Bundestag beschließt historisches Hilfspaket - Debatte um Boni Von Theresa Münch, dpa

Gesundheit, Lebensunterhalt, Arbeitsplätze - das ist für die
Bundesregierung in der Corona-Krise das Wichtigste. Der Bundestag
winkt beispiellose Hilfsmaßnahmen durch. Zugleich rüsten sich die
Krankenhäuser für noch mehr Infizierte.

Berlin (dpa) - Milliardenschwere Hilfen sollen in der Corona-Krise
den Lebensunterhalt der Bürger, ihre Arbeitsplätze, die
Krankenhaus-Versorgung und bedrohte Unternehmen sichern. Dafür
beschloss der Bundestag am Mittwoch ein historisches Paket - und
ermöglichte dem Bund eine massive Neuverschuldung. Auch der Bundesrat
verschwendete keine Zeit. Während sich die Intensivstationen für die
Corona-Welle wappnen, beginnt aber auch schon eine Debatte, wie lange
die Kontaktbeschränkungen überhaupt durchzuhalten sind.

MEHR ALS 35 000 CORONA-INFIZIERTE IN DEUTSCHLAND

Bei mehr als 35 300 Menschen in Deutschland ist inzwischen eine
Infektion mit dem Corona-Virus nachgewiesen. Mindestens 180
Infizierte sind bundesweit gestorben. Das geht aus einer Auswertung
der Deutschen Presse-Agentur hervor, die die gemeldeten Zahlen der
Bundesländer berücksichtigt. Besonders hohe Zahlen haben
Nordrhein-Westfalen mit mehr als 9400 sowie Bayern mit mehr als 7200
und Baden-Württemberg mit mehr als 6000 Fällen.

Auch der britische Thronfolger Prinz Charles (71) wurde positiv auf
das neuartige Coronavirus getestet. Er habe nur milde Symptome und
sei ansonsten bei guter Gesundheit, teilte der Palast mit.

BUNDESTAG BESCHLIEßT HISTORISCHES HILFSPAKET

Erst machte Vizekanzler Olaf Scholz (SPD) den Bürgern Mut in harten
Zeiten, dann fasste der Bundestag historische Beschlüsse: Es gibt
massive Hilfen für Unternehmen, Krankenhäuser und die Bürger direkt.

Der Bund darf dafür in diesem Jahr neue Kredite in Höhe von 156
Milliarden Euro aufnehmen.

Kleine Firmen und Selbstständige bekommen Zuschüsse, auch für die
Krankenhäuser gibt es eine große Finanzspritze. Der Bundestag
beschloss zudem einen 600 Milliarden Euro umfassenden Schutzschirm
für größere Firmen. Der Staat will in großem Umfang Garantien geben

und notfalls wichtige Unternehmen auch ganz oder zum Teil
verstaatlichen.

Für Mieter beschloss der Bundestag, dass Vermieter ihnen nicht mehr
kündigen dürfen, wenn sie wegen der Corona-Krise die Miete nicht
zahlen können. Die Jobcenter sollen bei Hartz-IV-Anträgen ein halbes
Jahr lang auf die Prüfung des Vermögens verzichten. Familien mit
Einkommenseinbrüchen sollen leichter an den Kinderzuschlag kommen.
Die Regelungen gehen nun in den Bundesrat, einige der Gesetze sind
dort zustimmungspflichtig.

DEBATTE ÜBER ENDE DER KRISENMAßNAHMEN

Bereits an Tag zwei der härteren Kontaktbeschränkungen ist eine
Debatte darüber ausgebrochen, wie lange die Maßnahmen durchgehalten
werden können. Die Bundesregierung sieht vorerst keinen Anlass für
eine Lockerung. «Wir befinden uns immer noch am Anfang einer
Epidemie», sagte ein Sprecher des Gesundheitsministeriums. Auch wenn
sich ein leichtes Abflachen der Kurve andeute, gebe es weiterhin eine
hohe Zahl an Neuinfektionen und keinen Grund für Entwarnung. Es sei
davor zu warnen, jetzt bereits von einer «Exitstrategie» zu sprechen.

Ressortchef Jens Spahn (CDU) sagte der Wochenzeitung «Die Zeit»: «Die

Frage, wie wir diesen Krisenmodus wieder verlassen, wird jeden Tag
wichtiger.» Es gehe darum, öffentliches Leben in Zeiten der Epidemie
wieder möglich zu machen. «Bis spätestens Ostern will ich darauf eine

gute Antwort geben können.» Dabei müsse auch über neue Lösungsweg
e
nachgedacht werden.

Zugleich gibt es Warnungen, die Wirtschaft werde dauerhaft Schaden
nehmen, wenn die Maßnahmen nach Ostern noch in Kraft seien. Auch die
psychologische Belastung der Menschen müsse berücksichtigt werden.

FORDERUNG: BONI FÜR CORONA-HELDEN STEUERFREI MACHEN

Union und SPD wollen, dass Beschäftigte mit besonderen Leistungen in
der Corona-Krise finanziell belohnt werden. Wenn ihr Arbeitgeber
ihnen einen Bonus zahle, müsse dieser von der Steuer befreit werden.
Das Finanzministerium prüft derzeit, ob und wie eine solche Befreiung
umgesetzt werden kann. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD)
forderte zugleich höhere Löhne für Kassierer und Pfleger. Das könne

aber nicht staatlich verordnet werden.

