Kaum Covid-19-Infektionen bei ambulanter und stationärer Pflege

Das Coronavirus ist für Senioren besonders gefährlich. Daher sind
Infektionen in Heimen und bei ambulanten Pflegekräften heikel. Doch
bisher stemmen sich die Anbieter erfolgreich gegen eine Verbreitung
des Virus.

Frankfurt/Wiesbaden/Hofgeismar (dpa/lhe) - Trotz steigender
Infektionszahlen durch das Coronavirus in Hessen sind Pflegeheime und
ambulante Pflegedienste bisher kaum betroffen. «Aktuell wurde uns nur
eine Handvoll Fälle angezeigt sowohl ambulant als auch stationär»,
sagte Michael Greiner, Geschäftsstellenleiter Mitte des
Landesverbands Ambulante Dienste und Stationäre Einrichtungen (bad)
in Frankfurt am Mittwoch. Daher sei man zuversichtlich, dass die
Einrichtungen und Dienste die Empfehlungen der Behörden nahtlos
umsetzten im engen Austausch mit Pflegebedürftigen und Angehörigen.

Während das Pflegeangebot gesichert ist, gebe es Veränderungen auf
der Nachfrageseite: Aus Angst vor Infektionen versuchten einige
Pflegebedürftige Leistungen in Bereich soziale Betreuung und
Versorgung herunterzufahren oder kurzzeitig auf Angehörige zu
übertragen. Ein Problem, dass osteuropäische Pflegekräfte wegen
Covid-19 Deutschland verließen und deshalb den Pflegediensten
Mitarbeiter in größeren Umfang fehlten, sei nicht bekannt.

Laut dem Statistischen Landesamt waren zuletzt 206 000 Menschen in
privaten Haushalten pflegebedürftig. Zwei Drittel davon wurden durch
selbst organisierte Pflegehilfen versorgt, ein Drittel durch
ambulante Pflegedienste. 55 700 leben in Pflegeheimen. Die Zahl der
Covid-19-Infektionen in stationären Pflegeeinrichtungen wird nicht
gesondert vom Land erfasst. Solange es keine Häufungen gebe, lägen
solche Fälle in der Zuständigkeit der Gesundheitsämter, sagt eine
Sprecherin des hessischen Sozialministeriums.

Bisher sind es eher Einzelfälle: Das Deutsche Rote Kreuz (DRK) mit 39
vollstationären Einrichtungen in Hessen registrierte nur die
Infektion einer Betreuerin im Lahn-Dill-Kreis - und keine infizierten
Bewohner. Im Bezug auf die Gesamtsituation der Pflegeeinrichtungen
sagt DRK-Sprecherin Gisela Prellwitz daher: «Es ist noch alles gut,
wie es weitergeht, können wir aber nicht wissen.»

Besuche sind in den Einrichtungen nur noch im Ausnahmefall möglich,
beispielsweise bei Sterbefällen oder wenn der Hausarzt komme. Die
Regelungen stießen auf Verständnis. «Die Angehörigen sind sehr
kooperativ», erklärt Prellwitz. Einige Bewohner litten allerdings
unter der Situation. Die Pflegekräfte seien ausgebildet, auf Ängste
einzugehen. Auch das DRK hat keine Personalprobleme.

Coronafrei ist bisher die Evangelische Altenhilfe Gesundbrunnen mit
16 Standorten in Nord- und Osthessen. Theoretisch seien Besuche der
Bewohner für eine Stunde am Tag möglich. In der Praxis sei der
Publikumsverkehr aber vielerorts komplett eingeschränkt, sagte
Sprecherin Christiane Gahr in Hofgeismar. «Medizinische Therapien
werden weiter durchgeführt, allerdings kommen die Therapeuten in
Schutzkleidung.»

Die Senioren würden die Situation bisher meist gelassen nehmen.
«Momentan ist man in einem deutschen Altenheim auch gut aufgehoben»,
erklärt Gahr. Die Einrichtungen hätten Erfahrungen mit ähnlichen
Situationen durch andere Krankheiten. «Sobald es einen Verdachtsfall
gibt, ändert sich natürlich die Lage, aber das heißt nicht, dass es
Zustände wie in Italien gibt.»

Der Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch,
empfiehlt dagegen, Aussagen zur Zahl der Corona-Infektionen in
Pflegeheimen und bei Pflegediensten mit Vorsicht zu begegnen. «Wir
sind da bisher im Blindflug.» Solange Mitarbeiter nicht getestet
würden, könne man keine verlässlichen Aussagen machen. Erst
neuerdings sollen Pflegekräfte bei Symptomen einer Atemwegserkrankung
auf Covid-19 getestet werden, auch wenn sie keinen Kontakt zu
Infizierten hatten oder in Risikogebieten waren. Das Robert
Koch-Institut hatte am Mittwoch seine Empfehlungen entsprechend
angepasst.

In Hessen lag die Zahl der bestätigten Corona-Fälle lag am Mittwoch
(Stand 14.00 Uhr) bei 1909. Damit gab es 292 mehr Infizierte als am
Vortag. Die Zahl der Todesfälle, die auf den Erreger Sars-CoV-2
zurückgeführt werden, stieg auf sechs.