Zehn Tote in Würzburger Seniorenheim - Alle Bewohner werden getestet

Eine Senioreneinrichtung in Würzburg hat auffällig viele Corona-Tote
zu beklagen. Jetzt werden alle Heimbewohner getestet - ein
umstrittenes Verfahren. Patientenschützer üben heftige Kritik an den
Verantwortlichen.

Würzburg (dpa/lby) - Der Kampf gegen das Coronavirus in einer
Würzburger Seniorenresidenz wird immer dramatischer. In dem
Seniorenheim St. Nikolaus starb am Montag der inzwischen zehnte
Patient nach einer Infektion mit dem neuartigen Erreger. Die
Einrichtung ist seit Wochen ein Schwerpunkt bei Todesfällen im
Zusammenhang mit dem Coronavirus in Bayern.

Von 149 Heimbewohnern seien 29 weitere positiv getestet worden, sagte
Würzburgs Oberbürgermeister Christian Schuchardt (CDU) am Mittwoch.
Er ist auch Vorsitzender des Stiftungsrates des Würzburger
Bürgerspitals, zu dem die Einrichtung gehört. Von den 86 Mitarbeitern
seien 33 positiv getestet. Angefragte Sanitäter der Bundeswehr
stünden nicht als Aushilfen zur Verfügung, sagte Schuchardt.

Im gesamten Freistaat kamen bisher 41 Menschen nach einer Infektion
mit dem Virus ums Leben, wie Staatssekretär Gerhard Eck (CSU) bei der
Pressekonferenz sagte. 7289 Menschen sind bayernweit positiv
getestet. Nachdem das Landesamt für Gesundheit und
Lebensmittelsicherheit in den vergangenen Tagen geringere Fallzahlen
pro Tag gemeldet hatte, stiegen sie am Dienstag wieder an. Am Samstag
waren es 1026 Fälle gewesen, 569 am Sonntag und 536 am Montag. Am
Dienstag ging die Zahl erneut auf 783 gemeldete Fälle in die Höhe.

Im besonders betroffenen Würzburger Altenheim werden seit Dienstag
die gesamte Belegschaft sowie alle Heimbewohner getestet, wie
Schuchardt sagte. Besonders bei Demenzkranken sei dies eine besondere
Herausforderung. Dennoch habe man sich dazu entschlossen, um die Lage
zu beruhigen und Klarheit zu erhalten. Bei den Toten von St. Nikolaus
habe es sich allesamt um hochbetagte Patienten gehandelt, die teils
erhebliche Erkrankungen aufgewiesen hätten.

Die Deutsche Stiftung Patientenschutz kritisierte das Vorgehen
scharf. «Seit zwei Wochen ist klar, dass sich im Pflegeheim Würzburg
eine Katastrophe abspielt. Es hat 14 Tage gebraucht, bis Stadt und
Land einen Corona-Test für alle im Heim bereitstellen», sagte
Stiftungsvorstand Eugen Brysch. «Jetz muss Ministerpräsident (Markus)
Söder in Würzburg endlich die Zügel in die Hand nehmen.» Brysch
betonte: «Es gilt, die Versorgung der Pflegebedürftigen und die
Unterstützung der Pflegekräfte sicherzustellen. Würzburg darf sich
anderswo nicht wiederholen.»

Der Leiter des Würzburger Gesundheitsamtes, Johann Löw, wies auf die
Problematik der nur begrenzt zur Verfügung stehenden Tests hin. Der
Test bringe zudem keine Sicherheit, weil die Infektion innerhalb der
Inkubationszeit auch erst nach dem Abstrich eintreten könne und dann
eine falsche Sicherheit suggeriert werde.

Noch keine Entscheidung ist den Angaben nach darüber getroffen
worden, ob positiv auf das Coronavirus getestete Heimbewohner künftig
anderweitig untergebracht werden sollen. In der Diskussion sei, sie
in sukzessive leergezogenen Einrichtungen der Altenpflege
unterzubringen. Eine andere Möglichkeit wäre, die negativ Getesteten
dorthin zu bringen. Alle Alternativen hätten Schwachstellen.

Größtes Problem für den Umgang mit Bewohnern von Pflegeeinrichtungen

wie auch mit Patienten in Krankenhäusern sei der Notstand beim
Material, etwa Atemschutzmasken und Schutzkleidung, sagte der
ärztliche Leiter des Universitätsklinikums Würzburg, Georg Ertl. «W
ir
kriegen zurzeit massenhaft Angebote aus China.» Es sei für seine
Klinik kaum zu prüfen, ob die Angebote seriös seien. Ertl begrüßte

den Vorstoß der bayerischen Staatsregierung, die Materialbeschaffung
zentral zu koordinieren.

Der Klinikchef sprach sich dafür aus, solange Deutschland noch freie
Kapazitäten etwa bei Beatmungsplätzen habe, auch Patienten aus
anderen europäischen Ländern aufzunehmen. Dies sei nicht nur ein Akt
der Solidarität, sondern bringe auch Expertise im Umgang mit der
völlig neuen und unbekannten Erkrankung.

Ertl wies darauf hin, dass schwere Krankheitsverläufe nach einer
Ansteckung mit dem Coronavirus nicht nur ältere Menschen mit
Vorerkrankungen treffen könnten. In Würzburg würden derzeit vier
Corona-Patienten auf der Intensivstation betreut, alle seien jünger
als 60 Jahre. Am Nachmittag meldete das Würzburger Juliusspital einen
Erfolg: Eine 79 Jahre alte Patientin, die seit einer Woche künstlich
beatmet worden sei, habe vom Beatmungsgerät genommen werden können
und atme nun wieder eigenständig. «So wie es aktuell aussieht, ist
sie trotz ihres fortgeschrittenen Alters über den Berg», sagte der
Kardiologe Kilian Distler.

Unterdessen sind auch im Landkreis Fürth Corona-Fälle in
Seniorenheimen bekannt geworden. Vier Bewohner aus einer Einrichtung
in Roßtal seien in ein Krankenhaus gebracht worden. Dort sei auch
Pflegepersonal betroffen, teilte der Landkreis am Mittwoch mit. In
einer weiteren Einrichtung in Langenzenn sei ein Heimbewohner positiv
getestet worden.