Finanzspritze vom Land für Selbstständige und kleine Betriebe

Seit Tagen werden die Rufe nach schnellen finanziellen Hilfen des
Landes für besonders von negativen Corona-Folgen gebeutelte Betriebe
lauter. Seit Tagen sagt Regierungschef Haseloff Hilfe zu - jetzt hat
er verraten, wie die erste Soforthilfe aussehen soll.

Magdeburg (dpa/sa) - Läden und Gaststätten sind per Verordnung
geschlossen, Messen und Veranstaltungen fallen aus, Künstlern,
Freiberuflern und Selbstständigen brechen die Aufträge weg: Seit
Wochen sorgen sich viele Unternehmen und Unternehmer wegen der Folgen
der Corona-Pandemie um ihre Existenz und hoffen auf Hilfe vom Staat.
Nach Erleichterungen bei Steuern und Kurzarbeitergeld stellte
Sachsen-Anhalt jetzt auch sein erstes Programm vor, mit dem
betroffene kleine Betriebe und Selbstständige an Cash kommen können.

Wie sieht das Programm aus?

Es geht um Soforthilfen, die unkompliziert beantragt werden können
und schnell ausgezahlt werden sollen, wie Wirtschaftsminister Armin
Willingmann (SPD) am Donnerstag ankündigte. Profitieren können
Soloselbstständige, Freiberufler, Künstler, Land- und Forstwirte
sowie Betriebe mit bis zu 50 Mitarbeitern. Konkret geht es um
Zuschüsse, die nicht zurückgezahlt werden müssen, mit einem
Gesamtvolumen von 150 Millionen Euro. Zudem sollen Darlehen von bis
zu 100 Millionen Euro ausgezahlt werden.

Wie kann das Geld beantragt werden?

Die landeseigene Investitionsbank soll die Soforthilfen auszahlen.
Auf ihren Seiten soll den bisherigen Ankündigungen zufolge ab Montag
ein Formular bereitstehen, um die Hilfen zu beantragen. Wer das Geld
bekommen will, muss an Eides statt versichern, dass seine
wirtschaftlichen Schwierigkeiten existenzbedrohend sind und er die
laufenden Kosten nicht aus anderen Quellen bestreiten kann. Als diese
laufenden Kosten gelten alle laufenden betrieblichen Kosten wie
Mieten, Pachten, Leasingraten, Versicherungen, Energiekosten und
Instandhaltungskosten. Mehr Nachweise sind laut Willingmann nach
jetzigem Stand nicht nötig. Es gebe allerdings weitere Verhandlungen
mit dem Bund zum Prozedere.

Wer bekommt wie viel?

Konkret ist laut Willingmann geplant, dass Soloselbstständige,
Freiberufler und Betriebe mit bis zu fünf Mitarbeitern bis zu 9000
Euro bekommen können. Betriebe bis zehn Beschäftigte können bis zu 15

000 Euro Soforthilfe beantragen. Darüber hinaus gibt es für
Unternehmen mit bis zu 25 Mitarbeitern bis zu 20 000 Euro und für
Betriebe bis 50 Beschäftigte bis zu 25 000 Euro, hieß es.

Warum gibt es Soforthilfe nur für diese Betriebsgrößen?

Wirtschaftsminister Willingmann hatte bereits im Vorfeld deutlich
gemacht, dass vor allem sehr kleine Betriebe und Soloselbstständige
auf Geldspritzen angewiesen sind, weil sie für gewöhnlich solche
herben Einschnitte schlechter wegstecken können als größere
Unternehmen. Zudem hat Sachsen-Anhalt eine sehr kleinteilige
Wirtschaftsstruktur. Die Statistiker der Bundesagentur für Arbeit
rechnen mehr als drei Viertel aller 56 000 Unternehmen in
Sachsen-Anhalt der Gruppe der Betriebe mit weniger als zehn
Beschäftigten zu. Mehr als ein Sechstel hat zwischen 10 und 50
Beschäftigten, so dass nur den kleinsten Anteil der Unternehmen per
se kaum ausschließt.

