«Ausnahmesituation» - Kliniken sollen enger zusammenarbeiten

Um der steigenden Zahl an Corona-Patienten Herr zu werden, sollen
Kliniken in Rheinland-Pfalz sich intensiver abstimmen. Ministerin
Bätzing-Lichtenthäler sieht die Häuser gut vorbereitet, Not- und
Behelfskrankenhäuser hält sie derzeit nicht für nötig.

Mainz (dpa/lrs) - Mit neuen Netzwerken und einem Frühwarnsystem soll
die Versorgung der weiter steigenden Zahl an Corona-Patienten in
Rheinland-Pfalz flächendeckend sichergestellt werden. Das kündigte
Gesundheitsministerin Sabine Bätzing-Lichtenthäler (SPD) am
Donnerstag in Mainz an. Fünf große Kliniken - Maximalversorger
genannt - sollen die Betreuung von an der Lungenkrankheit Covid-19
leidenden Patienten, aber auch Patienten mit anderen Krankheiten in
ihrer jeweiligen Region koordinieren. «Wir befinden und in einer
Ausnahmesituation», betonte die Ministerin.

Als Koordinatoren wurden das Gemeinschaftsklinikum Mittelrhein im
Norden, die Unimedizin Mainz, das Klinikum Ludwigshafen, das
Westpfalz-Klinikum in Kaiserslautern und das Trierer Klinikum
Mutterhaus der Borromäerinnen auserkoren. In Absprache mit anderen
Kliniken in den Regionen sollen sie Kapazitäten planen,
Krankheitsverläufe verfolgen sowie Medikamente oder Material
austauschen. Im Rahmen eines Frühwarnsystems soll ein Alarm ausgelöst
werden, wenn in einer Region 80 Prozent aller Intensivbetten belegt
sind. So könne rechtzeitig geschaut werden, wo vor Ort weitere
Kapazitäten geschaffen oder in welche andere Region Patienten
gebracht werden könnten, erklärte die Ministerin.

Bätzing-Lichtenthäler sagte, es sei in der aktuellen Krise am besten,
auf bestehende Strukturen zurückzugreifen. Es werde derzeit keine
Notwendigkeit für Not- oder Behelfskrankenhäuser gesehen. Patienten
sollten auch nicht in Turnhallen oder Feldbetten behandelt werden.

FALLZAHLEN: Es sind erneut deutlich mehr bestätigte Corona-Fälle in
Rheinland-Pfalz geworden. Die Gesundheitsämter meldeten am Donnerstag
zum Stand 10.00 Uhr 1873 Infektionen, damit kamen binnen 24 Stunden
236 neue Fälle hinzu, nach einem Zuwachs um 157 Fälle am Vortag.
Bislang starben acht Menschen im Land an der durch das Virus
verursachten Krankheit Covid-19. Laut der Ministerin werden 153
Patienten stationär behandelt, davon wurden am Mittwochabend 46
intensivmedizinisch betreut. Bei 28 Menschen entwickelte sich die
Lungenkrankheit so schwer, dass sie künstlich beatmet wurden. Aus der
besonders stark betroffenen französischen Region Grand Est werden
aktuell fünf Patienten in Kliniken in Rheinland-Pfalz behandelt.

GEFÄNGNISSE: Auch in rheinland-pfälzischen Gefängnissen soll Platz
geschaffen werden - für den Fall, dass Häftlinge an Covid-19
erkranken und Quarantänezonen nötig werden. Dafür wird laut
Justizministerium bei Ersatzfreiheitsstrafen ein Aufschub gewährt -
also Freiheitsstrafen, die abgesessen werden, weil die Betroffenen
verhängte Geldstrafen nicht zahlen können. Auch Unterbrechungen von
Ersatzfreiheitsstrafen sind möglich und seit kurzem auch
Unterbrechungen von normalen Freiheitsstrafen - in aller Regel aber
nicht nach schweren Delikten wie Raub, Totschlag, Mord oder
Körperverletzung, Sexualstraftaten oder Brandstiftung.

GASTGEWERBE: Am Freitag wird im Landtag in Mainz voraussichtlich der
milliardenschwere Nachtragshaushalt verabschiedet. Vorab kommt Kritik
vom Hotel- und Gaststättenverband Dehoga im Land. Die angekündigten
Maßnahmen reichten nicht aus. Präsident Gereon Haumann forderte die
Schließung auch aller Hotels - unter anderem, um Platz zu schaffen
für die Unterbringung von Hilfs- und Einsatzkräften sowie für
Erkrankte mit Quarantäne-Auflagen. Haumann plädierte auch für
finanzielle Zuschüsse statt der bislang vorgesehenen Darlehen.

FLÜCHTLINGE: Wegen der weiteren Ausbreitung der Corona-Pandemie
fordern Flüchtlingshelfer die Auflösung von Sammelunterkünften für

Asylbewerber. «Aufgrund der engen Belegung und der meist
gemeinschaftlichen Nutzung von Bädern, Küchen und anderen Flächen
sind die in den Sammelunterkünften untergebrachten Menschen besonders
gefährdet, sich mit dem Coronavirus zu infizieren», heißt es in einem

Appell der Landesflüchtlingsräte und weiterer Organisationen.

BANKEN: Banken berichten von einer steigenden Zahl von Abhebungen
hoher Geldbeträge. Daraufhin betonte Innenminister Roger Lewentz
(SPD): «Mir liegen keinerlei Informationen vor, dass das Bargeld
knapp werden könnte.» Hohe Abhebungen könnten ganz unterschiedliche
Gründe haben, es sei aber denkbar, dass Betrüger inmitten der
Corona-Pandemie am Werk seien und sich etwa als Polizisten oder
Mitarbeiter eines Gesundheitsamtes ausgäben und Geld verlangten.

KLASSENFAHRTEN: Der Schulbetrieb ruht schon länger, nun wird es bis
zum Ende dieses Schuljahres wegen der Corona-Pandemie keine
Klassenfahrten mehr geben. Das Land übernimmt dem Bildungsministerium
zufolge die Kosten für die Stornierung bereits gebuchter Reisen. Auf
die Buchung und Planung von Klassen-, Kurs- und Studienfahrten für
dieses Schuljahr sei bis auf weiteres zu verzichten.

STREIT UM SÜSSES: Der «Corona-Osterhase» eines Herstellers von
Schokoartikeln sorgt für heftige Reaktionen im Internet. Während die
einen die mit Mundschutz und Toilettenpapier ausgestattete Figur als
gelungenen Scherz in der Krise feierten, kritisierten andere die Idee
als geschmacklos. Das Unternehmen Wawi aus Pirmasens zeigte sich
erschrocken über die Polarisierung. «Das war als humorvolle Aktion
gedacht - um den Menschen, in dieser Zeit, ein kleines Lächeln ins
Gesicht zu zaubern», sagte ein Firmensprecher. «Zu keiner Zeit war
gedacht, das Ausmaß der Corona-Krise zu verharmlosen.»