Modebranche befürchtet eine «noch nie dagewesene Insolvenzwelle»

Branchenverbände und Unternehmen fordern Nachbesserungen beim
Hilfspaket der Bundesregierung. Viele Händler drohten sonst zwischen
den Förderprogrammen durchzufallen - mit verheerenden Folgen für die
Innenstädte.

Berlin (dpa) - Der Mode- und Textilhandel in Deutschland hat vor
einem Kollaps der gesamten Branche durch die Corona-Krise gewarnt.
«Wenn nicht spätestens im Mai die Geschäfte wieder öffnen, droht ei
ne
noch nie dagewesene Insolvenzwelle speziell von mittelständischen
Händlern und Lieferanten», prognostizierten der Handelsverband Textil
(BTE) und der Modeindustrie-Verband GermanFashion am Mittwoch in
einer gemeinsamen Erklärung. Bereits die beschlossenen
Öffnungsverbote bis Ende April würden zu zahlreichen Insolvenzen
führen. Dies werde auch dramatische Folgen für die deutschen
Innenstädte haben, warnten die Verbände.

BTE, GermanFashion, aber auch der Handelsverband Deutschland (HDE)
und mehr als ein Dutzend Mode- und Textilunternehmen forderten
angesichts der Gefahrensituation mehr Hilfen der Bundesregierung für
ihre Branche. HDE-Hauptgeschäftsführer Stefan Genth forderte die
Regierung auf, beim angekündigten Hilfspaket erheblich nachzubessern.
«Unter den gegebenen Umständen halten viele Einzelhändler nicht
länger als vier Wochen aus», betonte Genth. Bei ungefähr einem
Sechstel der Händler handele es sich um mittelgroße Unternehmen, die
nicht vom Soforthilfeprogramm der Bundesregierung profitierten. «Sie
laufen Gefahr, zwischen den einzelnen Förderprogrammen der
Bundesregierung durchzufallen», warnte Genth.

Auch mehr als ein Dutzend Mode- und Textilunternehmen riefen die
Bundesregierung zu mehr Hilfen für ihre Branche auf. «Der aktuelle
Lock Down des deutschen Modehandels bedroht die Existenz des Handels
und der Industrie massiv», warnten die 13 Unterzeichner in dem am
Mittwoch veröffentlichten Aufruf mit Blick auf die Schließung vieler
Geschäfte im Kampf gegen Sars-CoV-2. Die bisherige Hilfe in Form von
Darlehen der staatlichen Förderbank KfW würde «viele Unternehmen
nicht oder zu spät erreichen».

«Wir brauchen einen Rettungsschirm, der die Liquidität der Händler
unterstützt», fordern die Unterzeichner. Die Regierung solle den Top
30 Textilunternehmen einen Fonds in Höhe von 850 Millionen Euro zur
Verfügung stellen. Der Einzelhandel könne so alle Lieferungen der
Herbst/Winter-Kollektionen erhalten. Die Zahlungen dafür sollen erst
ein halbes Jahr später rechtswirksam werden. Verwaltung, Kontrolle
und Rückführung des Fonds soll eine unabhängige
Wirtschaftsprüfungskanzlei übernehmen. «Mit dieser staatlichen Hilfe

sind die Warenflüsse gesichert und die Liquidität bleibt für 180 Tage

im Handel. Der Fonds sollte nach Ablauf dann entsprechend aufgelöst
und zurückgeführt werden», heißt es in dem Aufruf.

Die Fashion-Branche leide aufgrund ihrer saisonalen Produkte extrem
stark unter den Auswirkungen der Corona-Krise, betonte BTE-Präsident
Steffen Jost. «Hosen und Schuhe aus der Frühjahrskollektion kann der
Modehandel im Sommer kaum noch verkaufen», betonte er.

Zudem machen der Branche aktuell die langen, internationalen
Lieferketten zu schaffen. Obwohl die Läden geschlossen sind, wird
neue Ware angeliefert, die bereits vor Monaten bestellt wurde.
Gleichzeitig läuft schon jetzt die Orderrunde für die Herbstmode und
sorgt für zusätzliche finanzielle Belastungen.