Wollte nicht auch der Bund Geld geben?

Ja, und das tut er auch. Der Bund stellt deutschlandweit 50
Milliarden Euro an Zuschüssen für kleine Betriebe, Selbstständige und

Freiberufler bereit. Sie werden jedoch über die Länder ausgezahlt.
Das heißt, alle Soforthilfen für existenzbedrohte Unternehmen bis 10
Beschäftigte kommen aus dem Bundestopf. Die restlichen Hilfen stellt
Sachsen-Anhalt bereit. Für die Betroffenen macht das aber keinen
Unterschied. Sie wenden sich einfach an die Investitionsbank, füllen
das Formular aus - und bekommen bei Bewilligung von dort ihr Geld.
Oder wie Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) es zusammenfasst: Es
gibt ein Formular, einen Gang und eine Entscheidung.

Kann das Geld auch von denen beantragt werden, die per Verordnung
schließen mussten?

Ja, sagt Wirtschaftsminister Willingmann. Jeder, der durch die
Corona-Krise in Existenznot kommt und das per Eid versichert, kann
das Programm nutzen. Die Auszahlungen würden dann eventuell mit
anderen Ansprüchen, etwa auf Entschädigungen vom Staat, verrechnet.

Wird das Geld denn reichen?

Ja, sagt Finanzminister Michael Richter (CDU). Rein rechnerisch
könnte das Geld schnell aufgebraucht sein: Sollten 6000 Betriebe mit
26 bis 50 Mitarbeitern den Maximalsatz von 25 000 Euro beantragen,
wären die 150 Millionen Euro schon aufgebraucht. Doch diese Summe
könne ebenso aufgestockt werden wie die Bundeshilfen, so Richter.
Wirtschaftsminister Willingmann sprach gar von einem «schier
unendlichen Topf». Keiner müsse Angst haben, dass er leer ausgehe,
weil andere die Soforthilfen schneller beantragten. «Wie in anderen
Lebenslagen ist es auch in diesem Fall nicht geboten, zu hamstern.»
Anträge sollen nach jetzigem Stand bis Ende Juni möglich sein.

Woher nimmt Sachsen-Anhalt das Geld?

Das ist eine gute Frage, denn im gerade erst verabschiedeten Haushalt
für 2020/2021 tauchen die Summen für das Paket noch nicht auf.
Deswegen soll der Landtag nächste Woche schon über einen Aufschlag
von einer halben Milliarde Euro auf die für dieses Jahr eingeplanten
knapp 12 Milliarden Euro beraten. Ziel sei es, den Nachtragshaushalt
schon am Donnerstag zu verabschieden, sagte Finanzminister Richter.
Haseloff appellierte an die Abgeordneten: Alle Landeshilfen zur
Corona-Krise seien nur umsetzbar, wenn die Volksvertreter mit einem
Nachtragshaushalt den Weg dafür freimachen. Der Appell kommt nicht
von ungefähr: Das letzte Wort beim Landesgeld hat immer der Landtag.

Was sagen Wirtschaftsvertreter zu den Plänen?

Der Präsident der Industrie- und Handelskammer Magdeburg, Klaus
Olbricht, begrüßt das Programm. Er gehe davon aus, dass die
Soforthilfe jetzt unbürokratisch und schnell anlaufe, teilte er mit.
«Wir stehen gemeinsam vor einer Riesenaufgabe, die wir gemeinsam
bewältigen werden.» Die Handwerkskammern Magdeburg und Halle bieten
ihren Mitgliedsbetrieben an, sie zu den Hilfen zu beraten. Das werde
eine Mammutaufgabe, erklärte der Präsident der Handwerkskammer
Magdeburg, Hagen Mauer. «Wir erwarten Tausende von Anträgen.»