BONI-BREMSE FÜR TOPMANAGER 

Haushaltspolitiker im Bundestag wollen verhindern, dass Top-Manager
trotz der Krise hohe Boni einstecken. Ihre Forderung: Die
Bundesregierung soll sicherstellen, dass Unternehmen, die unter den
Rettungsschirm des Staates schlüpfen, keine Dividenden, Boni oder
Sonderzahlungen etwa in Form von Aktienpaketen für ihre Vorstände
ausgeben. Staatliche Beteiligungen dürften nicht für hohe
Vorstandsbezüge oder Dividenden missbraucht werden.

JETZT DOCH ÜBERALL ABIPRÜFUNGEN

Die Schulabschlussprüfungen in Deutschland sollen nun doch überall
stattfinden - wenn auch zu anderen Terminen als geplant. Darauf
einigten sich die Kultusminister der Länder in einer Schaltkonferenz.
«Die Prüfungen, insbesondere die schriftlichen Abiturprüfungen,
finden zum geplanten bzw. zu einem Nachholtermin bis Ende des
Schuljahres statt, soweit dies aus Infektionsschutzgründen zulässig
ist», heißt es in dem Beschluss. Schleswig-Holstein rückte von seinen

Plänen ab, die Prüfungen in diesem Schuljahr komplett ausfallen zu
lassen. In Hessen und Rheinland-Pfalz schreiben Schüler ihre
Abiturprüfungen derzeit unter strengen Hygienevorschriften. Andere
Länder haben das Abi und andere Schulabschlussprüfungen verschoben.

ERNTEHELFER DÜRFEN NICHT EINREISEN

Erntehelfer und andere Saison-Arbeitskräfte dürfen seit
Mittwochnachmittag nicht mehr einreisen. So soll die Ausbreitung der
Pandemie weiter eingedämmt werden. Die Regelung gilt für die Einreise
aus Drittstaaten, aus Großbritannien, für EU-Staaten wie Bulgarien
und Rumänien, die nicht alle Schengen-Regeln vollumfänglich anwenden,
sowie für Staaten wie Polen oder Österreich, wo es jetzt wieder
Grenzkontrollen gibt.

Bauernpräsident Joachim Rukwied sagte, das Einreiseverbot treffe die
Betriebe sehr hart. Der Stopp müsse so kurz wie möglich gehalten
werden. Insbesondere Obst-, Gemüse- und Weinbaubetriebe bräuchten
dringend Arbeitskräfte. In der Landwirtschaft sind jährlich knapp 300
000 Saisonarbeitskräfte in Ernte und Aussaat beschäftigt, die vor
allem aus Osteuropa kommen.

KLINIKEN MIT SELBSTGENÄHTEN SCHUTZMASKEN

Die Intensivstationen rüsten sich für mehr Patienten. Noch ist die
Situation nach Angaben von Intensivmedizin-Verbänden und Deutscher
Krankenhausgesellschaft (DKG) noch relativ normal, in den nächsten
acht bis zehn Tagen wird aber mit deutlich mehr Schwerkranken
gerechnet. Derzeit fehlt vor allem Schutzausrüstung für Mediziner und
Pflegepersonal. Eine Klinik berichtete, ehemalige Krankenschwestern
nähten selbst Schutzmasken - allerdings nur für den normalen Betrieb.
Hoffnung gibt, dass die Produktion in China langsam wieder anläuft.

«LUFTBRÜCKE» FÜR TOURISTEN

Die Bundesregierung hat gemeinsam mit Reiseveranstaltern und der
Lufthansa inzwischen mehr als 150 000 im Ausland gestrandete Deutsche
zurückgeholt. Zahlreiche Länder haben wegen der rasanten Ausbreitung
des Coronavirus Grenzen dicht gemacht und Flugverbindungen gekappt.
Rund 50 000 Reisende warten laut Auswärtigem Amt noch auf
Sonderflüge. Unter www.rueckholprogramm.de können festsitzende
Deutsche sich für die Rückholaktion registrieren lassen. Die Tui will
an diesem Wochenende noch Kunden aus Fernzielen wie Thailand,
Mauritius, Mexiko oder Sri Lanka nach Hause bringen. Weil viele
Airlines ihren Betrieb unterbrochen haben, sind derzeit kaum reguläre
Linienverbindungen zu bekommen.

BILLIONEN-HILFEN IN DEN USA

Auch die US-Regierung plant ein Mega-Hilfspaket - Republikaner und
Demokraten haben sich darauf geeinigt. Laut Präsident Donald Trump
soll es 2 Billionen Dollar umfassen. Geplant sind unter anderem
direkte Hilfszahlungen an die US-Steuerzahler, eine deutliche
Verbesserung der Arbeitslosenversicherung, mehr Geld für
Krankenhäuser und ein sehr umfassendes Kreditprogramm für
Unternehmen. Auch in den USA sind viele Geschäfte derzeit
geschlossen, Restaurants und Kinos leer, Reisen wurden gestrichen.

G20-LÄNDER BERATEN CORONA-KRISE

Die Staats- und Regierungschefs der führenden Wirtschaftsmächte
wollen die Corona-Krise am Donnerstag bei einem Video-Sondergipfel
beraten. Es solle dabei um weltweit koordinierte Schritte zur
Eindämmung der Pandemie und um die «menschlichen und wirtschaftlichen
Auswirkungen» gehen, kündigte Saudi-Arabien laut staatlicher
Nachrichtenagentur SPA an. Das Königreich hat den Vorsitz in der
G20-Gruppe. Auch Länder und Organisationen, die eigentlich nicht Teil
der G20 sind, sollen teilnehmen.