Schach matt in Jekaterinburg: Coronavirus stoppt WM-Kandidatenturnier Von Claudia Thaler und Georgios Souleidis, dpa

Zuerst die Fußball-EM, dann Olympia. Nur die Schachwelt hielt trotz
Corona-Pandemie weiter an ihrem Kandidatenturnier fest. Doch nun wird
auch eines der letzten großen noch laufenden Sportevents gekappt. Es
war ohnehin «ein Fest während der Pest», befand ein Großmeister.

Jekaterinburg (dpa) - Schach matt am Ural: Das Kandidatenturnier zur
Weltmeisterschaft im russischen Jekaterinburg wird gestoppt und damit
zu einer großen Hängepartie mit ungewissem Ausgang. Angesichts der
Coronavirus-Pandemie könne man die sichere und rechtzeitige Heimreise
der acht Spieler und aller Begleiter nicht gewährleisten, teilte der
internationale Schachverband (Fide) am Donnerstag mit. «Wir haben uns
nun in dieser Situation dazu entschieden, das Turnier zu stoppen»,
sagte Fide-Chef Arkadi Dworkowitsch. Hintergrund ist die Entscheidung
der russischen Regierung, wegen der Ausbreitung des Coronavirus keine
Flüge ins Ausland mehr zu erlauben.

Die weiteren Runden der acht Großmeister in der Metropole
Jekaterinburg am Ural sollten zu einem späteren Zeitpunkt mit dem
jetzigen Spielstand in der 8. Runde fortgesetzt werden. Wann das sein
soll, war zunächst nicht bekannt. Dworkowitsch sagte der Agentur
Tass, dass das Turnier zum Jahresende wieder aufgenommen werde - und
wäre damit allerdings auf Kollisionskurs mit dem WM-Finale zwischen
Norwegens Weltmeister Magnus Carlsen und dem siegreichen Kandidaten.

Alle Bewerber seien bislang gesund, teilte der Weltverband mit.
Keiner sei positiv auf das Coronavirus getestet worden. Zur Halbzeit
des Kandidatenturniers lagen der Franzose Maxime Vachier-Lagrave und
der Russe Jan Nepomnjaschtschi gemeinsam in Führung. Der Topfavorit
Fabiano Caruana (USA) folgt mit 3,5 Punkten, genau wie Alexander
Grischtschuk (Russland), Anish Giri (Niederlande) und Wang Hao
(China). Am Ende des achtköpfigen Feldes liegen Ding Liren (China)
und Kirill Alexejenko (Russland).

Am Donnerstag hätte die zweite Hälfte des Turniers beginnen sollen.
Der Preisfonds beträgt 500 000 Euro. Der Sieger erkämpft sich das
Recht, Weltmeister Carlsen herauszufordern. Die WM sollte eiegntlich
zur Weltausstellung Expo in Dubai Ende des Jahres stattfinden.

Die Entscheidung wurde von vielen positiv aufgenommen. Der russische
Schachverband betonte, dass man die Spieler nicht unnötig gefährden
wolle. «Das ist eine Lösung. Wir wollen kein Risiko eingehen», sagt
e
Andrej Filatow, Präsident des Verbandes. Der Russe Grischtschuk
sagte, dass die Entscheidung zwar richtig, aber viel zu spät gekommen
sei: «Das hätte schon längst geschehen sollen. Nicht nur wegen der
Gefahr, krank zu werden. Das Turnier ist wie ein Fest während der
Pest.» Grischtschuk hatte schon zuvor den Abbruch gefordert.

Bereits vor Beginn des Kandidatenturniers verbrachte der chinesische
Mitfavorit Ding Liren wegen des Coronavirus vorsorglich einige Tage
in Quarantäne. Er reiste aus einem Moskauer Sanatorium an.

Die Coronavirus-Pandemie hat auch die Sport-Welt weitgehend zum
Stillstand gezwungen. Die Fußball-Europameisterschaft und auch die
Olympischen Spiele in Tokio wurden um ein Jahr verschoben.