bis 11. Juli 2021 verschoben.
Danach sind nahtlos die Weltmeisterschaften der Schwimmer und der
Leichtathleten im August geplant.

Noch ist Hidemasa Nakamura, der Verantwortliche für die Durchführung
der Spiele, eher hilflos, was die fast unmögliche Suche nach einem
jeden und allem gerecht werdenden Austragungszeitraum angeht. «Wir
haben keinen festen Plan, wie wir von hier aus weiter vorgehen
werden», bekannte er. «Wir haben keine Ahnung, wann wir die Termine
endgültig festlegen können.»

Tischtennis-Weltpräsident Thomas Weikert wünscht sich einen
Olympia-Termin im Frühjahr 2021. «Wir plädieren auf April oder
früher», sagte der 58-Jährige. Im Juni 2021 sei auch die
Tischtennis-WM im Einzel in Houston/USA vorgesehen.

Bei einer Telefonkonferenz am Donnerstagabend haben die 33
internationale Sportverbände mit IOC-Präsident Thomas Bach vor allem
über den neuen Termin für die Tokio-Spiele beraten. «Es war eine gute

Diskussion. Wir haben aber Stillschweigen über die Einzelheiten
vereinbart», sagte Weikert nach den Beratungen der Deutschen
Presse-Agentur. «Das IOC will nun dem japanischen
Organisationskomitee einen neuen Termin vorschlagen.»

Weikert hatte vor der Telefonschalte gesagt, dass man «mit dem IOC
auch über die Finanzen reden» müsse. «Da geht es um die schon für

Juli und August gebuchten Hotels und ob die Buchungen bestehen
bleiben oder nicht», erklärte er. Noch wichtiger sei für viele
internationale Verbände, ob sie weiter mit den Zuwendungen vom IOC in
vollem Umfang rechnen können. «Es gibt Verbände, die sind bis zu 90
Prozent davon abhängig», so Weikert.

Der Countdown für die Mission Neustart des wie Bach sagte
«komplexesten Ereignisses auf diesem Planeten», läuft unerbittlich.
«Wir befinden uns in einem Wettlauf gegen die Zeit», sagte Toshiro
Muto, der Chef des Organisationskomitees. «Es gibt so viele Probleme,
die nicht gelöst werden können, wenn der neue Termin für die Spiele
nicht feststeht.»

Die Liste der Herausforderungen ist lang. Es ist ungewiss, ob die
rund 11 000 Sportler auch nächstes Jahr noch ins Olympische Dorf
einziehen können, weil alle Wohnungen schon verkauft sind. Wie
organisiert man die Rückgabe und den Neuverkauf der Hunderttausenden
von Olympia-Eintrittskarten und wie gelingt die erneute Gewinnung von
rund 80 000 Volunteers. Außerdem geht es um veränderte Konzepte für
die Sicherheit oder den Transport in Tokio während der Spiele.

Nicht zuletzt gebe es «Tausende von Verträgen» zu berücksichtigen.

Neu abgestimmt werden müssten zudem die Interessen der Sponsoren,
Rundfunkanstalten, des IOC, der Weltsportverbände und der Nationalen
Olympischen Komitees. «Ich habe mir überhaupt nicht vorgestellt, dass
wir in diesem Ausmaß getestet werden», räumte Muto ein.

Tokio als Olympia-Gastgeberstadt habe «eine enorme Aufgabe vor sich»,
sagte Gouverneurin Yuriko Koike. «Wir haben Probleme, die sich
auftürmen. Aber es ist besser als eine Absage.» Ein Ausfall der
Spiele wäre der Stadt und dem Land viel teurer gekommen. Koike hofft
nun, dass sich das IOC an den Kosten der Verlegung der Sommerspiele
beteiligt. Dies berichtete die japanische Nachrichtenagentur Kyodo am
Donnerstag. Die Gouverneur wolle das IOC auffordern, dabei «eine
Rolle zu spielen», hieß es. Die Stadt Tokio werde nun eine Schätzung

der Kosten vornehmen, berichtet Kyodo. Zuletzt wurden rund 2,7
Milliarden Dollar für die Olympia-Verlegung veranschlagt.