Menschenrechtler kritisieren Mexikos Reaktion auf Coronavirus-Krise

Mexiko-Stadt/New York (dpa) - Mexikos Präsident Andrés Manuel López
Obrador gefährdet nach Ansicht der Menschenrechtsorganisation Human
Rights Watch (HRW) durch Fehlinformation über die Coronavirus-Krise
die Leben seiner Landsleute. Der Staats- und Regierungschef bringe
die Mexikaner durch seine «fahrlässige Missachtung» der
Notwendigkeit, genau über die Pandemie zu informieren, in große
Gefahr, teilte die Menschenrechtsorganisation am Donnerstag mit.
López Obrador habe den Empfehlungen der Gesundheitsbehörden direkt
widersprochen und weigere sich zudem, selbst dem Rat der Experten zu
folgen.

Der 66-jährige Linkspopulist hatte zunächst gesagt, das neuartige
Coronavirus sei weniger schlimm als die gewöhnliche Grippe, als es
Ende Februar erstmals in Mexiko festgestellt wurde. Einige Tage
später sagte er, die Menschen müssten sich weiter umarmen. Er trat
unterdessen immer wieder in Menschenmengen auf, wo er sich mit seinen
Anhängern die Hand gab, sie küsste und umarmte. Am vergangenen
Sonntag sagte López Obrador, wer es sich leisten könne, solle weiter
seine Familie zum Essen ausführen. López Obrador gehörte am
Donnerstag zu den Teilnehmern des G20-Videogipfels.

Erst seit dieser Woche sind die Schulen in dem nordamerikanischen
Land geschlossen und Veranstaltungen mit mehr als 100 Teilnehmern
verboten. Verbindliche Ausgangsbeschränkungen gibt es jedoch nicht,
Restaurants und Geschäfte bleiben geöffnet. Offiziell bestätigt
wurden bis dato 475 Infektionen und sechs Todesfälle. Weil bislang
kaum getestet wurde, dürfte die Dunkelziffer deutlich höher liegen.

Erst auf Druck der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und der
mexikanischen Justiz habe die Regierung am Dienstag anerkannt, dass
es inzwischen auch lokale Übertragungen gegeben habe, hieß es von
HRW. Die Organisation wies darauf hin, dass es in Mexikos
öffentlichem Gesundheitssystem nur rund 2500 Betten auf
Intensivstationen und 5500 Beatmungsgeräte gebe. Die Panamerikanische
Gesundheitsorganisation schätzt allerdings, dass in dem
130-Millionen-Einwohner-Land rund 700 000 schwer Erkrankte im Verlauf
der Epidemie auf künstliche Beatmung angewiesen sein werden.